Das Erbe des Puppenspielers

  • Heyne
  • Erschienen: Januar 2003
  • 1
  • Heyne, 2003, Titel: 'Das Erbe des Puppenspielers', Originalausgabe
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Volker Faßnacht
891001

Histo-Couch Rezension vonFeb 2007

Meginhard - Puppenspieler, Lebenskünstler und ein liebenswürdiger Gauner

Maren Winter schreibt mit Das Erbe des Puppenspielers ihren ersten historischen Roman und legt sich selbst die Meßlatte für weitere Bücher hoch.

Meginhard und das Streben nach Glück

Der Vater unbekannt, die Mutter bei einem Überfall geschändet und getötet - so beginnt die Jugend von Meginhard. Glücklicherweise findet er zusammen mit seinem Halbbruder an einem Gehöft Unterschlupf und verdient sich fortan als "der Bastard" mehr schlecht als recht seinen Lebensunterhalt. Durch eine schicksalhafte Wendung kommt Meginhard als Lehrling zu einem wandernden Puppenspieler. Das Leben ist hart, aber er kann viel lernen und gelangt an die Welt der Höfe.

Als er seinen Lehrherrn tötet, dessen Identität annimmt und in den Burgen, wo er auftritt, vieles mitbekommt, was nicht für seine Ohren bestimmt ist, gerät er immer weiter in ein Netz aus Intrigen. Schließlich geht es den Adeligen um nichts Geringeres als den Sturz bzw. die Unterstützung Karls des Großen. Dabei wollte Meginhard doch nur ein kleines Stückchen von dem, was sich Leben nennt, für sich abbekommen.

 

 

Wenn ich einen Platz in ihren Seelen gefunden hätte [...], dass sie mich für einen Augenblick in ihrer Mitte aufnähmen. Mich, den Bastard, den Sohn [...], den Verräter, den Mörder, den Tokkenspieler... Mich, Meginhard.

 

Dies ist seine Geschichte.

Maren Winter weiß, von was sie schreibt

Die von der Autorin aus der Sicht Meginhards erzählte Geschichte kommt oftmals wie ein Roadmovie daher. Voller Tempo, jederzeit spannend und bezaubernd geschrieben. So kann das frühe Mittelalter in den Köpfen der Leserschaft Gestalt annehmen. Kein Wunder, schreibt Maren Winter doch von einem Metier, das ihr selbst seit vielen Jahren im Blut liegt: Das Theater, die Spielleute und die Puppenspieler im besonderen. Angereichert durch den mittelalterlich Aspekt des meist anrüchig und leicht betrügerischen "Fahrenden Volks", von den Beutelschneidern und Gaunern, die den Leuten immer genau das erzählen, was sie hören wollen und sich diesen Dienst auch noch teuer bezahlen lassen.

 

 

Und die Menschen wollen betrogen werden. Sie fürchten den Wandel, da er sie frei machen könnte, Sie fürchten die Freiheit, da sie selbst entscheiden müssten. Sie fürchten sich zu entscheiden, da sie irren könnten. [...] Weil sie sich so ängstigen, küssen sie jedem die Hand, der ihnen zukünftiges Heil verspricht. Darum habe ich alle Talente genutzt, die mir zur Verfügung stehen [...] ich selbst habe sie gefördert und gepflegt. Sie machen mich zu dem, was ich bin. Ich bin der Herr über die Darsteller. [...] Ich bin der Herr über Glück und Elend aller Menschen, die mir zusehen. Ich bin Tokkenspieler.

 

Dabei ist Meginhard allerdings manchmal zu neuzeitlich dargestellt. Seine atheistische Grundeinstellung wäre sicherlich dem Klerus und den herrschenden Adeligen sauer aufgestoßen, so dass er bestimmt viel früher vor Gericht gestellt worden wäre. Aber das stört den Zauber des Erzählfluss dieses Romans nicht nachhaltig.

Ein außergewöhnlicher Romanaufbau

Meginhard erzählt sein Leben in Rückblenden. Es ist seine Verteidigungsrede vor seinem Richter. Sein Plädoyer fließt immer wieder in kurzen Abschnitten in den Roman ein. Außerdem schwört er seinem seitherigen Leben ab und ist gewillt, sich dem Urteil seines Richters zu unterwerfen. Dies erklärt er mit den einzelnen Kapitelüberschriften, die zusammengesetzt seinen Schwur ergeben.

Das ist sehr intelligent gemacht und erfordert durchaus, den Roman ein zweites Mal ohne die Spannung, wie denn die Geschichte weitergeht, nochmals zu lesen, um die erforderliche Konzentration zu haben, auf die Details achten zu können. In diesem Stil dürfte es noch viele weitere Romane geben.

 

Das Erbe des Puppenspielers

Maren Winter, Heyne

Das Erbe des Puppenspielers

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