Geigen der Hoffnung

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  • Erschienen: Januar 2016
  • 3
  • , 2016, Titel: 'Geigen der Hoffnung', Originalausgabe
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Birgit Stöckel
951001

Histo-Couch Rezension vonNov 2016

Damit ihr Lied nie verklinge

Geigen der Hoffnung sind Instrumente, die von jüdischen Häftlingen in den KZ gespielt wurden und die nach ihrer Restaurierung heute wieder in den großen Konzertsälen der Welt ihr Lied erklingen lassen. Sie sind auch Thema des gleichnamigen Romans von Christa Roth und Titus Müller.

Der Mann hinter den Geigen

Christa Roth ist dafür mehrfach nach Tel Aviv geflogen um Amnon Weinstein zu treffen - den Mann, der sich um diese Geigen kümmert. Weinstein ist Geigenbauer wie sein Vater und dieser hatte bereits angefangen, die Instrumente aufzubewahren und herzurichten, doch es ist erst sein Sohn, der schließlich damit an die Öffentlichkeit geht und den Geigen - und ihren früheren Besitzern - eine Stimme verleiht.

Weinstein, Jahrgang 1939, ist, obwohl in Tel Aviv geboren, vom Holocaust geprägt. Seine gesamte Familie - mit Ausnahme der Eltern und eines Onkels - ist durch die Gräueltaten der Nazis ausgelöscht worden. Das lebenslange Schweigen des Vaters dazu liegt wie ein Schatten über seinem Leben, von dem er sich erst befreien kann, als er beginnt, sich mit der Thematik auseinanderzusetzen und seine Geigen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Roth erzählt von Weinsteins Leben und Leidenschaft in ruhigem, manchmal schon fast sachlichen Ton, der die Persönlichkeit des Geigenbauers zu spiegeln scheint. Auch er wirkt nicht wie der emotionale Typ, eher wie der ruhige, sachliche. Trotzdem vermittelt die Autorin gekonnt, wieviel Weinstein an seiner Lebens- und Herzensaufgabe liegt, was für Triumphe er schon feiern konnte. Zugleich zeigt sie, wie schwierig es oft für die Kinder der ersten Generation nach der Shoa war und wie sehr das Schicksal ihrer Eltern sie mitbetroffen hat.

Musik im KZ

Titus Müller widmet sich in einem zweiten Erzählstrang einer von Weinsteins Geigen, die einem Insassen des KZ Dachau gehörte. Ob sie wirklich von ihm im Lagerorchester gespielt wurde, lässt sich heute nicht mehr feststellen, doch anhand der bekannten Fakten erzählt Müller eine Geschichte, wie sie hätte geschehen können.

Marek und sein Bruder Stani werden aus einem polnischen Lager über Auschwitz nach Dachau deportiert und kämpfen dort in den letzten Kriegsjahren um das Überleben. Marek macht sich bereits bei der Ankunft einen SS-Offizier zum Feind, der ihn fortan zu brechen versucht. Als er Aufnahme im Lagerorchester findet, wird das Leben etwas leichter: Keine schweren Arbeitseinsätze mehr und bessere Rationen. Doch gerade diese Vergünstigungen verschaffen Marek ein schlechtes Gewissen: Warum er und nicht sein Bruder oder seine Mitgefangenen?

Die SS versucht, die Musik für die Insassen zu verderben, in dem sie zu den Arbeitseinsätzen, zu Bestrafungen und Hinrichtungen fröhliche Marschmusik spielen lässt - eine Tatsache, die Marek zu schaffen macht. Er fühlt sich schuldig, weil er sich daran beteiligt. Doch trotz allem hilft die Musik ihm - und anderen - dabei, sich die Menschlichkeit zu bewahren.

Genau darum geht es in dieser Erzählung: Um Menschlichkeit, um die Schwierigkeit, sie aufrechtzuerhalten und um die Einfachheit der Unmenschlichkeit in dieser Umgebung. In ruhiger, doch eindringlicher Sprache beschreibt Müller den Lageralltag und zeigt anhand vieler Details auf, wie die Nazis die Unmenschlichkeit instrumentiert und perfektioniert haben. Doch es gibt auch Ausnahmen: Menschen, die versuchen, Mensch zu bleiben, sich nicht kaputt machen zu lassen und im Rahmen ihrer Möglichkeiten Gutes zu tun. Und vor allem zeigt der Autor auf, wie verzweifelt und stark die Hoffnung auf Überleben sein kann und was sie Menschen alles ertragen lässt.

Stilvolles Cover

Abgerundet wird dieses Buch durch ein sehr stilvolles Cover, einem Nachwort der Autoren und einigen Farbfotos der Geigen selber. Die beiden Erzählstränge, die abwechselnd erzählt werden, sind in unterschiedlichen Schriftarten gesetzt und ermöglichen dem Leser so, sich ohne Schwierigkeiten zurechtzufinden.

Geigen der Hoffnung ist ein starker, wichtiger, erschütternder und berührender Roman, der sich gegen das Vergessen stemmt - etwas, das heute wichtiger denn je erscheint.

Geigen der Hoffnung

Titus Müller, -

Geigen der Hoffnung

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