Der Sturz des Doppeladlers

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  • Erschienen: Januar 2016
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  • , 2016, Titel: 'Der Sturz des Doppeladlers', Originalausgabe
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Yvonne Schulze
891001

Histo-Couch Rezension vonSep 2016

Geschichte ist ein Mosaik aus Geschichten

Am 30. November 1916 wird in Wien Kaiser Franz Joseph I. mit allem Pomp und Brimborium zu Grabe getragen und mit ihm geht auch eine Ära zu Ende, denn in zwei Jahren wird nicht nur die Habsburger-Monarchie Geschichte sein, sondern auch das Österreichische Kaiserreich.  Der Vielvölkerstaat wird in eigenständige Staaten aufgeteilt werden und nur ein Bruchteil des einstmals riesigen Reiches wird als Republik Österreich bestehen bleiben. Doch noch ist es nicht so weit. Im November 1916 befindet sich Österreich im zweiten Jahr des Ersten Weltkrieges. Vorbei ist die Euphorie, mit der im August 1914 die Soldaten in den Krieg zogen. Die Bevölkerung leidet bittere Not, die Rationierungen reichen kaum zum Leben und in vielen Familien werden Gefallene betrauert. Jede Gesellschaftsschicht hat mit den Auswirkungen des Krieges zu kämpfen. Birgit Mosser erzählt den Untergang der österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie, das Auseinanderbrechen des Vielvölkerstaates und die Zeit der Ersten Republik aus der Perspektive von vier Familien, die unterschiedlichen Bevölkerungsschichten angehören. Jede ist auf ihre Weise vom Krieg und den politischen Veränderungen betroffen. Es gibt keine strahlenden Helden und keine makellosen Heldinnen, die Hauptpersonen sind ganz normale Menschen mit Hoffnungen, Ängsten und Zweifeln, die sich mit den gravierenden Veränderungen arrangieren müssen.

Da ist zum einen Berta, die aus einfachsten Verhältnissen stammt und den Großteil ihres Lohnes als Kindermädchen einer Wiener Familie an ihre auf dem Land lebenden verarmten Angehörigen schickt. Berta ist schwanger, als ihr Verlobter im Krieg fällt. Zur Schande der ledigen Mutterschaft gesellt sich nun der tägliche Kampf ums Überleben für Berta und ihren kleinen Sohn, bis sie Lois Obernoster kennenlernt.

Ferdinand von Webern ist Sektionschef im K. und K. Außenministerium, sein einziger Sohn ist gefallen, sein Bruder ist in russischer Kriegsgefangenschaft und Tochter Felicitas kümmert sich als Krankenschwester in einem Lazarett um verwundete Soldaten. Von Webern bekommt als Staatsbeamter die politischen Veränderungen aus allernächster Nähe mit.

Der Kärntner Oberleutnant Julius Holzer wiederum kämpft als Kaiserjäger an der Dolomitenfront und verliert nach dem Krieg durch Gebietsansprüche Italiens seine Heimat.

Der despotische Rittmeister August Belohlavek regiert seine Familie mit harter Hand. Er kommt mit den Veränderungen am wenigsten zurecht und je mehr seine gewohnte Ordnung aus den Fugen gerät, umso hartherziger und tyrannischer wird er.  

Also wieder eine genretypische Familiengeschichte vor historischer Kulisse? 

Definitiv nicht, auch wenn es den Anschein haben mag. Dieser Roman ist keine Familiengeschichte im eigentlichen Sinne, denn die Erlebnisse der einzelnen Figuren sind Puzzlesteine, die der eigentlichen Hauptakteurin dieses Romans Gestalt und Charakter geben - der großen Zeitenwende in der Geschichte Österreichs Anfang des 20. Jahrhunderts. So beginnt der Roman mit dem Tod des Kaisers im zweiten Kriegsjahr 1916 und endet am Silvestertag 1921. Was der Leser über die vier Familien erfährt, sind lediglich skizzenhafte und von größeren Zeitsprüngen geprägte Momentaufnahmen aus deren Leben. Gemeinsam mit den Kapiteln, die die politischen Hintergründe beleuchten, die sich mit den Geschehnissen an der Front befassen und die den Leser in die Gefangenenlager führen, bilden sie ein gesellschaftspolitisches Kaleidoskop einer bewegten Zeit mit gravierenden Umwälzungen und Veränderungen. Die fiktiven Personen und ihre fiktiven Lebensläufe sind eingebettet in einen exzellent recherchierten historischen Hintergrund und zeichnen ein farbenprächtiges Bild jener ereignisreichen Jahre.

"Geschichte ist ein Mosaik aus Geschichten", heißt es im Nachwort der Autorin und treffender kann man den Stil dieses Romans nicht zusammenfassen. Wir haben es hier also nicht mit einer jener pilcheresken Familiengeschichten zu tun, sondern mit einem historischen Roman, der durch ein fein gesponnenes Geflecht aus Fiktion und Historie besticht. Die Fülle an Themen und Personen, die ständigen Ortswechsel und Zeitsprünge erfordern ein gewisses Maß an Konzentration. Die Handlung fliegt im Zeitraffer am Leser vorbei, die Figurenzeichnung bleibt überwiegend abstrakt, ein Abtauchen in die Geschichte gelingt damit nur bedingt.    

Die zurückgenommene, dezente Erzählweise der Autorin ist sehr angenehm zu lesen und lässt die Geschehnisse für sich sprechen.    

Birgit Mosser hat bereits Drehbücher für zeitgeschichtliche Fernsehdokumentationen geschrieben und hierbei auch Regie geführt. Des Weiteren hat sie einige Sachbücher zur österreichischen Geschichte veröffentlicht. Mit ihrem Debütroman hat sie nun auch ihr Können als Romanautorin unter Beweis gestellt, denn Der Sturz des Doppeladlers ist ein gelungener historischer Roman, der Leser begeistern wird, die historisch fundierte und auf einem ansprechenden Niveau unterhaltende Romane zu schätzen wissen. 

Der Sturz des Doppeladlers

Birgit Mosser, -

Der Sturz des Doppeladlers

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