Aberglaube und Geschäfte
- Gmeiner
- Erschienen: Januar 2018
- 3
- Gmeiner, 2018, Titel: 'Aberglaube und Geschäfte', Originalausgabe
Formula Concordia und ein Tropfen Vitriol
Braunschweig-Wolfenbüttel, 1582. Der Jurist Konrad von Velten wird zwei Jahre nach den letzten Vorfällen im Herzogtum erneut mit der Ermittlung einiger Todesfällen betraut. Eines Nachts wird eine Frauenleiche außerhalb der Stadtmauern gefunden. Kurz darauf legt jemand einen toten Säugling ab und ein Junge liegt im Bergwerkstollen. Drei Opfer in kurzer Zeit sind auch für diese Gegend mehr als ungewöhnlich. Herzog Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel fordert eine schnelle Aufklärung, zumal er in Kürze wichtige kirchliche und wirtschaftliche Delegationen erwartet. Konrad hat also alle Hände zu tun, um den Täter zu fassen, dessen Motiv ihm Rätsel aufgibt. Gereimte Verse führen den Juristen schließlich auf die Spur eines diabolischen Mörders und dem ätzenden Geschäft mit Vitriol.
Susanne Gantert stellt ihren Protagonisten auch in seinem dritten Fall vor eine knifflige Aufgabe. Der historische Kriminalroman folgt dem klassischen Aufbau, in dem das Verbrechen auf den ersten Seiten geschieht und anschließend nach dem Täter gesucht wird. In der dunklen Jahreszeit im Jahre 1582 ist Konrad von Velten auf seine logische Kombinationsgabe angewiesen, um den Mörder zu überführen. Während des Lesens hat man da keinerlei Vorteil, da die Autorin den Leser kaum mehr wissen lässt als den Ermittler. Das lässt Raum zum Miträtseln und schafft erst kurz vor Schluss eine Ahnung, wer hinter allem stecken könnte. Kenntnisse aus den beiden Vorgängerbänden sind nicht zwingend erforderlich. Benötigte Informationen über Familienverhältnisse und anderer beteiligter Personen werden in Nebensätzen eingeflochten, sodass man sie gut einschätzen kann. Wer die beiden Vorgänger gelesen hat, darf sich über ein Wiedersehen mit der Familie von Velten, Elise und Laura aus dem Mädchenreigen freuen.
Bildhafte Beschreibungen
Der Spannungsbogen steigt nur langsam an. Nach dem Auffinden der Toten sind keinerlei Hinweise erkennbar, die den Mörder entlarven würden. Möglicherweise möchte die Autorin den Leser auch erstmal mit den amourösen Verstrickungen diverser Bewohner Wolfenbüttels von der richtigen Spur ablenken. Die Stärke des Romans ist eindeutig die Sprache und die Beschreibung der Gesellschaft im 16. Jahrhundert. Braunschweig und Wolfenbüttel werden in ihrer Zeit lebendig. Man hört förmlich die Pferdehufe auf dem Kopfsteinpflaster in der heutigen Altstadt. Auch Ortsunkundige werden sich die Umgebungen bildhaft vorstellen können. Gesellschaftliche Gepflogenheiten werden deutlich herausgestellt und die Handlungen wirken authentisch. Familie und Lebensunterhalt werden der Zeit angemessen geschildert und lassen die Figuren real erscheinen. Der belesene Konrad lässt sich nicht so schnell vom Aberglauben abhalten, Licht ins Dunkle zu bringen.
Die Kirche hat einen großen Einfluss auf die Menschen und die Wirtschaft. Rund 50 Jahre nach der lutherischen Reformation herrschte auch unter den Pastoren noch keine einhellige Einigkeit, was hier durch das Kolloquium anschaulich wird. Immer wieder entstehen Diskussionen um die Gewinnung von Vitriol beim Abbau von Erz unter Tage. Noch heute kann man die Gruben besichtigen, die in diesem historischen Krimi eine Rolle spielen und zudem Lokalkolorit verleihen. Vor allem die Handelsbeziehungen mit der auch als Schwefelsäure bekannten Flüssigkeit und der Einfluss des Herzogs bekommen so noch mehr Bedeutung. Das Zusammenspiel zwischen fiktiven und historisch belegten Personen harmoniert. Genau so hätte es sich vor über 400 Jahren zutragen können. Die in Wolfenbüttel ansässige Autorin hat ihre Heimat atmosphärisch dicht gezeichnet und haucht den Figuren Leben ein.
Sprachlich treffend konzipiert
Der Schreibstil ist nicht immer leicht zu lesen und sprachlich versucht die Autorin, die Konversation der späten Neuzeit anzugleichen. Zu Beginn zieht sich der Kriminalroman, weil alle Handlungsstränge kurz vorgestellt werden. Es gibt eine Hochzeitsfeier, ein Colloquium soll einberufen werden und außerdem wird eine Leiche gefunden. Kirche, Politik und ein äußerst intriganter Mörder drängen sich gleichzeitig in den Vordergrund und gesellen sich zu den persönlichen Verbindungen von Veltens. Das muss der Leser für sich erst mal sortieren. Bemerkenswert ist allerdings die vorangegangene Recherche, die in den Archiven der Städte Braunschweig, Wolfenbüttel und Goslar gesammelte Fakten in die Handlung einfließen lässt. Der im Titel erwähnte Aberglaube wird bedauerlicherweise nur am Rande gestreift. Schließlich erzählt man noch heute allerlei Seltsames über Hexen und Kobolde, wenn der Wind durch die Tannen des Vorharzes rauscht. Eben diese Abende sind prädestiniert, sich von Aberglaube und Geschäfte unterhalten zu lassen. Der Krimi entfaltet erst spät sein ganzes Potential, um dann umso opulenter genossen zu werden.
Susanne Gantert, Gmeiner
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