Die Brücke über den Main
- Rowohlt
- Erschienen: Januar 2017
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- Rowohlt, 2017, Titel: 'Die Brücke über den Main', Originalausgabe
Ein literarisches Geschenk an eine Stadt und ihre Brücke
Wer die Stadt Würzburg besucht, wird über kurz oder lang auf der alten Steinbrücke stehen. Eine Brücke, die in ihren Grundzügen eine 3000 Jahre alte Geschichte hinter sich hat, obwohl sie letztlich erst im 12. Jahrhundert gebaut wurde. Wie sich diese Geschichte zugetragen hat - und wie sich die Geschichte der Menschen im Umfeld der Brücke zugetragen haben könnte - nimmt Roman Rausch in seinem Roman Die Brücke über den Main auf. Der Autor legt den Lesern eine Mischung zwischen Sachbuch und historischem Roman vor, die durchaus ihre Faszination hat. Nach einer kurzen Einführung in die Gegend, in der später die Brücke gebaut werden würde, widmet Roman Rausch das erste Kapitel einer kleinen Keltensiedlung. Die Frauen der Siedlung warten sehnsüchtig auf die Rückkehr ihrer Männer, die zu einer Eroberung aufgebrochen sind. Als sie einen verletzten Mann aus dem Fluss fischen, ahnt Anführerin Oda, dass sich für die Gemeinschaft einiges ändern wird. Besonders, als fremde Krieger, aus deren Mitte der Fremde stammt, die Siedlung anzugreifen droht, muss Oda sich entscheiden, ob sie dem Fremden tatsächlich trauen kann. Denn sobald der Main gefriert, ist das Dorf in Gefahr und die Frauen haben dem nur wenig entgegen zu setzen, die Männer sind nicht wie versprochen vor Wintereinbruch zurückgekehrt.
Nach der Episode bei den Kelten springt die Geschichte ins 8. Jahrhundert, wo Fährmann Ero einem Bischof begegnet, der ihn um seinen Fährlohn betrügt und damit bei Ero dessen Abneigung gegen die neue Religion schürt. Bei Ero bleiben die Leser nur kurz, danach geht die Reise bereits weiter ins 12. Jahrhundert. In kürzeren oder längeren Abständen erleben die Leser nun Eckpunkte der europäischen Geschichte. Immer sind es einige Protagonisten, mit denen man schnell warm wird, die einen Eindruck des Lebens um die entsprechende Zeit vermitteln. Und immer sind es berührende Schicksale, die in die kurzen Auszüge verwoben sind.
Man hätte sich mehr gewünscht
Um die Geschichte der Brücke erzählen zu können, hat Autor Roman Rausch sich viel einfallen lassen. Und er macht es durchaus gut - so gut, dass bei etlichen Szenen eine leise Enttäuschung aufkommt, dass sie so schnell vorbei ist. Wohl jeder Leser hat die eine oder andere Geschichte entdeckt, die ihn mehr fesselt, als alle anderen. Doch muss er allzu schnell wieder Abschied nehmen von den Figuren. Es ist zwar eine Stärke des Romans, dass er den Lesern den Einstieg in die jeweilige Szene problemlos möglich macht, allerdings ist es gewöhnungsbedürftig, die Szene nach so kurzer Zeit wieder verlassen zu müssen. Schon nach kurzer Zeit verlangen der stetige Wechsel und die Vielzahl der Personen von den Lesern viel Konzentration und Durchhaltevermögen. Man hätte sich definitiv mehr von den jeweiligen Geschichten gewünscht, wäre gerne tiefer in die Zeit eingetaucht und hätte am liebsten noch sehr viel mehr über die jeweiligen Personen gewusst. So bleiben die Schicksale notgedrungen stark an der Oberfläche.
Viel Fachkunde
Sehr gut zum Ausdruck kommen die umfangreichen Recherchen des Autors über die Brücke. Er lädt die Leser jeweils via eines separaten Teils ein, sich mit der Entwicklung Würzburgs vertraut zu machen. So spannt er quasi eine Brücke von der vorherigen zur aktuellen Geschichte. Hier wird jeder, der sich gerne mit der Stadt und ihrer Brücke vertraut machen möchte, fündig. Sehr schön strukturiert und wunderbar erklärt bekommt die Entwicklung der Stadt ein Gesicht. Wer noch nicht persönlich da war, wird nach der Lektüre des Romans von Roman Rausch wohl große Lust bekommen haben, sich persönlich umzusehen und auf der Brücke zu stehen. Damit macht Roman Rausch seiner Heimatstadt ein literarisches Geschenk. Die Herausforderung, die mit dieser Thematik verbunden ist, meistert er wunderbar und beweist damit ein großes Erzähltalent.
Roman Rausch, Rowohlt
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