Der Hort der Gepiden
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- Erschienen: Januar 2016
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- , 2016, Titel: 'Der Hort der Gepiden', Originalausgabe
Ein geschlagenes Volk
Im Jahr 592 n.Chr. sind die Gepiden ein verstreutes Volk. Besiegt vom Langobardenkönig Alboin, zog ein großer Teil des Volkes mit dem neuen Herrscher nach Italien. Wenige blieben zurück in der Heimat, dort, wo Donau, Save und Drau zusammenfließen. Ständig von den umherstreifenden wilden Horden der Awaren bedroht, leben sie in kleinen Dörfern und kaum jemand denkt noch an die einstige Größe der Gepiden. Aus dem Schädel ihres Königs Kunimund hat der siegreiche Alboin eine Trinkschale fertigen lassen und Rosamund, die Tochter des Königs, wurde Alboins Gemahlin. Nun, viele Jahre nach jener denkwürdigen Schlacht, machen sich einige Gepiden wieder auf den Weg in die Heimat. Während in Italien die Langobardenherzöge das Reich des ermordeten Alboin unter sich verteilt haben, während in Konstantinopel Kaiser Maurikios versucht, sein kollabierendes Reich zu kontrollieren und zu regieren, ziehen Unna, Notker, Edwina und ein paar andere nordwärts. Vor allem Unnas Geschichte ist eng mit dem Schicksal Rosamunds verwoben. Edwina folgt ihr nur zu gerne, droht ihr doch eine unerwünschte Heirat. Niemand von ihnen ahnt, welch stürmische Zeiten ihnen bevorstehen. Doch die Soldaten des Kaisers ziehen durch das ehemalige Gebiet der Gepiden und im Namen des Gepidenprinzen Reptila rufen eifrige Werber zum Kampf gegen die Awaren und gegen den Kaiser in Konstantinopel.
Wer kennt schon die Gepiden?
Liest man den Titel des Romans, so denkt man zunächst vielleicht an Fantasy. Wer hat denn schließlich schon mal etwas von Gepiden in Europa gehört? Und doch gab es dieses Volk, aufgerieben in den Wirren der Spätantike, letztendlich weit verstreut über den Südosten Europas, verschwunden im Nebel der Geschichte. Ulla Puntschart ist es zu danken, dass sich der Nebel nun etwas lichtet. Die Autorin geht in ihrem Roman umfassend auf die Ereignisse ein, die auf die Niederlage gegen Alboin folgten. Es sind Rückblenden während der aktuellen Handlung, meist Erzählungen Unnas für die neugierigen Zuhörerinnen in der Spinnstube. Allerdings führt der Roman an diverse Schauplätze: ein kleines Dorf im ehemaligen Gepidenreich, Konstantinopel, das Lager des Awaren-Khagans und noch einige andere mehr. Und auch viele, viele Protagonisten bevölkern den Roman, historisch verbürgte und fiktive.
Da kann man als Leser schon mal ein wenig die Übersicht verlieren, zumal es vorkommen kann, dass ein Kapitel mit der Geschichte Rosamunds begonnen wird, dann aber völlig unvermittelt an einen der aktuellen Handlungsorte springt, zu Protagonisten, die überhaupt nichts mit Rosamund zu tun haben. Generell machen die vielen Sprünge von Handlungsort zu Handlungsort es schwierig, den roten Faden des Romans zu finden und zu halten. Immer wieder zerfasert die Handlung, wird irgendwo neu angesetzt, geht im nächsten Kapitel wieder zurück und im übernächsten an einen völlig neuen Ort mit ganz anderen Protagonisten. Tatsächlich macht genau dies einen Roman aus, allerdings gelingt es der Autorin in diesem Fall oft nicht, die vielen Mosaiksteine zu einem aussagekräftigen Bild zusammen zu fügen. So ist auch der Spannungsaufbau mühsam und bricht immer aufs Neue wieder zusammen. Es gelingt einfach nicht, die Spannung ins nächste Kapitel, an den nächsten Handlungsort und zu den nächsten Protagonisten mitzunehmen.
Wenig starke Charaktere
Eine Vielzahl von Personen wandelt durch diesen Roman, da fällt es sicher schwer, sie alle umfassend zu charakterisieren. Dennoch ist es der Autorin gelungen, einige der wichtigsten Protagonisten etwas schärfer zu umreißen und sie so für den Leser greifbarer zu machen. Interessanterweise gehört zu diesem Personenkreis auch die zum Zeitpunkt der Romanhandlung längst verstorbene Rosamund. Albsuinda hingegen, die im Hintergrund an den Fäden zieht, bleibt wohl absichtlich eine etwas undurchschaubare Dame. Leider sind gerade die Hauptfiguren Edwina, Unna und Notker eher blass geraten und vermögen so kaum, beim Leser wirkliche Anteilnahme an ihrem Schicksal zu wecken.
Wirklich spannend ist jedoch die Geschichte der Gepiden, die von der Autorin hier mit viel Engagement und sicher auch so gut recherchiert, wie es antike Chroniken und archäologische Artefakte nur möglich machen, erzählt wird. Die Handlung des Romans selbst jedoch ist frei erfunden. Der Sprachduktus ist dabei eher einfach gehalten, so dass man diesen Roman auch gut Jugendlichen in die Hand geben kann.
Ein anerkennenswerter Roman-Erstling
Der Hort der Gepiden: Kein Elefant vor Sirmium ist der erste Roman einer Autorin, die ansonsten eher für ihre Sachbücher bekannt ist. Vielleicht nicht der ganz große Wurf, auf jeden Fall aber ein Roman, der ein interessantes Thema hat und in einer Zeit spielt, um die viele andere Autoren einen großen Bogen machen. Das Buch hat ein umfangreiches Personenverzeichnis, deutlich unterteilt in fiktive und historische Personen. Eine Landkarte unterstützt den Leser bei der geographischen Orientierung, allerdings erfordert es doch einige Erdkunde-Kenntnisse, um zu erkennen, wie das Gebiet heute aussieht und um welche Städte es geht. Das Nachwort der Autorin sei an dieser Stelle unbedingt empfohlen, da sie noch einmal darlegt, was in diesem Roman von ihr erfunden wurde und was Realität ist.
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