Operation Bird Dog
- Gmeiner
- Erschienen: Januar 2018
- 2
- Gmeiner, 2018, Titel: 'Operation Bird Dog', Originalausgabe
Neues Geld, alte Mitspieler
Weihnachten 1948. Carl Wrede ist erst vierzehn Jahre jung als sich seine Eltern selbst und ihn vergiften. Nur mit viel Glück überlebt Carl, seine Eltern sterben. Zehn Jahre später quält sich Carl mehr denn je mit der Frage, warum sich seine Eltern eigentlich hätten umbringen sollen?
Was war eigentlich das Letzte, was die Eltern zu ihm gesagt hatten? Wirklich "Frohe Weihnachten"? Das konnte doch nicht sein.
Frohe Weihnachten - und dann dem eigenen Kind Zuprosten mit einem Giftcocktail?
Carl ist inzwischen fest davon überzeugt, dass seine Eltern ermordet wurden und begibt sich mit seinem väterlichen Freund, dem Journalisten Gerd Jennings, auf Spurensuche. Carls Vater Victor Wrede war Chefsvolkswirt der Bank deutscher Länder und maßgeblich an der Umsetzung der Währungsreform beteiligt. Am 21. Juni 1948 trat die Reform in Kraft, die Deutsche Mark ersetzte die bis dahin gültige Reichsmark und war ein wichtiger Schritt Deutschlands in seine Unabhängigkeit, denn noch immer herrschten die Alliierten. Doch besonders amerikanische Politiker beklagten zunehmend die hohen Besatzungskosten, zumal die deutsche Produktion noch weitgehend am Boden lag; wenig verwunderlich, schließlich wurden die meisten Fabriken während des Krieges zerstört. Mit der Währungsreform geht es also langsam wieder aufwärts und gerade jetzt bringt sich wenige Monate später einer der wesentlichen Beteiligten um?
Zeitgeschichtlich nicht uninteressant
Jan-Christoph Nüse erzählt seinen ersten Kriminalroman Operation Bird Dog, erschienen im Gmeiner-Verlag, auf zwei Erzählebenen: 1948 und 1958. Zunächst überwiegt die Vorbereitung und Umsetzung der Währungsreform, die als geheime Kommandosache der Amerikaner arrangiert wurde. Die Russen durften vorab nichts wissen, aber auch die deutsche Bevölkerung nicht. Zu fragil war die allgemeine, von Hunger beherrschte Lage.
"Die Hühner, die legen natürlich Eier, und zwar fünf pro Woche. Der Arbeiter isst eines davon und verkauft vier. Auf dem Schwarzmarkt. Finden wir nicht gut, ist aber so. Was er für die vier Eier auf dem Schwarzmarkt bekommt, in Zigarettenwährung natürlich, das ist weit mehr als sein Wochenlohn."
Die Anfänge der Währungsreform sind interessant dargestellt und so ergibt sich neben dem Krimiplot noch ein zeitgeschichtlicher Erkenntnisgewinn. Der Wirtschaftsjournalist Nüse überzeugt hier mit seinem Fachwissen, wobei er nicht zu sehr in die Tiefe geht, so dass auch Leser ohne Grundkenntnisse im Wirtschafts- und Bankenwesen den Abläufen problemlos folgen können. Erst in der zweiten Hälfte des Romans überwiegt dann der Krimiplot, in dem Carl und Jennings mit Hilfe einiger Freunde die Vorgänge von damals aufzuklären versuchen. Hier ist interessant, wie wenig oder viel Einfluss ehemalige Nazischergen noch immer haben. Ein ehemaliger General der Waffen-SS und Chef der Panzerdivision "Leibstandarte Adolf Hitler" mischt noch immer fleißig mit, will früheren Gefährten finanziell helfen. Aber auch der Einfluss der Amerikaner wird beleuchtet, die keineswegs nur das Wohl der deutschen Bevölkerung im Kopf haben; schließlich gilt es vor allem die Russen im Auge zu behalten. Leider wird dieser Aspekt lediglich in wenigen Sätzen angedeutet, der Buchrücken vermittelt da einen ganz anderen Eindruck.
Charaktere blass und in der Handlung klaffen Logiklücken
Operation Bird Dog bietet interessante Ansätze, deren Umsetzung allerdings an etlichen Stellen zu wünschen übrig lässt. Die Handlung wechselt zwischen den beiden Zeitebenen (so weit so gut und üblich), verliert dabei an manchen Stellen aber den Überblick. Nicht immer kann man den Handlungssprüngen folgen, was sich vor allem zum Schluss ärgerlich feststellen lässt. Auf der Zielgeraden wird plötzlich eine Figur aus dem berühmten Ärmel geschüttelt von der bis dahin nie die Rede war. Ebenso unerwartet findet Carl auf einmal Beweismaterial; dies an einer Stelle und auf eine Art und Weise, die selbst die Fantasie eines H. P. Lovecraft übersteigen würde. Wie bereits erwähnt hätten auch die politischen Hintergründe (Spannungsverhältnis USA - Russland) intensiver beleuchtet werden können statt nur beiläufig erwähnt zu werden. Vor allem aber hätten die Charaktere eindringlicher beschrieben werden müssen. Stattdessen bleiben sie schablonenhaft und blutleer (ausgerechnet allen voran die vermeintliche Hauptfigur Carl), so dass der Leser keine Beziehung zu ihnen aufbauen kann. Da ist es fast schon egal, wenn die (auch in ihren Dialogen oft) hölzernen Protagonisten in schwierige Situationen geraten.
Jan-Christoph Nüse, Gmeiner
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