Die Toten vom Jakobsweg
- Lübbe
- Erschienen: Januar 2016
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- Lübbe, 2010, Titel: 'Tajemství abatyae z Assisi', Originalausgabe
Mörderjagd versus Liebesabenteuer
Prag im 13. Jahrhundert: Ritter Ulrich von Kulm muss mit seinem Knappen Otto auf Wunsch des Königs an einer Pilgerfahrt teilnehmen, die von dessen Tante, der Äbtissin Agnes von Böhmen, geleitet wird. Schon vor der Abreise gibt es den ersten Mord, dem schnell hintereinander weitere folgen. Ulrich soll den Mörder ermitteln, was sich aber als nicht so einfach herausstellt, denn nicht nur die Äbtissin hat Geheimnisse vor ihm. Warum wollte sie überhaupt kurz vor Wintereinbruch diese Reise unternehmen, und wer will verhindern, dass die Reisegesellschaft in Santiago de Compostela ankommt?
Komplexe Handlung mit zahlreichen Personen
Der Prolog wartet mit vielen Personen auf, die sich gegen Ende des 12. Jahrhunderts bekämpft haben, so dass direkt klar wird, dass es sich hier nicht um allzu leichte Mittelalterkost handelt. Aufmerksamkeit während des Lesens ist unerlässlich.
Das erste Kapitel springt dann zur Regierungszeit Ottokars II., der von 1253 bis 1278 König von Böhmen war. Hier werden die beiden Hauptprotagonisten, Ulrich von Kulm und sein Knappe Otto, vorgestellt, so dass man mit ihnen schon nach wenigen Seiten vertraut ist. Die Dialoge zwischen den beiden sind stellenweise witzig, ohne aber albern zu sein.
Mysteriöse Ereignisse, wie ein Fremder, der Otto silberne Münzen zusteckt und danach unerkannt verschwindet, wecken die Neugier auf das weitere Geschehen. Allerdings tappt der Leser genauso im Dunkeln wie Ulrich, dessen Gedankengängen ausführlich dargelegt werden.
Otto als mittelalterlicher Casanova
Die Figuren haben ihre positiven und negativen Eigenschaften, sind teilweise geheimnisvoll oder auch unberechenbar. Zwei Personen stechen natürlich heraus: Ulrich und Otto.
Ulrich wird eher als gedankenvoller Eigenbrötler dargestellt, der scharfsichtig und belesen die Welt mit eigenen Augen sieht. Otto hingegen lässt sich gerne auf ein Liebesabenteuer ein, was zuweilen stark mit der eigentlichen Geschichte, nämlich den kriminellen Aktionen, konkurriert.
Manchmal sind die Handlungen oder Aussagen der Figuren etwas steif oder schwer nachvollziehbar, zum Beispiel die Reaktion Ulrichs als die Äbtissin ihm ihren Verdacht aufdrängt und er verfügt, dass keiner der Reisenden mehr allein bleiben soll, aber niemand informiert werden darf, worum es genau geht. Das wirkt etwas gestellt und hingebogen für die fortführenden Begebenheiten und den nächsten Mord. Trotzdem bleibt es durchweg spannend.
Der Leser erfährt zudem viel über das Leben und vor allem den Glauben zu der damaligen Zeit, welche Differenzen vorherrschten und wie schnell jemand in die Mühlen der kirchlichen oder weltlichen Gerichtsbarkeit geraten konnte.
Fehlendes Glossar
Leider ist im Buch kein hilfreiches Glossar enthalten, das sowohl die Personen zuordnen würde als auch Begriffe, die zur damaligen Zeit üblich waren, heute aber nahezu vergessen sind. Außerdem wäre eine Karte nützlich gewesen, um den Weg der Reisegesellschaft nachvollziehen zu können.
Dennoch ein lesenswerter Roman für Fans krimineller Mittelalterliteratur mit zwei spannenden Charakteren, die der Geschichte den richtigen Pfiff verleihen.
Vlastimil Vondruska, Lübbe
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