Tod an der Wien
- Emons
- Erschienen: Oktober 2017
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- Emons, 2017, Titel: 'Tod an der Wien', Originalausgabe
Wien, Kaffeehäuser und Theater bilden eine bunte Kulisse
Wien, 1923. Ernestine Kirsch kann einmal mehr ihren Freund und Vermieter Anton Böck mit einer Überraschung beglücken. Sie hat Eintrittskarten für das Theater an der Wien bekommen, in dem die Operettendiva Hermine Egger die Hauptrolle in einem neuen Stück von Franz Lehár singt. Vor Beginn des Stücks verschafft sich Ernestine ein Autogramm der Sängerin, wobei sie unfreiwillig einen lautstarken Streit mit einer Kollegin mitbekommt. Der Auftritt wird vom Publikum nur mäßig aufgenommen, was sich auch später im Café Dobler bestätigt, wo Ernestine und Anton noch einkehren und auf etliche Künstler des Stücks treffen. Hier erleben sie eine offene Ablehnung des alternden Stars, gar von einem Verhältnis zum Theaterdirektor ist unverblümt die Rede, aufgrund dessen sie die neue Rolle erhalten hätte.
Am nächsten Tag will Ernestine in dem Theater ihren am Tag zuvor zurückgelassenen Fächer abholen. Doch aus dem Theater wurde ein Tatort, an dem Hermine Egger angeblich letzte Nacht betrunken in einen Schacht des Bühnenaufzugs gefallen ist. Nun ist sie tot und der junge Kriminalbeamte Erich Felsberg übernimmt die Ermittlungen, die jedoch recht bald als Unfall zu den Akten gelegt werden. Ernestine ist fest davon überzeugt, dass es sich um einen Mord handelt, denn Egger hatte nie Alkohol getrunken. Zudem kannte sie das Theater in- und auswendig und nicht zuletzt gibt es zahlreiche Personen, die von ihrem frühzeitigen Ableben profitieren. Dann passiert ein zweiter Unfall …
Ernestine Kirsch wird erneut von der Neugier gepackt
Das Ehepaar Rosenstein, dessen Kinder von Ernestine in Latein unterrichtet werden, ist an einem Tanzkurs verhindert, so dass sie Ernestine die Karten schenken. Der Einstieg in „Tod am Semmering“. Das Ehepaar Rosenstein ist an einem Theaterbesuch verhindert, so dass sie Ernestine die Karten schenken. Der Einstieg in „Tod an der Wien“, dem zweiten Fall für die neugierige Ruheständlerin, die ihren Freund erneut ungewollt in Mitleidenschaft zieht. Der Beginn hätte somit etwas origineller ausfallen können, aber manche Leserinnen und Leser lieben ja das Bewährte. Sei’s drum, da ist es schon ärgerlicher, dass laut Buchrücken die Geschichte 1922 spielt und über Kapitel eins „Februar 1923“ steht.
Der Aufbau von „Tod an der Wien“ folgt dem bekannten Muster des Debüts. Es gibt einen Prolog, der selbstredend für die Auflösung von Bedeutung ist. Dann gerät Ernestine – wie geschildert – unverhofft in den Fall und folgt ihrer Neugierde. Blieb ihr im ersten Fall kaum etwas Anderes übrig, denn es befand sich ein Mörder in einem von der Außenwelt abgeschnittenen, da eingeschneiten Hotel, so hätte man hier polizeiliche Ermittlungen erwarten dürfen. Doch 1923 steckte die Polizeiarbeit noch in ihren Kinderschuhen, wurde erst wenige Jahre später durch den legendären Ernst Gennat in Berlin maßgeblich weiterentwickelt. So passt es vorzüglich, dass Ernestines ehemaliger Lieblingsschüler nun die Ermittlungen leitet beziehungsweise eben nicht leitet, dafür jedoch regelmäßig bei der Familie Böck auftaucht. Zunächst um sich mit seiner ehemaligen Lehrerin über den Fall auszutauschen, dann, weil er sich zu Antons hübscher Tochter Heide hingezogen fühlt.
Deutlich besser als im Vorgänger erschließt sich hier der „historische Teil“, denn laut Buchcover handelt es sich ja um einen „historischen Roman“. Das Elend nach dem Krieg ergibt sich in erster Linie aus dem Verlust an Familienangehörigen, den viele mitwirkende Figuren erfahren mussten oder aus eigenen körperlichen Verletzungen. Die allgemeine Lebenslage wird eher oberflächlich angerissen, allerdings nimmt eine wesentliche Schulreform, die Abschaffung der Prügelstrafe, einen breiteren Raum ein. Einmal mehr heißt es derweil für Anton, seinem größten Hobby nachzugehen: dem Essen.
Fazit:
„Tod an der Wien“ wartet mit einem etwas höheren Anteil historischer Bezugspunkte auf als der Vorgänger und auch die Spannungskurve steigt schneller an (was im Vergleich zum Debüt nicht schwierig ist). Zahlreiche Verdächtige werden ins Spiel gebracht, es darf also in altbekannter Manier mitgeraten werden. Dazwischen locken die Theaterwelt sowie die Kulisse Wiens, zudem laden Besuche in verschiedenen Kaffeehäusern zu einem Braunen, einer Melanche oder einem Haferl ein. Wer Miss Marple und Co. mag, darf gerne zugreifen.
Beate Maly, Emons
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