Der König und ich
- Unionsverlag
- Erschienen: Januar 2000
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- Unionsverlag, 1944, Titel: 'Anna and the King of Siam', Originalausgabe
Ein Klassiker der modernen Literatur
Wer kennt sie nicht, die Geschichte der englischen Lehrerin Anna Leonowens, die 1862 an den Hof des Königs von Siam kommt, um dort dessen zahlreichen Kinder zu unterrichten und etwas mehr Zivilisation in das in unmenschlichen Traditionen untergehende asiatische Land zu bringen? Anna Leonowens beschrieb ihre fünf Jahre dort in mehreren Berichten, die die US-amerikanische Autorin Margaret Landon mit weiteren Quellen zu einem berühmt gewordenen Roman zusammenfasst. Das ist gut, dann Fachleute beäugen die Berichte Annas selber als beschönigend und sie selbst in einem guten Licht dastehend, daher also eher kritisch. Doch Landon bedient sich daher einer Mischung. Bekannt ist die Geschichte nicht nur unter dem Titel „Der König und ich“, sondern auch unter „Anna und der König“ oder „Anna und König von Siam“, wurde als Spielfilm und als Serie verfilmt; die berühmteste Version dürfte jedoch die Musical-Adaption mit Yul Brynner in der Rolle des Königs sein.
Eine englische Lehrerin für siamesische Kinder
König Mongkut lädt Anna Leonowens, eine junge Witwe, nach Siam ein, um dort seine vielen Kinder zu unterrichten, die er mit mehreren Frauen hat. Nach zähen Vertragsverhandlungen willigt sie ein und landet schließlich mit ihrem Sohn Louis 1862 in Bangkok und wird vom Kralahome, einer Art Minister des Königs und auch dessen Halbbruder, am Hafen in Empfang genommen. Es dauert einige Wochen, bis sie den König das erste Mal trifft und die Kinder unterrichtet. Unter den Kindern ist auch der Kronprinz Chulalongkorn, der besonders talentiert ist.
Der König behandelt Anna zunächst wie eine seiner Frauen oder Sklavinnen, eben als Bedienstete ohne eigenen Willen und Rechte, und Anna muss einiges an eigenem Mut aufbringen, um sich ihm, seinen Avancen und seinen Ungerechtigkeiten zu widersetzen. Zwar ist er manchmal bockig wie ein Kind und scheut sich auch nicht davor, das harte siamesische Recht durchzusetzen, doch nach und nach finden er und Anna eine Ebene, auf der sie zusammenarbeiten können. Wenn er nicht immer wieder in alte Muster zurückfallen würde, sich nicht an Versprechen und Absprachen halten würde, könnte das Land schneller die von ihm gewünschten Fortschritte vorweisen.
Eingefahrene Traditionen und religiöse Bräuche
Mit der Zeit machen die Schülerinnen und Schüler bemerkenswerte Fortschritte und interessieren sich für alles, was Anna ihnen beibringt. Anna gerät jedoch immer wieder in Konflikt mit den Ansichten der Siamesen, sei es kultureller oder religiöser Natur. Immer wieder fällt der Unterricht auch für länger wegen irgendwelcher Feierlichkeiten aus und Anna wurde darüber nicht unterrichtet. Bisweilen erweist sich die Kommunikation zwischen Anna und dem König als schwierig. Neben dem Unterricht, für den sie eigentlich geholt worden war, benutzt der König auch ihre Fähigkeiten, um Briefe zu übersetzen und zu schreiben, bei Tag und bei Nacht. Manchmal lässt der König sie mitten in der Nacht wecken und in den Palast holen, nur weil ihm ein Wort nicht einfällt oder ein Synonym für ein anderes, aber beklagen darf sich Anna nicht darüber. Eine längst abgemachte Gehaltserhöhung wird nie umgesetzt.
Anna freundet sich auch mit den Hauptfrauen und Nebenfrauen des Königs an und wird zu einer Vertrauensperson. Daher kommen sie auch immer mit ihren Problemen zu Anna, denn sie wissen, dass der König sie einkerkern oder foltern lassen würde, was er bei Anna nie machen würde. So gerät sie zwischen die Fronten, aber sie erarbeitet sich gleichzeitig einen Ruf als „weißer Engel“, der sich für das geknechtete siamesische Volk einsetzt.
Schwieriger Fortschritt
Margaret Landon beschreibt in ihrem Buch nicht nur das Verhältnis zwischen Anna, dem König, dem Hofstaat und allen weiteren Menschen, sondern gibt auch eine interessante Beschreibung des Lebens am Hof mit seinen Traditionen ab. Immer wieder gibt es Feierlichkeiten zu ehren einer Person oder eines Gottes, die dann auch gleich mehrere Tage oder Wochen dauern. Es werden die politischen Verhältnisse der Zeit beschrieben, in der sich die Franzosen und die Engländer um Indochina stritten, und in der es Siam schwer hatte, sich eigenständig gegenüber den anderen Ländern zu behaupten; auch ein Grund, warum Anna geholt wurde, nämlich um das Land zu einer fortschrittlichen Zivilisation umzubauen, damit es heraus kommt aus den angestaubten unmenschlichen Traditionen mit Sklavenhaltung, Foltern und anderen Quälereien.
Nicht ganz so herzlich
Landon beschreibt die fünf Jahre des Romans aus der Sicht von Anna und ihrer Unverständlichkeit und oft auch Machtlosigkeit den Launen des Königs gegenüber. Dies ist allerdings weit weg von der doch eher versöhnlichen Version im Film oder im Musical. König Mongkut will zwar Fortschritt, kann aber auch nicht aus seiner Haut, was auch immer wieder beschrieben wird. Und so wird es am Ende in der Hand seines Nachfolgers liegen, Kronprinz Chulalongkorn, der heute in Thailand immer noch als einer der größten und fortschrittlichsten Könige überhaupt verehrt wird. So hat Anna trotz aller Probleme mit dem König mit seinem Nachfolger vieles in die richtigen Bahnen gelenkt.
Der Roman „Der König und ich“ stammt aus dem Jahr 1944 und ist trotz aller versuchten Wärme doch in einem eher trockenen Stil geschrieben und bei weitem nicht so amüsant wie die bekannten Filmversionen. Dennoch sind die knapp 400 Seiten eine lohnenswerte Lektüre, lernt man doch viel über Land und Leute aus der Zeit, mit leichtem politischem Einschlag und als Vorgeschichte zum heute noch verehrten König Chulalongkorn. Man leidet mit den Siamesen, hat aber auch für sie Verständnis und selbst für den König, der gegen viele Umstände anzukämpfen hat. Man erfährt durch seine Hauptfrau Lady Thiang auch seine Geschichte und so entwickelt sich eine interessante Geschichtsstunde über Siam und seine Kultur.
Fazit
Der historische Klassiker „Der König und ich“ von Margaret Landon ist eine etwas trockene, aber doch reizvolle Lektüre für Leser, die sich für das Britische Empire und ihre Kolonien interessieren. Die berühmten Adaptionen kommen alle etwas leichtfüßiger daher als die literarische Vorlage, dennoch ist sie eine willkommene Abwechslung aus dem historisch-literarischen Einerlei.
Margaret Landon, Unionsverlag
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