Verrat am Kaiser-Wilhelm-Kanal
- Emons
- Erschienen: Januar 2018
- 7
- Emons, 2018, Titel: 'Verrat am Kaiser-Wilhelm-Kanal', Originalausgabe
Spannende Ermittlungen in Kiel
Kiel, 1869. Hauke Sötje, Kommissar der Kieler Polizei, ist zufällig zugegen, als eine weibliche Leiche aus dem Kanal geborgen wird. Der Kleidung nach scheint sie eher ein Dienstmädchen zu sein, aber sie hat ein Stück Stoff bei sich, das sie sich eigentlich nicht leisten kann. Alle vermuten einen Selbstmord, nur Hauke ist anderer Meinung und beginnt mit seinen Ermittlungen - wie schon so häufig gegen die Anordnung seiner Vorgesetzten.
Parallel dazu bekommt Hauke einen Auftrag des Geheimdienstes, von dem sein Chef nichts wissen darf. Er soll einen Max von Sülau beschützen und einen möglichen Anschlag auf ihn verhindern. Sülau gehört zur Entourage des russischen Fürsten Gregorijn, der in Kiel erwartet wird. Hauke sträubt sich zunächst, doch als er gewahr wird, dass Sülau etwas mit seiner eigenen Vergangenheit zu tun hat, willigt er schließlich ein.
Als Hauke seine Verlobte, Sophie Struwe, die Hauslehrerin bei Konsul Winter ist, wegen des gefundenen Stoffes um Hilfe bittet, ahnt er nicht dass sie sich weiter in den Fall hineinwagen wird, als ihm und ihr lieb ist. Sophie fängt Feuer an der Recherchearbeit und wagt sich schließlich weiter vor, als gut für sie ist...
Recherche ohne Erlaubnis der Chefetage
Bereits zum dritten Mal schickt Anja Marschall ihren Kieler Kommissar Hauke Sötje ins Feld bzw. an den Schleswig-Holsteinischen Kanal, um einen Mordfall zu lösen, der einfach sein könnte, wenn es nicht ein paar Seitengeschichten geben würde und ein Ermittlungsverbot der Chefetage, die Sötje nicht glaubt und daher die Nachforschungen einstellt. Doch Hauke wäre nicht Hauke, wenn er nicht trotzdem ermitteln würde. Ein Wesenszug, den der geneigte Leser bereits aus den vorherigen beiden Fällen kennt.
Obwohl dies also bereits bekannt ist, liest man trotzdem gespannt, wie es weitergeht. Neu an diesem Roman ist die Initiative, die Sötjes Verlobte Sophie an den Tag legt. Erst allein, später mit Haukes Assistenten Bloch, stösst sie in den Ermittlungen vor und ist damit eine Frau der damaligen Zeit, die das Schicksal in die eigene Hand nimmt und dafür den einen und anderen schiefen Blick erntet. Anhand ihrer Figur zeigt die Autorin das steife Frauenbild der Zeit auf und bricht es gleichzeitig auf, was damals wohl völlig ungewöhnlich sein dürfte.
Spannender Kriminalfall und Spionagefall
Neben den Ermittlungen im Fall des ertrunkenen Mädchens, deren Identität man bald feststellt, nimmt Haukes Sonderauftrag einen weiten Erzählteil ein, zumal es auch in Rückblicken um Haukes Vergangenheit als Kapitän geht, der einst im Krieg sein Schiff verlor und als Einziger überlebte. Die Geister der Vergangenheit holen ihn ein und so wird sein Sonderauftrag zu einer persönlichen Angelegenheit, über die hier nicht mehr verraten werden soll.
Anja Marschall verwebt geschickt die drei Erzählstränge Mord - Spionage - Vergangenheit und hält den Leser durch ihre klare Sprache und ihre vielen Einfälle und Wendungen immer bei der Stange, so dass auf keiner Seite Langeweile aufkommt. Man spürt ihre akribische Recherche, allein erkennbar durch die Zeitungsartikel, die jedem der 47 Kapitel vorangestellt sind. Kurze Kapitel zeigen in diesem Fall, dass des Öfteren die Erzählperspektive gewechselt wird, was die Spannung erhöht und das Tempo aufrecht hält. Und doch gibt es ruhige Momente, etwa wenn Sophie bei Sötjes Wirtin Fräulein Bender vorstellig wird, weil sie ihn sucht.
Mit Verrat am Kaiser-Wilhelm-Kanal ist Anja Marschall ein spannender, temporeicher Krimi gelungen, der den Leser bis zum Ende bei Atem hält und bei dem vor allem auch der historische Aspekt nicht zu kurz kommt und durch seine ungewöhnliche Verortung zugleich interessant und lehrreich ist. Unbedingt lesenswert auch das Nachwort, das das Geschehen im Roman noch einmal historisch einordnet. Lobenswert auch das Buchcover, das den Leser direkt in die richtige Zeitstimmung versetzt. Freunde von historischen Krimis aus der Kaiserzeit sollten hier unbedingt zugreifen und auch die Vorgängerbände nicht verschmähen. Die Autorin arbeitet bereits am nächsten Fall, worauf wir uns gerne freuen.
Anja Marschall, Emons
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