Zeit der Entscheidung
- Lübbe
- Erschienen: Januar 2017
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- Lübbe, 2015, Titel: 'Nightingale at War', Originalausgabe
London unter Beschuss
Mittlerweile schreibt man das Jahr 1940 im bekannten Nightingale-Krankenhaus im Londoner East End. Nachdem sich das Hospital wenige Monate zuvor für den Krieg gerüstet hat, die gefürchteten Bomben- und Gasangriffe aber ausblieben, läuft nun langsam wieder der normale Stationsbetrieb an. Allerdings fehlen der Oberin viele der gelernten Krankenschwestern, da diese mittlerweile im Sanitätsdienst des Militärs tätig sind. Somit ist sie auf die Tätigkeit vieler Hilfsschwestern angewiesen, die das Rote Kreuz derzeit in Blitzkursen schult. Aufgrund dieses Fachkräftemangels ist die Oberin Kathleen Fox erfreut, als die ehemalige Schwesternschülerin und examinierte Kraft Dora Doyle bei ihr auftaucht und gerne wieder im Krankenhaus mitarbeiten will. Die besonderen Umstände des Krieges setzen die Regelung, dass nur ledige Frauen als Krankenschwester tätig sein dürfen, außer Kraft. Doras Mann Nick dient ebenfalls an der Front und während Dora Dienst hat, passen der geistig behinderte Danny, Nicks Bruder, und Doras Mama auf die einjährigen Zwillinge des Paares auf.
Ebenfalls mit Dora beginnen drei Hilfsschwestern ihren Dienst im Nightingale. Das wären einmal die besten Freundinnen Jenny und Cissy. Das Leben der beiden drehte sich bisher nur um Kosmetika, dem neuesten Frisurentrend und Tanzen gehen. Beide sehen den Dienst im Krankenhaus eher als eine nette Gelegenheit fesche junge Soldaten kennenzulernen. Der krasse Gegensatz zu den beiden ist Eve Ainsley. Das verschüchtere Mädchen lebt bei seiner kaltherzigen boshaften Tante, die ihr das Leben zur Hölle macht. Eve wirkt wie eine kleine graue Maus neben den Freundinnen. Ihr farbloses und altmodisches Erscheinungsbild bringt ihr den Spott der Freundinnen ein.
Doch plötzlich bricht der Blitzkrieg über London herein. Ständiger Bombenhagel, Fliegeralarm und daraus resultierende Evakuierungen gehören nun zum Alltag. Jenny und Cissy erkennen schnell, dass der Hilfsdienst alles andere als Vergnügen bringt. Der Krieg richtet schlimme Verwüstungen in London an und macht auch vor dem Nightingale nicht Halt. Doch nicht nur das, es sind auch tragische Todesfälle zu beklagen...
Schicksalhafte Kriegserlebnisse realitätsnah wiedergegeben
Donna Douglas liefert bereits den sechsten Band der beliebten Reihe um die Nightingale-Schwestern ab. Und immer wieder gelingt es ihr, die Leser zu bannen. Man hat nie das Gefühl, dass die Serie mit der Zeit langweilen könnte. Ganz im Gegenteil, diesmal fehlen die Momente, die den Leser bei der Lektüre schmunzeln lassen. Dafür gelingt es der Autorin aber, die Situation und Gefühle, die das Kriegsgeschehen den Menschen gebracht hat, realitätsnah zu vermitteln. Man bangt mit den Protagonisten mit und kann sich gut in die Ängste und Trauer hineinversetzen. Auch die Mischung an beteiligten Personen bringt frischen Wind ins Lesevergnügen. So treffen wir auf altbekannte Personen wie Dora und Danny, aber auch die neu eingeführten Persönlichkeiten machen neugierig.
Traurige Beklommenheit durch den Tod bekannter Charaktere
Die willensstarke Dora Doyle ist dem "Nightingales"-Kenner bereits von vorangegangenen Büchern ein Begriff. Zwar immer noch eine starke Persönlichkeit, nimmt man als Leser aber sehr genau wahr, welche Ängste der Zweite Weltkrieg bei Dora hinterlässt. Sie wirkt nach außen hin zwar wie früher, ist aber doch sehr verängstigt und verunsichert. Ihr Leben ist geprägt von der ständigen Angst um ihre Kinder und ihren geliebten Nick.
Auch die tragische Geschichte um Eve Ainsley kann den Leser mitreißen. Nachdem ihre Mutter bei Eves Geburt verstorben ist, lebt sie im Haus ihrer Tante Freda. Doch nach dem Tod von Fredas Ehemann Roland, der Eve gut behandelt hat, machte die Tante dem Mädchen das Leben fast unerträglich schwer. Und auch beim Kurs des Roten Kreuzes sieht die junge Frau sich nur Hänseleien und Spott ausgesetzt. Ihr Schicksal lässt dem Leser tiefes Mitgefühl empfinden. Ihre erstaunliche Entwicklung und Wandlung im Verlauf des Romans ist sehr interessant und positiv. Die unbekümmerte naive Art der beiden anderen Hilfsschwestern Cissy und Jenny weckt beim Leser zunächst eher Aggressionen, vor allem ihr biestiges Verhalten gegenüber der armen Eve. Doch als auch Jennifer die harte Seite des Krieges am eigenen Leib zu spüren bekommt, wandeln sich diese Gefühle aufgrund ihres Schicksals doch in Mitleid.
Auch diesmal fliegen die knapp 500 Seiten nur so dahin. Der fließende Schreibstil trägt dazu bei. Beim äußeren Erscheinungsbild bleibt der Bastei Lübbe Verlag seiner Linie, die er mit den ersten Bänden verfolgt hat, absolut treu. Auch hier findet sich als Cover das etwas an Kitschromane erinnernde Bild von Krankenschwestern in früherer Tracht.
Bis jetzt konnte Donna Douglas mit allen Bänden der Reihe überzeugen. Aber Band sechs ist sicher der Stärkste von allen. Das liegt sicher an der Tatsache, dass bisher in keinem Vorgänger so stark mit tatsächlichen historischen Begebenheiten gearbeitet wurde wie im sechsten Teil. Die Autorin gibt das verängstigte Leben der Londoner zur Zeit des Luftkrieges sehr lebhaft wieder. Sie vermittelt dem Leser wie radikal der Krieg das Leben völlig unbeteiligter Menschen beeinflusst und verändert hat.
Donna Douglas, Lübbe
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