Unsere wunderbaren Jahre
- Scherz
- Erschienen: Januar 2016
- 13
- Scherz, 2016, Titel: 'Unsere wunderbaren Jahre', Originalausgabe
Das Fuder ist schwer beladen
Die alteingesessene Familie Wolf mit ihrer Drahtzieherei gehört kurz nach dem Zweiten Weltkrieg zu den betuchten Leuten in Altena. Die Firma wurde vom umsichtigen Fabrikanten Eduard Wolf neu aufgestellt und hat eine solide Zukunft vor sich. Eine Zukunft, die der Fabrikant gerne in die Hand seiner Töchter geben würde. Doch Ruth, Ulla und Gundel haben andere Träume. Ruth hat sich mit einem Wehrmachts-Soldaten eingelassen, ihn gegen den Willen ihres Vaters geheiratet, hat einen kleinen Sohn und ist erneut schwanger. Sie gilt deshalb als schwarzes Schaf der Familie und ist in der elterlichen Villa nicht mehr willkommen. Ulla möchte studieren, hat sich bereits an der Universität in Tübingen eingeschrieben. Nur Gundel scheint den passenden Schwiegersohn nach Hause zu bringen, um das Unternehmen zu übernehmen. Doch die turbulenten Zeiten nach dem Weltkrieg lassen die Pläne der Wolf-Töchter wie Seifenblasen platzen. Eduard Wolf wird in Untersuchungshaft genommen, weil er mit den Nazi Geschäfte gemacht hatte. Seine Rehabilitierung kommt zu spät - er zieht es vor, sich aus der schmachvollen Situation auf seine Weise zu befreien. Für Ulla heißt das, dass sie ihr Studium aufgeben muss, um in die Firma einzutreten. Denn Gundels Verlobter Benno hat nach einem Fehltritt von ihr das Weite gesucht und will als Schuhverkäufer im Imperium seines Onkels nun Karriere machen. Ullas Verehrer Tommy, dem sie nach einer kurzen, intensiven Beziehung den Laufpass gegeben hatte, zieht sich in den Osten von Deutschland zurück, während Ulla selber eine Zweckehe mit dem missgünstigen Jürgen eingeht. Ruth, inzwischen Witwe, lässt sich mit dem zwielichtigen, aber erfolgreichen Unternehmer Walter Böcker ein. Sie ignoriert dabei erneut die Warnung ihrer Mutter Christel, die Böcker als üblen Menschen brandmarkt und ihre Tochter davor bewahren möchte, von ihm enttäuscht zu werden. Die drei Schwestern erleben in der Nachkriegszeit ein Auf und Ab, müssen viel einstecken und finden doch jede auf ihre Weise einen Platz im Leben.
Eine nicht ganz leicht verdauliche Kost
Peter Prange scheint von den großen Familien-Soaps inspiriert worden zu sein, die in den vergangenen Jahrzehnten ein Millionenpublikum vor den Bildschirm gelockt hatten. Ganz im Stile dieser Soaps baut er das Schicksal der drei Wolf-Töchter auf. Sie erleben schlimme Zeiten, werden immer wieder durch den Allzeit-Bösewicht und Schmuddelfink Walter Böcker ausgebremst und übers Ohr gehauen. Dieses sich wiederholende Muster leiert jedoch recht schnell aus und bremst dadurch den Lesefluss empfindlich. Die Naivität, mit der die Wolf-Schwestern auf die Machenschaften des Alt-Nazis Böcker und seiner Spezies reagieren, trägt viel dazu bei, dass keine der drei Frauen zu einer echten Sympathieträgerin werden kann, mit der man durch die Wirren der Deutschen Nachkriegszeit reisen möchte. Die größte Sympathie mag man hier wohl dem liebenswerten Schlitzohr Tommy entgegen bringen, der ohne Arglist aber mit einer großen Portion Energie seinen Weg durchs Leben sucht. Hier macht Peter Prange wieder etwas gut, was er bei Ruth, Ulla und Gundel verpasst. Um die in geraffter Form präsentierten Ereignisse zu verdauen, wäre es jedoch gut gewesen, sich mit einer der tragenden Figuren identifizieren zu können. So bleibt die servierte Kost etwas schwer verdaulich und manchmal scheint das Fuder etwas gar stark beladen. Peter Prange kommt einem etwas drögen Geschichtsunterricht gefährlich nahe.
Peinliche Selbst-Inszenierung
Die Stärke des Romans ist die Darstellung der rasenden Entwicklung, die die Zeit mit sich bringt und der immer stärker auseinander klaffenden Gesellschaft in der BRD und der DDR. Hier kann Peter Prange eindeutig punkten und einer Generation, die diese Zeit - wenn überhaupt - nur teilweise miterlebt hat, eine wichtige Phase der jüngeren Geschichte näher bringen. Während diese wirklich gelungene und interessante Reflektion dem Roman zu Tiefe verhilft, schwächt ein anderes Detail die Qualität des Romans ab: Die völlig überflüssige und in manchen Bereichen peinliche Selbst-Inszenierung des Autors. Peter Prange baut sich selber in den Roman ein, zunächst als kiffender Revolutionär, später als vom Schriftstellerdasein träumender Unternehmungsberater. Obwohl der vom Autor eingebaute "Peter Prange" keine ernsthafte Bedeutung für den Romanverlauf hat, taucht er mit einer unangenehmen Penetranz immer wieder als Figur auf - bemüht witzig und augenzwinkernd, was jedoch der Geschichte eher von ihrer Glaubwürdigkeit nimmt, als ihr eine solche gibt. Es mag sein, dass Freunde des Autors herzhaft über dessen Reminiszenzen lachen müssen. Sie hätten dies jedoch auch tun können, hätte der Autor seine Selbstdarstellung namentlich verändert, so dass die Figur einzig für seinen Freundeskreis erkennbar gewesen wäre. Die Peinlichkeit des bemühten Ich war dabei wäre ihm dadurch erspart geblieben.
Kleine Ungenauigkeiten
Dass Peter Prange bei seinem Roman immer mal wieder über Jahreszahlen stolpert, kleine Ungenauigkeiten einbaut und sich auch bei der Figurenzeichnung zu stark von Klischees leiten lässt, mag man ihm angesichts der Komplexität des Romans weitgehend verzeihen. Er leistet mit dem Roman einen gut verständlichen Beitrag an die Aufarbeitung der jüngeren deutschen Geschichte und macht sichtbar, was für nachfolgende Generationen allzu leicht im Dunkeln bleiben würde. Dafür gebührt ihm durchaus Anerkennung.
Peter Prange, Scherz
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