Melange ohne
- Gmeiner
- Erschienen: Januar 2018
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- Gmeiner, 2018, Titel: 'Melange ohne', Originalausgabe
Wenn ein Gymnasiast zum Ermittler mutiert
Der große Krieg nähert sich seinem Ende, mit ihm auch die Donaumonarchie. Längst liegt alles im Argen, nicht nur Lebensmittel sind knapp. Wer kann, versucht vorzeitig die Front zu verlassen und in die Heimat zurückzukehren. Dr. Stefan von Brühl hat noch einen weiteren Grund zur Rückkehr, denn in Eichgraben in Niederösterreich soll seine Schwester Luise Edgar Maienbach heiraten. Ausgerechnet den verhassten Edgar, denkt Stefan und teilt dies auch noch lautstark mit. Er bittet im Lazarett von Bozen seinen Freund Max, der dort als Patient an einer Schussverletzung laboriert, die Ausweise zu tauschen, damit er als dieser zwei Tage früher nach Hause fahren darf. Ein gewagter Coup, der allerdings gelingt, wenngleich mit ungeahnten Folgen für Beide.
"Zu allem Überfluss behaupteten die Gendarmen, dass der elendige Mistkerl mit meiner Waffe erschossen wurde. Wenn sie mir nachweisen könnten, dass ich auch geschossen habe was für ein abwegiger Gedanke -, dann hätten sie mich auf der Stelle verhaftet. Obwohl sie der Mangel an Beweisen ja auch sonst nicht hindert, jemanden einzulochen."
Als Max seinen Freund in Eichgraben besucht erfährt er gleich drei ungeheure Neuigkeiten: Luise ist schwanger, Edgar tot und Stefan sitzt zur Vernehmung bei der Polizei, da der verhasste Schwager in spe mit seiner Dienstpistole erschossen wurde. Die Beweise passen, wäre da nur nicht die Frage mit dem Alibi, denn offiziell kam Stefan (Max) ja erst später nach Hause. Auch Max gerät in Bedrängnis und sieht nur einen Ausweg. Er muss herausfinden, wer der wahre Mörder war. Dabei lernt er die überaus attraktive Eveline Kratky kennen, die sich als Krankenschwester für die Sozialdemokraten engagiert...
Die Donaumonarchie geht unter, ein Adeliger entdeckt die Sozialdemokratie
Hundert Jahre nach Ende des Ersten Weltkrieges fluten derzeit Bücher über die Epoche der Weltkriege den Buchmarkt. Verständlicherweise, wobei es gleichwohl wichtig ist, die berühmte Spreu vom Weizen zu trennen. Ursula Heinrich, die Autorin des vorliegenden Debütromans, hatte zuvor - laut Buchangabe - mit einem Autorenteam "romantische Thriller" geschrieben. Dies erklärt, warum die aufkeimende Gefühlsduselei des jungen Protaognisten für die deutlich ältere Eveline einen größeren Platz in dem Buch einnimmt. Allerdings muss man herausheben, dass derartige Gefühle ja nicht unbedingt selten vorkommen und die Autorin den Kontakt zwischen den beiden Figuren dazu nutzt, um den aus einer adeligen Familie stammenden Max (eigentlich ein Freiherr von) in die Welt des Proletariats einzuführen. Er besucht Veranstaltungen der Sozialdemokraten, lauscht Evelines politischen Reden, besucht mit der Angebeteten die Wohnungen der Ärmsten der Armen und lernt dadurch eine völlig neue Welt kennen. Arbeiterrechte, Wahlrecht für Frauen, eine Republik mit Abschaffung der Stände - wo führt das hin?
Wobei es der Familie von Max ebenfalls schlecht geht, wie übrigens ganz Wien. Es wollen einfach keine Lebensmittel mehr die Stadt erreichen, so lebt der Schleichhandel, allerdings ebenfalls mehr schlecht denn recht, denn durch wiederholte Lohnsenkungen geht den Menschen zusätzlich das Geld aus. Die sich aufdrängende Kritik an den gesellschaftlichen Verhältnissen wird zunächst recht behutsam erwähnt, die Zustände an der Front finden gar erst in der zweiten Buchhälfte Erwähnung. Dies hat man bei anderen Autoren schon deutlich intensiver gelesen. Wer auf allzu detaillierte Schilderungen des Elends an der Front verzichten möchte, der ist hier wiederum richtig. Das Blut muss ja nicht immer aus den Seiten laufen, wobei diese Formulierung wohl eine Spende für das Phrasenschwein erfordert.
Der Roman ist flott geschrieben, gut lesbar und bietet durchaus informative Einblicke in die letzten Tage der Donaumonarchie. Allein die "Ermittlungsarbeit" des jungen Max lässt aus Sicht des Krimifans zu wünschen übrig, doch dies ist keineswegs ein Schwachpunkt, sondern eher dem Alter des Protagonisten geschuldet. So ist der junge Gymnasiast oft verunsichert und ungeschickt, gleichwohl ein ehrbarer Charakter, dem man gerne erneut begegnen würde. Die Auflösung kommt sehr plötzlich daher, quasi aus dem Nichts: "Plötzlich war glasklar, wer Maienbach ermordet hatte." So ganz glasklar war es zwar nicht, aber nach Anwendung der Gesetze der Deduktion eines gewissen Sherlock Holmes dürften die meisten Leser nicht überrascht werden.
Ursula Heinrich, Gmeiner
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