Der Silberkessel
- Piper
- Erschienen: Januar 2006
- 8
- Piper, 2006, Titel: 'Der Silberkessel', Originalausgabe
Völkerwanderung zu den Römern
Das Römische Reich fuhr noch vor Christi Geburt seine Klauen aus, um der ganzen damals bekannten Welt seinen Stempel aufzudrücken. Stefan Jägers Roman beginnt im Jahr 124 vor Christus, als zehntausende Menschen aus dem heutigen Dänemark ihr Land verlassen, um sich im Süden neu anzusiedeln.
Neun Jahre später haben diese Stämme aus dem Norden, hauptsächlich Kimbern, Teutonen und Ambronen, bereits ein großes Stück Weg hinter sich gebracht und sind auch den Römern schon einige Male begegnet. In Massalia, dem heutigen Marseille, packt der Händler Timaios seinen Karren, um sich auf den Weg zu machen, sein Glück in der Ferne zu versuchen. Er gelangt mit einem römischen Heer nach Noreia (heute Neumarkt in den steirischen Alpen), wo sie auf den gewaltigen Treck der Nordmänner treffen. Da Timaios bereits früher mit ihnen Handel getrieben hat, beherrscht er ein wenig deren Sprache und dient fortan als Übersetzer.
Nach dem friedlichen Weiterzug der Kimbern begleitet Timaios sie zunächst als Führer in der Hoffnung, Handel treiben zu können. Dabei lernt er deren Sitten und Gebräuche immer besser kennen und auch einige Frauen scheinen ihm nicht ganz abgeneigt, so auch Svanhild, die Tochter einer der Anführer. Plötzlich wird der Treck überfallen und es ist nicht klar von wem. Und das ist nicht das einzige Hindernis, dass sich den Siedlern in den Weg stellt...
Kein Licht im Dunkeln
Stefan Jägers Ausflug in das vorchristliche Europa ist geprägt von Krieg, Gewalt und Aberglauben. Die nordischen Völker sind dabei ziemlich unbekannt und ziehen fort, da ihr ursprüngliches Land von den Naturgewalten verwüstet wurde und sie nicht mehr ernähren kann. Deren Völker sind viele und der Treck wird bis zu 100.000 Personen stark werden.
Diese vielen Völker sind dabei so unübersichtlich, dass man den Überblick verliert. Jäger gelingt es auch nicht, Licht in das komplizierte Dunkel zu bringen. Stattdessen liest sich das erste Drittel des Buches wie die Ausformulierung eines Artikels eines Geschichtslexikons, in dem möglichst viele unbekannte Informationen in einen ansonsten sinnfreien Dialog gepresst werden. Dieser Dialog treibt dabei aber keinerlei Handlung voran oder fesselt den Leser sonst irgendwie an das Buch. Dabei benutzt der Autor auch viele Fachbegriffe, die zwar sein Wissen um die Historie aufzeigen, dem Leser aber nicht helfen. Eine sinnvolle Karte der Stämme wäre dabei hilfreicher gewesen als die gelegentlichen Fußnoten, in denen Begriffe erläutert werden, die einem aber auch nicht immer weiterhelfen.
Aufzählungen, Aufzählungen, Aufzählungen
Auffällig sind neben den vielen Informationen vor allem die zahllosen Aufzählungen, die dem Leser viel Geduld abfordern. Dies allerdings beschränkt sich nicht nur auf das erste Drittel des Buches, sondern auch auf den Rest. Ein harmloses Beispiel für die Satzkonstrukte des Autors:
Der Konsul schickte hingegen abermals Worte der Zuversicht über das Feld. "Die Barbaren Hispaniens und die Stämme der Alpen haben wir geschlagen. Die wilden Völker Asiens hören auf die Stimme Roms wie auch die Makedonien und Griechen des ägäischen Meeres. Illyrien lehrten eure Großväter Respekt, Africa brachten sie unter die Botmäßigkeit des Reiches. Eure Väter besiegten die Gallier, und die Kelten in der Poebene erstarren seit siebzig Jahren in Angst und Ehrfurcht, wenn sie den Namen Rom auch nur hören. Gesandtschaften aus Pontus und Ägypten, aus Kappadokien und Armenien buhlen um die Gunst des Senats. Römische Tugend wird in der gesamten Ökumene gepriesen, römisches Recht herrscht rund um das Innere Meer, unsere Götter beherrschen den Olymp."
Hat man das erste Drittel des Buches überstanden, hofft man, nun möge endlich die gut vorbereitete Geschichte beginnen. Dies geschieht aber nur langsam und immer wieder treten die vortragsartigen Einwürfe auf, die einen zügigen Lesefluß nicht zulassen. Darunter leidet die Spannung der Geschichte ganz erheblich.
Ein Fundament ohne Erzählung
Dabei ist die Grundkonstruktion der Geschichte durchaus ansprechend und die Charaktere versprechen einen schönen Lesegenuss. Die Dänen wollen keinen Krieg, sondern friedlich siedeln, wenngleich einige Völker gerne zum Schwert greifen. Die Römer dulden niemanden auf ihrem Gebiet und greifen auch gerne zum Schwert. Rom bleibt eben Rom. Timaios' Gespräche mit den Kimbern sind sehr interessant und intensiv und zeigen einem die Unterschiede der Völker auf und legen somit eigentlich ein Fundament für eine große Erzählung. Dass diese nicht gelingt, verdankt sie ihrem Autoren, der zwar viel weiß, dies aber auch unbedingt alles unterbringen will - das bekommt dem Buch nicht.
Und das ist schade. Wenn man sich bis zur letzten Seite des Buches durchgekämpft hat, folgt ein Ausblick, der mit einer Kurzzusammenfassung des Silberkessels beginnt und die Ankündigung auf einen Fortsetzungsband folgen lässt. Und obwohl Stefan Jäger sein Buch mit einer Art Cliffhanger enden lässt, ist es mehr als fraglich, ob sich der Leser für diese Fortsetzung interessieren wird.
Und der Silberkessel? Aus diesem Kessel, der wirklich existiert und der mit einem Foto vorne im Buch abgebildet ist, macht eine Hexe ihre Weissagungen. Dieser Kessel ist das heiligste, was die Kimbern haben und das ihnen gestohlen wird. Leider erhält der Kessel jedoch nicht die Wichtigkeit, die der Titel verspricht. Das scheint alles erst im zweiten Teil zu geschehen. Schade. Mehr Spannung und weniger Geschichtsunterricht hätten dem Buch wirklich gut getan.
Stefan Jäger, Piper
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