Die rote Löwin
- Lübbe
- Erschienen: Januar 2017
- 4
- Lübbe, 2017, Titel: 'Die rote Löwin', Originalausgabe
Mittelalterlicher Rachefeldzug
1205. Runja und ihr Bruder Waldemar sind die Kinder von Unger von Seefeld, dem Hofmarschall des Grafen von Schwerin. Bei einem Überfall auf die Burg kommt fast die gesamte Familie ums Leben, nur Runja und ihr Bruder können fliehen. Der Überfall wurde durch eine Intrige erleichtert, indem von innen die Burg geöffnet wurde. Runja und ihr Bruder schwören Rache an den Mördern ihrer Familie.
In Magdeburg gerät Runja in die Fänge von Domdekan Laurenz von Magdeburg, der scharf auf den Bischofsstuhl ist, zumal der derzeitige Amtsinhaber bereits kränkelt. Rom macht ihm Hoffnung, doch hat er in dem Gelehrten Pippin von Paris, der in Magdeburg lehrt, einen Konkurrenten, der intelligent und zudem jung ist. Zu allem Überfluss sieht Runja aus wie Pippins verstorbene Frau, und die beiden beginnen eine leidenschaftliche Affäre.
Das ist natürlich Laurenz ein Dorn im Auge. Er lässt Runja von einem geheimnisvollen Orden zur Kämpferin ausbilden, die sich so nach und nach ihrer rachegeschworenen Feinde erledigt. Währenddessen versucht Laurenz, der eine Vorliebe für Domknaben hat, Runjas Bruder Waldemar als Nachfolger seines zu alt gewordenen derzeitigen Bettgespielen zu sich zu holen. Doch Waldemar will nicht und fällt so in Ungnade. Runja kann ihn nur retten, wenn sie ihren nächsten Auftrag erledigt. Das Opfer soll Pippin sein...
Cliffhanger
Wenn man eines Thomas Ziebula nicht absprechen kann, dann ist es Langeweile und langsames Tempo. Von der ersten Seite an nimmt der Autor seine Leser mit auf eine spannende, blutige und mitreissende Reise, die den Leser kaum zu Atem kommen lässt. Der Autor spart nicht mit Cliffhangern zwischen den Kapiteln, was den Leser nötigt, doch weiterzulesen, auch wenn man gerade mal eine Pause einlegen will. Dabei behält er stets die Übersicht und alle Fäden in der Hand, und jede der teilweise komplizierten Verwebungen erhält ihre Entwirrung - und sei es mit dem Schwert.
Ziebula hat sich einen geschichtsträchtigen Ort ausgesucht, in dem sich seine Handlung abspielt. Endend mit dem historischen Zusammensturz des Magdeburger Doms, präsentiert der Autor dem Leser in den zwei Jahren zuvor Intrigen, die sich gewaschen haben. Dabei lässt er ein Personal auflaufen, das es dem Leser leicht macht, die Handlung mitzuverfolgen und Gut und Böse zu unterscheiden.
Junge und gutaussehende Kämpferin
Die Protagonistin ist Runja die eine erstaunliche Wandlung durchmacht. In kurzer Zeit erlernt sie vom Orden der Vollstrecker (ein recht martialischer Name) Kampf- und Tötungstechniken, die sie auch Gelegenheit hat, in epischer Breite auszuprobieren. Man kann Autor eine gewisse fantastische Fantasie an verschiedenen Möglichkeiten, auf welche unterschiedlichen Weisen man einen Gegner töten kann, nicht absprechen. Keine zwei Gauner sterben auf dieselbe Art und Weise, und da in diesem Roman viel gestorben wird, meist unfreiwillig, kommt man sich teilweise fast vor wie in einem Fernsehfilm, der des nachts auf RTL2 läuft und der in der Wertung der Programmzeitschriften den Daumen nach unten bekommen hat. Doch schlecht ist das bei Ziebula nicht, es mag nur manchen Leser stören, so viele sehr brutale und ausgiebig beschriebene Folter- und Tötungsszenarien zu lesen zu bekommen, dass zart besaitete Leser das Buch vielleicht nicht bis zu Ende lesen.
Runjas Bruder Waldemar ist nur ein Spielball, der sich nicht gegen sein Schicksal wehren kann. Pippin ist ein aufstrebender Lehrer mit familiärer Vergangenheit, die er allerdings hinter sich gelassen glaubt, die durch Runja aber wieder aufgelebt wird. Doch steht Runja einer möglichen klerikalen Karriere im Weg? Schwer zu entscheiden.
Man würde selbst gerne mal...
Konnte man zu Beginn des Romans noch einige Sympathien mit Laurenz von Magdeburg aufbringen, dass er die katholische Karriereleiter nach oben klettern möchte, wird man nach einigen wenigen Seiten jedoch ernüchert, dass er seinen Weg dorthin nicht unbedingt auf christliche Weise nehmen möchte. In Laurenz findet der Leser das personifizierte Böse, beinahe klischeehaft, mit einem geheimen Orden als Handlanger für äusserst dreckige Geschäfte an der Hand und immer, wenn man denkt, jetzt sei der Höhepunkt der Grausamkeiten erreicht, setzt er noch einen drauf. Dass er einen Knaben braucht, an dem er sich nachts ausweinen kann und sich noch auf andere Weise gegenseitig Trost spenden möchte, ist dann der Gipfel und an Perfidität nicht mehr zu überbieten. Man ertappt sich am als Leser Ende dabei, welches möglichst brutale und quälende Ende man als Autor selbst dem Domdekan für die letzten Seiten herbeischreiben möchte - verdient ist es allemal.
Ziebula hält während der gesamten knapp 380 Seiten die Spannung hoch und für den Leser trotz voraussehbarer Handlungsteile auch einige Überraschungen parat. Nicht nur die Spannung, sondern auch das Tempo ist enorm hoch und lässt dem Leser kaum Zeit zum Verschnaufen. Auch wenn jederzeit die Gefahr der Klischeehaftigkeit über dem Roman und den Figuren schwebt, weiß Ziebula doch den Figuren Nuancen zu verpassen, die dem entgegenwirken. Die Historie ist gut und sprachlich passend erfasst, das Magdeburg der Zeit spielt keine grosse Rolle, als Kulisse ist es aber doch stets präsent und erfüllt seinen Zweck.
Vielfältiger Anhang
Eine Karte ist jeweils den Innencovern des Buches aufgedruckt, zudem gibt es ein Personenregister, eine Zeittafel und am Ende des Romans einen Kommentar des Autors, der den einen oder anderen Aspekt des Romans aufgreift und erklärt. Dieses Nachwort beatwortet tatsächlich einige Fragen, die sich den Leser nach der Lektüre förmlich aufdrängen.
Wer einen spannenden, ungewöhnlichen mittelalterlichen Martial Arts-Roman lesen möchte, der trotzdem Farbtupfer zu setzen weiß und ein hohes Tempo vorlegt, eine (teils detailreiche) Liebesgeschichte dazu haben möchte und ein paar Kämpfe (mit überaus blutigem Ausgang) nicht verschmäht, wird mit Die rote Löwin den richtigen Griff tun. Man darf gespannt sein, ob der Autor künftig diese von ihm gesetzte Marke halten kann. Die Leserschaft würde sich freuen.
Thomas Ziebula, Lübbe
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