Kappe und die verkohlte Leiche
- Jaron
- Erschienen: Mai 2007
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- Jaron, 2007, Titel: 'Kappe und die verkohlte Leiche', Originalausgabe
Mehr historische Schilderung als Krimi
Nach einem gelungenen Einsatz erfüllt sich der dringendste Wunsch des jungen Kriminalwachtmeisters Hermann Kappe: Er wird nach Berlin versetzt. Dort versucht der junge Mann Fuß zu fassen und wird auch prompt mit der Aufklärung eines Mordfalls betraut. In Moabit ist ein Kohlenarbeiter ermordet worden, der als Streikbrecher galt. Kaum jemand von den anderen Kohlenarbeiter weint dem erschossenen Paul Tilkowski eine Träne nach. Und auch der überzeugte Streikführer Dlugy erklärt, man müsse eben auch über Leichen gehen, um die Sache der Kohlenarbeiter durchzubringen. Doch Kappe ist es zu einfach, Dlugy von vornherein zum Mörder zu erklären. Er ahnt, dass sich hier einige Geschichten überschneiden. So ganz hat der junge Kriminalwachtmeister aber den Kopf nicht bei der Sache: Er ist seinem Schwarm Klara wieder begegnet, die er von früher kannte und macht ihr nun den Hof. Doch Klara scheint sein Werben nicht so recht ernst zu nehmen. Der verliebte Kappe weiß sich keinen Rat.
Sehr detaillierte Schilderungen
Dieser Roman kann mehr den Lesern ans Herz gelegt werden, die in die Welt des Berlin von 1910 eintauchen wollen, als jenen, die auf der Suche nach historischen Krimis sind. Denn das Gewicht des Romans liegt keineswegs auf dem Mord und den Ermittlungen dazu. Das zeigt sich schon daran, dass bereits ein Drittel des Buches gelesen ist, bis es überhaupt zum Tod von Tilkowski kommt. Wer von da an nun einen sich schnell entwickelnden Krimi mit einem anhaltenden Spannungsbogen erwartet, wird schnell eines Besseren belehrt. Horst Bosetzky behandelt den Mord quasi als Nebensache und bleibt der Linie treu, die er schon zuvor eingeschlagen hat: Er präsentiert sehr detailreiche Schilderungen von allerlei Situationen und Alltagsszenen im Berlin des angebrochenen 20. Jahrhunderts. So detailreich, dass man ihm eine gewisse Bewunderung dafür zollen muss, sich so gut auszukennen. Aber das geht eindeutig zu Lasten der Geschichte, die sich nur schleppend und mit manchem kurzen Absacken entwickelt. Aus historischer Sicht gesehen hat Bosetzky also allerhand zu bieten. Besonders, wer darauf gewartet hat, mehr über Berlin - und die Region von Wendisch-Rietz am Scharmützel See - zu erfahren, wird diesem Roman zweifellos viel abgewinnen können.
Farblose Protagonisten
Es mag sein, dass dem Autor die Hauptfigur Hermann Kappe noch nicht ganz so nahe gekommen ist, wie sie sollte, um sie mit Leben zu füllen. Der junge Kriminalwachtmeister bleibt farblos, ja nahezu blutlos, will sich nicht so richtig in die Herzen der Leser spielen und scheint auch bei der ebenso farblosen, ja nahezu langweiligen Klara kaum auf Gegenliebe zu stoßen. Hier wünschte man sich eindeutig mehr Energie und Lebendigkeit, etwas Koketterie oder Bestimmtheit bei der jungen Dame und vor allem mehr Tempo in der Erzählung.
Interessante politische Hintergründe
Dass es sich dennoch lohnen kann, nach dem Buch zu greifen, liegt vor allem an den liebevoll aufbereiteten und erklärten politischen Zusammenhängen, die Horst Bosetzky seinen Lesern serviert. Er begnügt sich nicht damit, das Publikum mit der Tatsache zu konfrontieren, dass hier ein Streik der Kohlenarbeiter stattfindet, er erklärt auch, was es damit auf sich hat und weshalb Leute wie der später ermordete Tilkowski sich nicht am Streik beteiligen wollten. Für diese Erklärungen und auch für seine recht flüssige Schreibweise verdient der Autor durchaus Anerkennung, wenn auch der Plot selber und die Figurenzeichnung ansonsten eher etwas schmalbrüstig ausgefallen sind.
Bei dieser ungewöhnlichen Krimi-Reihe um den jungen Hermann Kappe lohnt es sich jedoch, zu den nächsten Bänden zu greifen, beteiligen sich hier doch ganz unterschiedliche Autoren und es dürfte spannend sein, mitzuverfolgen, wie sich die Hauptfigur tatsächlich entwickelt.
Horst Bosetzky, Jaron
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