Das Licht zwischen den Zeiten
- Droemer-Knaur
- Erschienen: Januar 2018
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- Droemer-Knaur, 2018, Titel: 'Das Licht zwischen den Zeiten', Originalausgabe
Eine enthüllende Familiengeschichte
Der Erste Weltkrieg geht dem Ende entgegen. Deutschland hat den Krieg so gut wie verloren. Trotzdem versucht man im Sommer des Jahres 1918 auf Gut Frommberg, das in Westpreußen liegt, weitestgehend ein normales Leben zu leben. Die Familie von Dahlwitz lebt hier mit einigen Dienstboten. Um den Schein der heilen Welt wahren und das feudale Leben der Gutsfamilie fortzusetzen, muss die Dame des Hauses, Donata von Dahlwitz, einiges ihres eigenen Kapitals zuschießen. Der Krieg ist weit weg für die Bewohner. Einzig durch die Berichte von Donatas Bruder Felix wird ihr Idyll gestört. Er lebt als Gynäkologe in Berlin und hilft oft in Krankenhäuser bei der Behandlung der Kriegsverletzten. Das Ehepaar Donata und Heinrich von Dahlwitz haben fünf Kinder, wobei der zweitälteste Sohn Georg adoptiert ist. Die jüngste Tochter Rudela ist dreizehn. Aber anstatt sich standesgemäß wie eine kleine Dame zu verhalten, lebt sie in ihrer eigenen Welt. Sie ist ein kleines "Träumerle", klettert lieber auf Bäumen herum und hängt ihren Gedanken nach. Als sie wieder einmal unbemerkt in einer Baumkrone des Anwesens sitzt, macht sie eine folgenschwere Entdeckung. Sie beobachtet ihre Schwester Helen und den gleichaltrigen Adoptivbruder Georg. Dabei findet sie heraus, dass die beiden ein Liebespaar sind. Rudela berichtet ihrer Mutter Donata von ihrer Entdeckung. Obwohl die beiden keine richtigen Geschwister sind, verbieten die Eltern diese Liebesbeziehung. Sie sind wie Geschwister aufgewachsen und es "schickt" sich deswegen nicht. Vielmehr hatten die Eltern eine Verbindung Helens mit dem Cousin Justus im Sinn, der aus einer angesehenen Offiziersfamilie stammt. Doch alle Bemühungen, die Liebe zwischen Georg und Helen zu unterbinden, scheitern. Der siebzehnjährige Georg verlässt Gut Frommberg und meldet sich als Soldat für den Krieg. Wird die Liebe der beiden jungen Leute siegen oder wird das Familiengefüge der Familie von Dahlwitz komplett auseinanderbrechen?
Ein episches Werk über die Zwanziger Jahre
Die Autorin Sophia von Dahlwitz (Pseudonym) arbeitet in diesem Werk ihre eigene Familiengeschichte auf. Es gelingt ihr, anhand von Informationen, die sie von ihren Vorfahren erhalten hat, anschaulich die Zeit von 1918 bis zum Hitlerputsch 1923 wiederzugeben. Die historischen Gegebenheiten sind gut mit der familieneigenen Geschichte zusammengefasst. Der Leser bekommt sehr anschaulich vermittelt, wie groß das Dilemma war, in welches sich Deutschland damals hineinmanövriert hatte. Der Krieg war verloren und die Versailler Verträge engten den Staat stark ein. Die hohen Reparationszahlungen, die zu leisten waren, drückten Deutschland den Atem ab. Die Bevölkerung verarmte zusehends. Die Kriegsheimkehrer waren stark traumatisiert und hatten kein Ziel vor Augen. Die ersten Revolten keimten auf und so konnte die Idee des Faschismus schnell viele Anhänger finden. Mit dieser Schilderung zeigt von Dahlwitz erschreckende Parallelen zur derzeitigen Lage in Deutschland auf.
Hauptprotagonisten klar und anschaulich charakterisiert
Das Familienoberhaupt Heinrich wirkt sehr sympathisch und wie der gute Geist der Familie. Man gewinnt den Eindruck, dass in der Familie seine Frau Donata das Sagen hat. Mit strenger Hand führt sie das Gut und das gute Ansehen ihrer Familie steht für sie an erster Stelle. Keinesfalls erscheint sie wie die liebende Mutter der fünf Kinder.
Die Tochter Helen hat ihren eigenen Kopf. Sie widersetzt sich ihrer Mutter mit kämpferischer Hingabe. Sie hat bei weitem den stärksten Willen der Familie von Dahlwitz. Rudela ist das krasse Gegenteil ihrer Schwester. Sie wirkt wie das unscheinbare "Träumerle", die in ihrer eigenen Welt lebt. Doch trotz aller Unscheinbarkeit war sie der entscheidende Anstoß dazu welchen schicksalhaften Verlauf das Leben ihrer Familie nimmt.
Georg beschließt zwar, Frommberg zu verlassen, aber das Schicksal leitet seine Wege wieder nach Hause zurück. Dennoch fühlt er sich von seiner Mutter nie wirklich anerkannt und die beiden haben keine wirkliche Bindung. Seine Liebe zu Helen ist wahnsinnig groß und in der Beziehung scheint eher Helen die Führungsperson zu sein. Die Person des Stammhalters Jürgen erscheint eher farblos in der Geschichte und auch der jüngste Sohn Wilhelm wird nur in wenigen Sätzen erwähnt.
Ein besonderer Sympathieträger des Romans ist Felix Hardt, Donatas Bruder. Er ist nicht im Entferntesten seiner strengen Schwester ähnlich. Er genießt in Berlin sein Leben, lässt sich nicht in irgendwelche Konventionen drücken. Er wird ein wichtiger Bezugspunkt für die Familienmitglieder der Familie von Dahlwitz sein.
Die größte Entwicklung beziehungsweise Wandlung macht in diesem Werk der Cousin Justus durch. Seine Herkunft aus einer renommierten Offiziersfamilie macht ihn zum bevorzugten Kandidaten als Helens Ehemann. Doch Donata muss ihre Meinung über Justus ändern, als seine politische Gesinnung offenbar wird. Justus ist ein überzeugter Nationalsozialist der ersten Stunde. Von da an ist er auf Gut Frommberg nicht mehr gern gesehen.
Interessantes Thema mit leichten Überlängen
Die Autorin unterbricht ihren Roman immer wieder, um eigene Gedanken einfließen zu lassen. Zum besseren Erkennen sind diese Passagen dann kursiv gedruckt. Manchmal wirken die Unterbrechungen im Verlauf etwas störend. Oft liefern sie aber auch wichtige Informationen, um bestimmte Zusammenhänge besser zu verstehen.
Die Sprache und Stil des Romans sind zunächst gewöhnungsbedürftig. Die ausschweifenden Schilderungen sind sehr detailreich. Die Sätze sind mit sehr vielen Nebensätzen versehen, um alle Erklärungen unterzubringen. Dadurch entstehen oft sehr lange Satzgebilde. Sätze die sich über acht oder neun Zeilen erstrecken sind keine Seltenheit.
Sophia von Dahlwitz zeigt eine große Portion Mut, dem Leser diese tiefen, teils intimen Einblicke in ihre Familiengeschichte zu gewähren. Im Lauf der Geschichte erfährt man, dass der aktive Anhänger Hitlers, Justus, niemand anderes als ihr Großvater war. Das Buch kann mit seiner Darstellung über weite Strecken fesseln. Nur manchmal erscheinen dem Leser die Ausführungen bestimmter Kriegstheorien etwas zu lang. Oder man sieht sich mit zu vielen Details oder Zahlen konfrontiert, zum Beispiel wenn es um die Verbreitung der Spanischen Grippe geht. Doch wenn man von diesen beiden Kritikpunkten absieht, ist der Roman durchaus ein lesenswertes Werk.
Sophia von Dahlwitz, Droemer-Knaur
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