Als Bach nach Dresden kam
- Kindler
- Erschienen: Januar 2018
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- Kindler, 2018, Titel: 'Als Bach nach Dresden kam', Originalausgabe
Ein ungewolltes Duell zweier Unwilliger
September 1717. August der Starke hat mitbekommen, dass der skandalumwitterte Cembalist und Organist Louis Marchand von König Ludwig XIV aus Versailles entlassen worden sei, und nun will er schauen, ob es möglich ist, ihn an seinen eigenen Hof zu holen. Hierfür schickt er seinen Direktor der französischen Hofkapelle, Jean Baptiste Volumier, los, um Marchand ausfindig zu machen und ihn dazu zu bewegen, nach Dresden zu kommen. Volumier, auf einmal um seine eigene Position fürchtend, macht sich auf den Weg und findet Marchand in Brüssel, wo es ihm gelingt, ihn einzuladen.
Doch da Volumier sich der Sache seines Herrn immer noch nicht sicher ist, fällt ihm ein, dass es in Freiberg einen Deutschen geben soll, einen Johann Sebastian Bach, der gerade eine neue Arbeit sucht, der viele Kinder ernähren muss und gewiss einer höher dotierten Arbeit nicht abgeneigt ist. Er reist nach Freiberg, wo er Bach findet, zudem dessen Schwägerin Friedelena, an der er Gefallen findet und der er auch nicht unsympathisch erscheint. Volumier ersinnt ein Duell der beiden Tastenvirtuosen, die um die Anstellung bei August spielen sollen. Beide zeigen sich zunächst einverstanden und machen sich auf den Weg nach Dresden.
Das Bangen um die eigene Position
Ralf Günther erzählt eine Geschichte, die sich nach Gerüchten vielleicht tatsächlich zugetragen haben soll, vielleicht auch nicht, man weiß es nicht genau, aber als nette Anekdote eignet sie sich allemal. Die Protagonisten sind allesamt reale Persönlichkeiten und laut Gerüchten soll sich die Geschichte genau so zugetragen haben. Ob sie nun stimmt, bleibt dahingestellt, ist aber eigentlich auch nicht wichtig.
Der Autor wählt einen geschickten Weg und lässt August den Starken letztlich den Impuls setzen, dass Volumier den Virtuosen Marchand an seinen Hof holen soll. Volumier ist durch das ganze Buch voller Zweifel, ob er sich denn hier wohl selber sein eigenes Grab schaufelt und sich seinen potenziellen Nachfolger im Amt ins Haus holt. Diese Andeutung verstehend, sagt August ihm zwar, dass er nichts zu befürchten habe, aber dies beruhigt Volumier nicht. Ein Wesenszug, der sich durch das komplette Buch zieht und manchmal doch arg übertrieben scheint und fast nervt. Aber nun, sollte er recht behalten und wenigstens einer der beiden Konkurrenten, die dies nie sein wollten, ihn an Virtuosität übertrumpfen, könnten seine Tage gezählt sein. Kein Wunder, dass Volumier da versucht, die beiden Kontrahenten gegen einander auszuspielen.
Musikgeschichte
Die Konkurrenten Marchand und Bach, die dies nie sein wollten und die sich auch selber nie getroffen haben, sind ebenfalls etwas genervt von Volumier und wollen eigentlich gar kein Duell austragen. Doch ist dies bereits in der Dresdner Gesellschaft angekündigt, wo das Duell öffentlich in Anwesenheit Augusts ausgetragen werden soll. Schande, wenn einer gewinnt und ihn verdrängt, Schande, wenn einer nicht antritt, Schande, wenn beide nicht antreten, Volumier steckt vollends in der Zwickmühle.
Mit viel Charme und sehr treffenden Beschreibungen von eindrucksvollen Konzerten serviert Ralf Günther dem geneigten Leser ein nettes Büchlein, das vom Kindler Verlag immer als Hardcover herausgegeben wurde. Der Dresdner Hof ist auf dem Cover abgebildet, der potenzielle Konzertort und künftige Arbeitsplatz für einen Tastenvirtuosen fragt sich nur, welcher. Günther schafft es mühelos, den Leser in Zeit und Ort zu transportieren, dabei die höfischen Rituale aufdeckend und das Geschmeichel dem Fürsten gegenüber aufzeigend. Trotz allem bleibt eine charmante Geschichte, bei dem einem Volumier fast Leid tun mag, hat er sich doch zunächst eine Intrige und ein Duell ersonnen, das er zunächst seinem Fürsten, dann den beiden Beteiligten Schmackhaft machen muss, und letztlich kommt es doch anders als gedacht. Man steht kurz davor, Mitleid mit ihm zu haben, der sich schon als Romantiker in einer angebahnten Beziehung mit Bachs Schwägerin wähnte. Doch zeigt wie so oft die Geschichte, dass es anders gekommen ist.
Das 160 Seiten starke Büchlein sei nicht nur Musikfreunden anempfohlen, oder Dresden-Fans, sondern allen, die die Kunst mögen, sich für das Höfische Leben interessieren und die sich zudem gerne einfach nur unterhalten und amüsieren. Ralf Günther liefert eine perfekte Geschichte für zwischendurch, bei der man neben dem Unterhaltungswert auch noch einiges über Hof und Höfisches lernt. Das ist fein beobachtet und wohl formuliert und macht Neugier auf mehr aus der Feder des Autors. Ein sehr harmonisches Buch, das nur zu gern weiter empfohlen werden kann.
Ralf Günther, Kindler
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