Nacht über Föhr
- Emons
- Erschienen: Januar 2018
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- Emons, 2018, Titel: 'Nacht über Föhr', Originalausgabe
Kindermord vor deutsch-dänischem Hintergrund
Nachdem Volker Streiter in seinem ersten Roman Das Geheimnis des Strandvogts den Reiseschriftsteller Johann Georg Kohl einen Mordfall hat ermitteln lassen und dort die Magd Dina Martensen hat kennenlernen lassen, durfte diese in Eidergrab erstmals allein ermitteln. Im nun vorliegenden dritten historischen Küstenkrimi des Autors kommt wieder der Reiseschriftsteller Kohl zum Zuge - allerdings ohne die Magd Dina.
Man schreibt das Jahr 1845, als der Reiseschriftsteller Johann Georg Kohl auf der Insel Föhr landet, um Land und Leuten ein literarisches Denkmal zu setzen. Unglücklicherweise wurde am Vortag der vierzehnjährige Junge Ingwer ermordet an der Lembecksburg gefunden, erstochen und mit seltsamen Zeichen eingeritzt an den Beinen. In dem flüchtigen Pana Schoones, einem Mann aus der Südsee, der nur gebrochenes Deutsch spricht, obwohl er seit fast zwanzig Jahren auf der Insel lebt, hat man gleich einen Schuldigen gefunden, wenngleich noch nicht gefasst, denn er wurde gesehen, wie er von dem Leichnam flüchtete. Kohl kommt im Hause des Apothekers unter und mischt sich unter die Bevölkerung, um die Insel kennenzulernen.
Unweigerlich wird auch Kohl auf die Sache mit dem toten Jungen aufmerksam und schon wird sein kriminalistischer Forschungsdrang geweckt. Er spricht mit der Mutter und der kleinen Schwester des Jungen und untersucht den Fundort und hat eine Menge Fragen, vor allem auch wegen des vermeintlichen Mörders, der wie vom Erdboden verschluckt scheint. Kohl arbeitet sich weiter in die Bevölkerung vor und wird dafür nicht von allen freundlich empfangen. Und als Ingwers kleine Schwester ebenfalls Nachforschungen anstellt und verschwindet, klingeln auf der Insel die Alarmglocken.
Spannender Hintergrund
Es ist bereits Volker Streiters dritter historischer Kriminalroman aus der norddeutschen Inselwelt, und wieder schafft er es, einen spannenden Kriminalfall zu stricken, bei dem man sich wieder einmal fragt, warum die Ortpolizei nicht auch irgendwie ermittelt. Das ist dann aber auch so ziemlich die einzige Frage, die sich dem Leser stellt, denn Streiter weiß sehr wohl, falsche Fährten zu legen und den Leser bis zur letzten Seite bei der Stange zu halten.
Eingebettet in einen interessanten historischen Hintergrund lässt Streiter seinen Reiseschriftsteller ermitteln, der aufgrund seines Berufes immer Grund genug hat, das Land zu erforschen und Leute zu befragen. Neu dürfte für die meisten Leser der politische Hintergrund sein, der auf der Insel Föhr anzutrefen ist. Aufgeteilt in zwei Teile, Westerlandföhr und Osterlandföhr und somit auch zwei verschiedenen politischen Systemen, gehörte der eine Teil zu Dänemark, der andere zu Deutschland, was natürlich direkt Ressentiments der einen Hälfte der Insel der anderen gegenüber bedeutet. Konflikte sind vorprogrammiert und so schreibt sich ein Krimi zu dieser Zeit fast von allein.
Fast, wären da nicht die schillernden Figuren, die der Autor ins Feld führt. Neben Kohl sind dies die schwermütige Mutter des Opfers, die den Tod ihres Sohnes nur schwer verkraften kann, aber auch vorher nicht so leicht zu verstehen war. Laura, die kleine Schwester des Opfers, ist ein gewitztes, mutiges Mädchen und trägt mit eigenen Nachforschungen zur Klärung des Falles bei. Des weiteren gibt es den Apotheker Leisner, bei dem Kohl untergekommen ist, und der in seinem Hinterzimmer mit Medikamenten experimentiert. In der jungen Frau Emma Kühl, die mehr weiß als sie zugibt, und dem Kameraden Daniel Krückenberg, einem Freund des Opfers, gibt es weitere wichtige Personen. Glücklicherweise hat der Autor hinten im Buch ein Personenverzeichnis mit angegeben, wo auch vermerkt ist, wer von den Charakteren des Buches eine historische Person ist und wer erfunden, was bei der Lektüre des Romans das ein oder andere Aha-Erlebnis hervorrufen dürfte.
Geschickt konstruiert
Insgesamt ist Volker Streiter ein spannender Krimi vor historisch und auch sonst interessanter Kulisse gelungen, der hier auf gut 330 Seiten aus dem Hause Emons als Küstenkrimi daherkommt. Neben dem bereits erwähnten Personalverzeichnis findet sich als Extra noch eine historische Karte der Insel Föhr zu Beginn des Romans, auf der man einige Wege nachverfolgen kann. Der Roman eignet sich gut als Urlaubslektüre, wenn man eh auf die nordfriesischen Inseln fährt oder sich für die deutsch-dänische Geschichte und Schleswig-Holstein interessiert. Und wer weiß, vielleicht ermittelt Johann Kohl ja erneut, es gibt da ja noch einige Inseln mit Menschen, die sich bestimmt nicht immer ganz grün sind.
Volker Streiter, Emons
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