Der Sünderchor
- Droemer-Knaur
- Erschienen: Januar 2015
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- Droemer-Knaur, 2015, Titel: 'Der Sünderchor', Originalausgabe
Licht und Stein
Im Jahr 1248 ist jene Kathedrale, die Uta von Ballenstedt einst gemeinsam mit ihrem Ehemann und seiner Familie in Naumburg stiftete, schon lange nicht mehr existent. Ein neuer Kirchenbau erhebt sich an ihrer Stelle. Nun aber plant Bischof Dietrich, diese Kirche zu erweitern. Ein neuer Chor soll angefügt werden, gewidmet den Stiftern des Naumburger Doms. Sie alle waren Sünder, die letztendlich doch zu Gott gefunden haben. Dietrich will damit ein Zeichen setzen, für die Macht der Kirche, für die Macht des Papstes. Er beruft einen eher unbekannten Künstler nach Naumburg, der den Sünderchor erbauen soll: Matizo von Mainz. Matizo jedoch will nicht in diese Stadt. Nur der Befehl des Bischofs zwingt ihn, wieder nach Naumburg zurückzukehren, dorthin, wo Matizo einst ein Versprechen brach und eine schwere Sünde beging.
Aber mit dem Bau des Chores bekommt Matizo eine Aufgabe, die für ihn, den begnadeten Steinmetz, das größte Glück bedeutet. Er hat die Möglichkeit, seine Träume von einer lichtdurchfluteten Kathedrale Wirklichkeit werden zu lassen. Mit der jungen Schreiberin Hortensia stellt ihm Bischof Dietrich eine Helferin zur Seite, die feinfühlig Matizos Arbeit unterstützt. Aber Hortensia hat auch ein dunkles Geheimnis. Markgraf Heinrich III. hat sie nach Naumburg geschickt, um regelmäßig über den Bischof zu berichten. Der Bau eines Chores als Zeichen päpstlicher Macht missfällt dem kaisertreuen Markgrafen zutiefst. Mit Hortensias Hilfe will er die Pläne Bischof Dietrichs scheitern lassen.
Kleiner Exkurs in die Kunstgeschichte
Höchstwahrscheinlich war alles ganz anders. Anders als es in diesem Roman beschrieben wird. Und dennoch gelingt es den Autorinnen Claudia und Nadja Beinert, ihren Lesern mit ungebrochener Lust am Fabulieren eine Geschichte zu erzählen, die wunderbar in den historischen Kontext passt und glaubwürdig die Entstehungsgeschichte des Westchores im Naumburger Dom schildert. Dabei bleibt auch Raum, die Leser mit der Bedeutung des Bauwerkes und mit Interpretationen zu den Stifterfiguren vertraut zu machen. Dies gelingt dem Autorinnenduo ohne aufgesetzte Belehrungen und Fußnoten. Alle kunstgeschichtlichen Informationen findet man im Roman, eingebettet in Dialoge oder in Schilderungen einzelner Arbeitsschritte. Hier spürt man auch, dass die Autorinnen intensiv zur Arbeitsweise eines Baumeisters und Steinmetzes recherchiert haben. Kleine Illustrationen im Roman helfen dem Leser, die geschilderten Arbeitsschritte zu verstehen. Dies wird beim Lesen durchaus nicht langweilig, denn die Schilderungen dienen auch dazu, die Handlung voran zu treiben.
Besonders einfühlsam beschreiben die beiden Autorinnen die tiefe Religiosität der Menschen im 13. Jahrhundert, ihre Verbundenheit mit dem Glauben. So wird für den Leser nachvollziehbar, welche enge Bindung die Menschen zu ihrer Kathedrale hatten und welche Bedeutung die Kunstwerke im Westchor bekamen.
Kein Anspruch auf historische Genauigkeit
Claudia und Nadja Beinert kennen ihr Naumburg offenbar gut. Es gelingt ihnen, die Leser mitzunehmen in die mittelalterliche Stadt und eine Vorstellung vom Leben in dieser Stadt zu vermitteln. Dabei entstehen auch sehr lebendige Protagonisten mit charakterlicher Tiefe und vielen interessanten Schattierungen. Gelegentlich kommt man als Leser allerdings doch ins Grübeln und denkt: Hm...naja...wohl eher nicht. Insbesondere wenn es darum geht, wie denn letztendlich die Entscheidung zum Bau gefällt wurde. Aber die Autorinnen erheben auch nicht den Anspruch auf absolute historische Genauigkeit. Sie erzählen einfach ihre eigene Geschichte und verweisen im Nachwort auf die tatsächlichen historischen Fakten. Dabei wechseln sie immer wieder die Perspektive. Neben den Kapiteln, die aus Matizos Sicht erzählen, gibt es jene Kapitel, in denen Hortensia zu Wort kommt. Wenn über Markgräfin Agnes berichtet wird, entsteht noch einmal ein ganz intensiver Blick auf das Wettiner Herrscherhaus.
Gelungener Abschluss der Uta-Trilogie
Der Sünderchor schließt die Trilogie um den Naumburger Dom und dessen Mitstifterin Uta von Ballenstadt ab. Ob man alles glauben mag, was die Autorinnen dort erzählen, sei dahingestellt. Zumindest botanisch gibt es einige Anachronismen, denn Kürbis, Kastanien und Hortensien sind einfach ein wenig zu früh dran im mittelalterlichen Sachsen. Insgesamt jedoch hat man hier einen interessanten Roman, ein spannendes Thema und eine mit Schwung erzählte Geschichte. Man muss die beiden vorhergehenden Bände der Trilogie nicht gelesen haben um Der Sünderchor zu verstehen und um die Handlung nachvollziehen zu können. Die drei Romane bilden dennoch eine Einheit und man sollte sie in chronologischer Reihenfolge lesen. Sie bieten einen ganz besonderen Blick auf ein großartiges Bauwerk und die Menschen, die es geschaffen haben.
Claudia Beinert, Droemer-Knaur
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