Die Gabe des Himmels
- Goldmann
- Erschienen: Januar 2018
- 6
- Goldmann, 2018, Titel: 'Die Gabe des Himmels', Originalausgabe
Grandioser Abschluss der Fleury-Saga
Mittlerweile schreibt man in der Handelsstadt Varennes Saint- Jaques das Jahr 1346. Der junge Kaufmannssohn Adrien Fleury kehrt nach seinem Medizinstudium in Montpellier in seine Heimatstadt zurück. Allerdings ist er nicht wie erwartet ein Physicus mit Abschluss. Aufgrund verschiedener Vorkommnisse an der Universität hatte man den jungen Heißsporn kurz vor Ende des Studiums von der Universität verwiesen. Bei seinem Hausherrn Hervé in Montpellier hatte er die Grundlagen der Chirurgie erlernt und festgestellt, dass ihm das Praktische dieses Berufes mehr lag als rein theoretisches Wissen der damaligen Medizin. Hervé hat Adrianus Talent erkannt und wurde sein Lohnherr und hat ihn zum Gesellen als Chirurgus ausgebildet. Sein älterer Bruder Cesar ist außer sich als er vom fehlenden Doktortitel erfährt. Den Kaufmann plagen derzeit enorme finanzielle Probleme im väterlichen Kaufmannsbetrieb. Ihr Vater Josselin wurde im Alter vom Wunsch, sich von allen Sünden reinzuwaschen, gepeinigt. Um sein Seelenheil zu erreichen, hat er große Teile des Fleury-Besitzes der Kirche übergeben und ist selbst in ein Kloster eingetreten.
Damit das Handelsgeschäft nicht komplett vor die Hunde geht, sieht sich der Kaufmann gezwungen, drastische Einsparmaßnahmen vorzunehmen. Diese wiederum treffen die sowieso schon armen Walker und Weber, die für Fleury das Tuch herstellen. Der Unmut in der Handelsstadt wächst und die bestehende Schere zwischen Arm und Reich klafft noch mehr auseinander. Varennes hat es in den letzten Jahrzehnten zu großem Wohlstand geschafft, das betrifft aber nur die reichen Patrizier der Stadt und leider auf Kosten der armen Bauern und Handwerker. Außerdem lebt in Varennes noch eine dritte Gruppe. Es sind die Juden, die ein eigenes Viertel bewohnen. Auch sie treiben erfolgreich Handel und dürfen zudem das Amt der Geldverleiher ausüben. Sie werden von den anderen eher gemieden und auch verachtet. Zum Beispiel auch besonders vom Zunftmeister der Knochenhauer, Luc Duchamp. Nach selbstverschuldeten Unglück gerät er in die missliche Lage sein Darlehen beim Juden Salomon nicht begleichen zu können.
Sehr zum Missfallen von Cesar beginnt Adrianus beim alten Chirurgus Jaques zu arbeiten, um sich in diesem Beruf zu bewähren und Meister der Chirurgie zu werden. Um die notwendigen Heilkräuter für seine Arzneien zu bekommen, muss er in der jüdischen Apotheke einkaufen. Dort lernt er die jüdische Heilerin Lea kennen. Sie verlieben sich ineinander. Aber ihre verbotene Liebe bringt sie in große Gefahr. Auch der Judenhasser Luc bringt Ärger mit sich. Doch bevor alles eskaliert, wird Varennes von einem viel größeren Unglück heimgesucht: Die gefürchtete Seuche, die Pest, hat auch Varennes erlangt und schlägt gnadenlos zu.
"In jener Nacht schlüpfte der Tod durch das Stadttor. Die schartige Sense hinter sich herziehend hinkte er durch die Gassen und spähte in die Häuser, beäugte gierig die ahnungslosen Menschen in ihren Betten."
Und wieder gelingt es Daniel Wolf mit dem nun bereits vierten Teil der Fleury-Saga den Leser in seinen Bann zu ziehen. Das Buch startet zunächst mit einem geheimnisvollen Prolog im Jahr 1331, mit dem man zunächst nicht besonders viel anfangen kann. Erst am Ende des Buches schließt sich dieser Kreis und man versteht den Zusammenhang. An diesen Prolog schließt sich die eigentliche Geschichte um das Geschlecht der Fleurys an. Zunächst erst einmal gemütlich unterhaltsam. Doch bald schon nimmt die Handlung an Fahrt auf. Es wird eine besondere Spannung aufgebaut. Dieser Spannungsbogen bleibt bis zum Ende der 950 Seiten aufrecht erhalten und animiert den Leser zügig weiterzulesen, denn man möchte schließlich unbedingt etwas über den Fortgang erfahren.
Nachdem der Autor die Leserschaft im dritten Teil von Varennes weggeführt hat um thematisch etwas Neues zu präsentieren, spielt die Handlung in Die Gabe des Himmels wieder fast ausschließlich in Varennes. Trotzdem erwartet den Leser etwas ganz Neues. Das Hauptthema "Der Handel" tritt stark in den Hintergrund. Diesmal erfährt man sehr viel über Medizin im Mittelalter und die Arbeit der Doktoren und Wundärzte. An sich ist das nichts Neues, so ist es doch oft Thema in einem historischen Roman. Und auch die Thematik der Pest wird oft abgehandelt. In diesem vorliegenden Roman wird diese grauenhafte Seuche sehr bildhaft und ausführlich beschrieben. Man kann die Pein der Erkrankten verstehen, aber auch die ohnmächtigen Versuche der heilkundigen Menschen dem entgegenzutreten. Neben diesem Hauptthema findet der Leser auch die ersten Spuren des Antisemitismus in dieser frühen Zeit und den erschreckenden Bezug zur Gegenwart. Ein weiteres Thema dieses Teils ist die Flagellantenbewegung im 14. Jahrhundert. Für alle genannten Themen gilt, dass sie vom Autor sehr gut recherchiert wurden und es meisterlich gelungen ist, historische Tatsachen mit der Fiktion zu vereinen.
Da die Handlung gegenüber dem dritten Teil zwei Generationen der Fleurys überspringt, kann der vierte Teil problemlos und ohne Kenntnis der Vorgänger gelesen werden. Es wird kein Vorwissen vorausgesetzt und nur ganz selten Bezug auf die frühere Handlung genommen.
Klar gezeichnete Charaktere der Hauptprotagonisten
Das etwas schrullig wirkende Familienoberhaupt Josselin Fleury lässt einen zunächst ungläubig den Kopf schütteln über seine blauäugigen Aktionen um sein Seelenheil zu erreichen. Trotzdem gelingt es ihm am Ende den Leser von seiner Person zu überzeugen. Die wohl bemerkenswerteste Wandlung macht sein älterer Sohn Cesar durch. Zunächst knallharter Geschäftsmann und Ratsherr, der nur auf den eigenen Vorteil und Profit bedacht ist, wird er am Ende geläutert und wandelt sich zu einem gutherzigen und sympathischen Menschen, der aus seinen Fehlern gelernt hat und diese wieder gutmachen will.
Der männliche Hauptprotagonist, Adrien Fleury, ist das genaue Gegenteil zu seinem Bruder. Er ist von Anfang an Sympathieträger des Romans. Er ist sehr sozial eingestellt und für die damalige Zeit auch sehr fortschrittlich mit seinem Wissensdurst. Ebenso der weibliche Gegenpart, die Jüdin Lea. Auch sie kann den Leser mit ihrer Art komplett positiv vereinnahmen. Ihr starker Charakter verlangt einem uneingeschränkten Respekt ab. Natürlich darf der böse Gegenspieler nicht fehlen. Er wird verkörpert durch die Rolle des kaltblütigen und berechnenden Knochenhauers Luc. Zwar macht auch er eine Entwicklung im Roman durch, diese ist aber so sonderbar und unglaubwürdig, dass der Leser diese nur misstrauisch beäugt.
Die Aufmachung des Buches ist wieder identisch und wurde vom Goldmann Verlag optisch perfekt an die drei vorhergehenden Bände angepasst. Diesmal ist neben den typischen Beigeton die Farbe Orange symbolisch für Teil vier und natürlich darf die gewohnte mittelalterliche Buchmalerei auf dem Cover nicht fehlen. Die Stadtkarte zu Beginn verdeutlicht dem Leser noch einmal den Aufstieg der kleinen Handelsstadt Varennes und welch großartige Entwicklung diese Stadt im Lauf der Zeit durchgemacht hat. Wie üblich dürfen auch das Personenregister und das erklärende Glossar am Ende nicht fehlen.
Würdiger Abschluss der Geschichte
Daniel Wolf selbst hat verkündet, dass es für lange Zeit kein Wiedersehen mit den Fleurys geben wird. Wenn denn überhaupt, so wird ein längerer Zeitraum, nämlich einige Jahre, vergehen, bis es einen fünften Teil geben wird. Er konnte mit allen vier Teilen überzeugen und würde sicher viele Leser mit einer erneuten Fortsetzung glücklich machen. Aber er selbst braucht nun Abstand zu den Fleurys und so bleibt diese Saga mit einem starken Abschluß in den Gedanken der Leser.
Daniel Wolf, Goldmann
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