Die Eispiraten
- Lübbe
- Erschienen: Januar 2017
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- Lübbe, 2017, Titel: 'Die Eispiraten', Originalausgabe
Ein Heiliger ist immer gut fürs Geschäft
Im Jahr 828 fährt der Nordmann Alrik mit seinem schnellen Drachenboot Eis vom Ätna in die reiche Stadt Ravenna. Dort wird er gut bezahlt und das Eis zu einer süßen Leckerei für den Fürsten verarbeitet. Ein hartes Leben für Alrik und seine Mannschaft, aber dafür ein ehrliches Geschäft ohne Blut und Tod. Denn dem Schwert hat Alrik abgeschworen, er hat auf seinem Lebensweg genug Tote gesehen. Alriks Schiff ist das schnellste Schiff weit und breit, genau richtig für einen besonderen Auftrag. So denken es zumindest die Veneter, die aus einer Ansammlung von kleinen bewohnten Inseln an der Adria eine akzeptable Stadt machen wollen, eine Stadt, die politisch mitreden kann und eine Handelsmacht am Mittelmeer werden soll. Darum brauchen die Veneter einen Heiligen, denn ein Heiliger belebt das Geschäft. Die Gebeine des Heiligen Markus sollen aus Alexandria nach Rivo Alto, die größte der Laguneninseln, gebracht werden. Und nur Alrik mit seinem schnellen Boot könnte diese Aufgabe erfüllen. Zwar hat der Nordmann kein Interesse an diesem Auftrag, aber die Veneter können ihren Wünschen sehr viel Nachdruck verleihen. Und so segelt Alriks Drachenboot nach Alexandria, zum Erfolg verdammt, denn die Veneter haben Alriks Sohn Bjor als Geisel behalten. Findet Alrik die Reliquien des heiligen Markus nicht, wird Bjor sterben.
Bunte Mischung
Da kommt schon einiges zusammen in diesem Roman: Ein Nordmann mit seinem Drachenschiff, das Mittelmeer, Venedig und schließlich Ägypten. Ein Doge, der eigentlich gar nicht Doge sein will, eine junge Frau mit Courage, machtgierige Kaufleute und schließlich wieder dieser Nordmann, der sich geschworen hat, nie mehr ein Schwert anzufassen. Illustre Schauplätze und durchaus spannende Protagonisten. Warum der Roman nun allerdings Die Eispiraten heißt, bleibt wohl das Geheimnis des Verlages, denn mit Piraterie hat das alles eher wenig zu tun. Hier wurde eine bekannte Legende neu durchdacht und zu einem Abenteuerroman, mit all den Bösen und den Guten, die ein solcher Roman eben braucht. Wohltuend ist dabei, dass die Guten nicht allzu gut sind, sondern ein bisschen schartig und rau, nicht sonderlich vertrauenerweckend am Anfang. Man muss sie erstmal kennenlernen um sie zu mögen. Auch die Bösen sind nicht immer gleich als Böse zu erkennen, nicht alle jedenfalls. Ob man die aus dieser Mischung entstandene Geschichte für glaubwürdig hält, bleibe jedem Leser selbst überlassen.
Die Fama sagt, ein venezianischer Kaufmann namens Buono di Malamocco habe die Gebeine des Heiligen aus Alexandria entführt und nach Venedig gebracht. Und ebendieser Kaufmann hat auch im Roman seinen Platz erhalten. Man darf getrost davon ausgehen, dass der historische Malamocco die Reliquien des heiligen Markus nicht ganz allein nach Venedig brachte. Wer ihm half und aus welchen Gründen, darüber sagt die Legende nicht viel. Es bleibt Raum genug für einen Romanschreiber, die Lücken phantasievoll zu füllen. Warum also nicht mit einem handfesten, weit gereisten Nordmann und einem Drachenboot?
Der Anfang einer steilen Karriere
Dirk Husemann zeigt Venedig ganz am Anfang seiner Karriere, als es noch nicht Venedig hieß und nur eine Ansammlung bewohnter Inseln in der Lagune der Adria war, ein Haufen kleiner Drecknester im Schatten des großen Byzanz. Keine glanzvolle Flotte, keine großartigen Paläste, aber durchaus ambitioniertes Personal. Apropos Personal: Während Alrik ein interessanter Charakter mit sehr unterschiedlichen Schattierungen ist, bleiben andere weit dahinter zurück. Allen voran Matelda, die Tochter des Dogen, die doch eine Hauptrolle ergattert hat und dabei leider ebenso eindimensional daher kommt wie der fiese Yakub in Alexandria. Andere dagegen bekommen Raum für Veränderung, wachsen an ihren Aufgaben und werden so für den Leser interessant. Aber generell ist dieser Roman eher leichte Kost, soll unterhalten und wälzt keine tiefgründigen psychologischen Probleme. Sehr deutlich wird dagegen geschildert, welchen Gewinn sich das zukünftige Venedig verspricht, wenn ein echter Heiliger in seinen Mauern begraben sein würde. Dies ist zwar keine Frage der Psychologie, wohl aber des Charakters und der wirtschaftlichen Voraussicht. Dies alles erzählt der Autor mit viel Elan und immer wieder auch mit Augenzwinkern, so dass die aufgebaute Spannung auch über weite Strecken gehalten wird und nur selten abflacht.
Nordmann mal anders
Die Eispiraten ist ein Abenteuerroman, der in Anlehnung an eine Legende erzählt wurde. Entsprechend sollte man auch nicht unbedingt die ganz harten historischen Fakten erwarten. Auf den Coverinnenseiten gibt es eine Karte des Mittelmeerraumes sowie die Darstellung eines Drachenbootes mit entsprechenden Erläuterungen. Dirk Husemann schildert in einem Nachwort die historischen Hintergründe seines Romans und ein Glossar bietet Unterstützung, falls man mal nicht gleich weiß, was ein bestimmtes Wort bedeutet. Ein Personenregister rundet die Ausstattung des Romans ab.
Dies ist ein Roman, der sich flott liest und mit dem man seinen Spaß haben kann. Und ein Roman, der nicht nur ein älteres Lesepublikum ansprechen könnte sondern auch Leser ab dem Teenageralter.
Dirk Husemann, Lübbe
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