Das Fundament der Ewigkeit
- Lübbe
- Erschienen: Januar 2017
- 20
- Lübbe, 2017, Titel: 'A Column of Fire', Originalausgabe
Kingsbridge im Religionskrieg
Das ist er also, der dritte "Kingsbridge" von Ken Follett. 400 Jahre nach Die Säulen der Erde und 200 Jahre nach Die Tore der Welt angesiedelt, geht es nicht mehr um den Bau einer Kathedrale, die sich längst im Stadtbild von Kingsbridge etabliert hat, oder um den Bau und die Funktion einer Brücke. Hier geht es um Höhere Politik, hier geht es um Macht und Religion. Protestanten oder Katholiken, Elizabeth oder Mary Stuart, das ist hier die Frage, und es entspinnt sich ein Roman, der weit über die Grenzen von Kingsbridge hinausgeht, sowohl lokal, als auch politisch.
Im Mittelpunkt des Romans steht Ned Willard, der in Kingsbridge aufwächst und Protestant ist. Er ist verliebt in Margery Fitzgerald und sie in ihn, doch ist sie Katholikin und somit ist den beiden scheinbar keine Zukunft beschert. Als Königin Mary im Sterben liegt und die Frage offen ist, wer ihre Nachfolge antreten soll, gibt es nur zwei Möglichkeiten: Elizabeth oder Maria Stuart, Königin von Schottland. Protestanten und Katholiken positionieren sich im Hintergrund und hieven schließlich Elizabeth auf den Thron und somit eine Protestantin, die allerdings keinen generellen Groll gegen die Katholiken hält, erstaunlicherweise, denn Mary war Katholikin.
Und so wird der Protestantismus die Staatsreligion, nachdem auch die Königin Oberhaupt der anglikanischen Kirche wurde. Elizabeth verfolgte selbst nicht aktiv die Katholiken in ihrem Lande, aber Strömungen im Hintergrund setzen die Verfolgungen fort. Ned Willard ist inzwischen zum engsten Vertrauten der Königin aufgestiegen und hat einen gut funktionierenden Spionagering aufgebaut, der nicht nur an ihrem Hofe, sondern vor allem auch in Frankreich agiert, wo Maria Stuart den französischen Dauphin geheiratet hat und nun Königin von Frankreich und Schottland ist.
Katholiken gegen Protestanten
Es beginnt ein Geschacher der Französischen und Englischen Geheimdienste, und auch die Spanier und die Niederländer mischen kräftig mit. Was in England Ned Willard ist, ist in Frankreich Pierre Aumande, der in Paris tätig ist und beim eigenen Leibe miterlebt, wie die Katholiken eines Nachts die Protestanten, hier Hugenotten genannt, abschlachten, eine Nacht, die als Bartholomäusnacht 1572 in die Geschichtsbücher eingegangen ist.
Ken Follett begleitet seine Protagonisten über weite Strecken des 16. Jahrhunderts und beschreibt die komplette Regentschaft Elizabeths samt dem Geschacher um ihre Nachfolge. Neben der Bartholomäusnacht spielen auch die Ereignisse um den Sieg der Engländer über die Spanische Armada 1588 eine größere Rolle, wenngleich die Ereignisse nicht so intensiv und genau geschildert werden, dass sie sich dem Leser gut aufschlüsseln. Wen speziell dieses Ereignis besonders interessiert, der findet andere Bücher wie Der Pirat von Mac P. Lorne, die das genauer beschreiben und besser aufschlüsseln, warum die Armada letztlich vernichtend geschlagen wurde.
Packende historische Ereignisse
Natürlich hat Elizabeth wieder ihre Spione vor Ort, ihr Netz ist gut gesponnen und ihre Regentschaft letztlich auch deswegen erfolgreich. Doch Follett beschäftigt sich viel mehr mit Elizabeths Konkurrentin Maria Stuart, als mit Elizabeth selbst. Maria Stuart vermodert jahrelang in englischen Gefängnissen, ehe sich Elizabeth dazu entscheiden kann, sie tatsächlich der lang erwarteten Strafe zuzuführen. Marias Gang aufs Schafott ist dann auch von Follett eindrücklich beschrieben und beobachtet, letztlich aber nur ein Stein im Gesamtmosaik des Buches. Als Elizabeth schließlich kinderlos stirbt und man sich auf Maria Stuarts Sohn Jakob VI. von Schottland als König Jakob I. festlegt, hatte man genügend Zeit, sich im Hintergrund auf die neuen politischen Verhältnisse einzustellen. Schließlich wird Jakob als erstes den Begriff "Großbritannien" auch für seinen neuen Staat benutzen.
Und in diesen wirren politischen Verhältnissen leben Folletts Privatcharaktere, lieben, hassen, töten sich, füllen das Leben auf mit viel Schmerz, Spionage und so manchem locker sitzenden Dolch, der das eine oder andere Leben früher beendet als gedacht. Follett wechselt immer wieder die Erzählung zwischen Ländern und Personen, man ist aber immer gut informiert, wo und wann man sich gerade befindet. Folletts gewohnt einfache Sprache sorgt zudem dafür, dass man nicht durch zu viele fremde Wörter aus der Geschichte gerissen wird. Natürlich hat Follett mit 1150 Seiten auf dünnem Bibelpapier wieder einen ordentlichen Schmöker vorgelegt, aber er ist durchweg flüssig zu lesen und in intensiveren, historisch gut belegten Momenten wie der Bartholomäusnacht oder dem Ende Maria Stuarts an Spannung kaum zu ertragen, auch wenn man weiß, wie es ausgeht. Hingegen fällt die Schilderung des Siegs über die Spanische Armada leider etwas ab, da Follett hier sein selbst ausgelegtes Bett nicht nutzt.
Kingsbridge als Beispiel für englische Städte
Auch wenn man am Anfang nicht weiß, wie der rote Faden des Romans aussehen soll, so ist er durch den Roman durch doch zu erkennen, im Gegensatz zum Vorgänger Die Tore der Welt, der keinen roten Faden hatte. Allein daher gebührt dem Fundament der Ewigkeit auch eine höhere Wertung als seinem Vorgänger. Spielt die Stadt Kingsbridge auch keine zentrale Rolle im Roman, so kommen die Protagonisten immer wieder hierhin, ihre Heimat, sie sich natürlich durch den Religionskrieg auch verändert hat und sich immer noch im Wandel befindet. Kingsbridge ist letztlich ein Beispiel für viele englische Städte, wie es ihnen zugegangen sein mag durch die Veränderungen in der Welt, erzählt am Beispiel einiger Menschen und Familien, ihr Freud, ihr Leid, und man fiebert natürlich mit mit Ned Willard, ob er und seine Margery nicht doch über die Jahre einen Weg finden, mit Pierre Aumande, vor allem auch mit Rollo, Margerys Bruder, der ebenfalls dick im Spionagegeschäft verankert ist und es allein daher einen innerfamiliären Konflikt gibt. Follett leuchtet viele Möglichkeiten aus, wie die Zeit und die Gegebenheiten miteinander und gegeneinander interagieren. Und am Ende schafft er es, alle Handlungsfäden irgendwie zu einem Ende zu bringen.
Dem Roman sind beigefügt im Einband Karten von Kingsbridge und Westeuropa, ein ausführliches (und notwendiges) Personenverzeichnis mit realen und fiktiven Personen sowie eine kurze Danksagung. Der Roman ist größtenteils in einem Guss geschrieben und nur an wenigen Stellen tun sich Längen auf, die aber wohl bei einer Seitenzahl von 1150 nicht verwundern, wenngleich aber vermeidbar gewesen wären. Wie in vielen Romanen von Ken Follett darf man keine allzu großen Charakterentwicklungen erwarten, wer einmal als böse oder gut klassifiziert wurde, kommt nur schwer aus diesem Schema heraus. Selbst als Hauptfigur wie Ned Willard darf man nicht auf großartige Entwicklungen hoffen, auch wenn der Roman gut sechzig Jahre eines Menschenlebens erzählt. Das ist natürlich ein Schwachpunkt des Romans, wenngleich nicht neu und daher nicht überraschend. Dennoch hätte man sich in den Charakteren mehr Schattierungen gewünscht. Und ob der deutsche Titel dem Originialtitel (A Column of Fire, übers. etwa: Eine Säule aus Feuer) näherkommt, mag jeder selbst entscheiden.
Die historischen Ereignisse und das Leben der Zeit sind gut geschildert und man kann mit den Ereignissen und Handlungen mitfiebern oder sich davon abwenden, je nach Gusto. Sprachlich eher auf einfachem Niveau, dafür aber auch für jeden Leser erreichbar, ist der Roman am Ende eine schöne Fortsetzung der Kingsbridge-Reihe. Er hat nicht die Stringenz von Die Säulen der Erde, aber mehr Spannung und Handlung als Die Tore der Welt und kann daher qualitativ zwischen den beiden Bänden eingereiht werden. Da alle drei Bücher nur bedingt Fortsetzungen voneinander sind, kann man sie getrost einzeln lesen, ohne die Vorgänger zu kennen. Kleine Hinweise und Anmerkungen lassen jedoch immer wieder aufhorchen.
Alles in allem ein angenehmer historischer Roman, der nicht der stärkste aus der Feder von Ken Follett ist, beileibe aber auch nicht der schlechteste und der flüssig lesbar und daher auch für Neueinsteiger ins Genre geeignet ist. Und letztlich ragt er immer noch aus dem heutigen Histo-Einerlei hinaus. Am Ende doch: empfehlenswert.
Ken Follett, Lübbe
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