Gut Greifenau - Bd. 1: Abendglanz
- Droemer-Knaur
- Erschienen: November 2018
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- Droemer-Knaur, 2018, Titel: 'Gut Greifenau - Abendglanz', Originalausgabe
Beginn einer vielversprechenden Familiengeschichte
Im Jahr 1913 ist für die Grafenfamilie Auwitz-Aarhayn, die auf ihrem stattlichen Landgut in Hinterpommern lebt, die Welt in bester Ordnung. Doch diese Ordnung gerät für die gesamte Familie ins Wanken, als der Familienpatron Donatus bei einem tragischen Unfall ums Leben kommt. Plötzlich soll sein Sohn Adolphis das Gut leiten. Doch dieser hat sich für diese Dinge noch nie sonderlich interessiert. Sein ältester Sohn Konstantin hat soeben sein Studium der Landwirtschaft beendet und hat viele Ideen, wie man die Arbeit auf dem Gut modernisieren und verändern könnte. Doch er kämpft nicht nur gegen seinen Vater an, der am liebsten möchte, dass alles wie gehabt und ohne großen Arbeitsaufwand seinerseits weiterläuft, sondern auch gegen den alten Gutsverwalter Thalmann, der vom Einsatz moderner Maschinen in der Landwirtschaft gar nichts hält.
Gräfin Feodoras Trauer um den Schwiegervater hält sich in Grenzen. Ihre Sorge gilt einzig, dass sie durch die Trauer im gesellschaftlichen Leben eingeschränkt ist. Ihr ganzes Schaffen gilt derzeit, zwei ihrer fünf Kinder besonders vorteilhaft zu verheiraten. Zum einen ihren Erben, Konstantin, der keinerlei Anstalten macht, ein standesgemäßes Mädchen zu umwerben. Und andererseits ihre jüngste Tochter Katharina. Sie ist zwar erst dreizehn, aber der Neffe des deutschen Kaisers, Ludwig von Preußen, zeigt sich interessiert. Aber beide Kinder haben ganz andere Pläne. Konstantin ist in die Bürgerliche Rebecca Kurscheidt verliebt, die als Dorflehrerin in Greifenau arbeitet. Allerdings ist diese Liebe ein Spiel mit dem Feuer. Die überzeugte Sozialistin ahnt nicht, dass es sich bei ihrem Liebsten um den Erben Greifenaus handelt, denn er hat sich als Kutscher des Gutes bei ihr vorgestellt. Und auch Katkas Interessen liegen woanders. Sie ist in Julius verliebt. Er ist der Sohn eines Großindustriellen und somit beim alten Adel trotz all seines Geldes als nicht standesgemäß angesehen. Somit kommen viele Probleme auf die Familie zu. Auch der neue Kutscher, Albert Sonntag, wird von einem besonderen Geheimnis umgeben, welches für die Familie noch unangenehm werden könnte. Und außerdem ist der Ausbruch des Ersten Weltkrieges nur noch eine Frage der Zeit.
Vergleich mit Downton Abbey durchaus berechtigt
Die Trilogie der Autorin Hanna Caspian wird oft mit der bekannten Fernsehserie Downton Abbey verglichen und in der Tat gibt es da viele Parallelen. Auch hier wird einem der große Unterschied zwischen Arm und Reich sehr deutlich vor Augen geführt. Während die Familie Auwitz-Aarhayn im oberen Teil ihres Anwesens Greifenau lebt, führen die Dienstboten im unteren Teil des Hauses ein ganz anderes Leben. Es wird sehr deutlich, dass in der damaligen Zeit der Weg eines Menschen unabänderlich schon durch seine Geburt festgelegt wurde. Wer in eine arme Familie geboren wurde, wird sein Leben lang ein Diener der gehobenen Schicht sein. Und egal wie fleißig oder klug jemand ist, wird er nie einen Aufstieg schaffen.
Diese Ungerechtigkeit macht auch so manchem Bediensteten auf Gut Greifenau zu schaffen. Ihr Leben lang heißt es zehn bis zwölf Stunden arbeiten und der adligen Familie zu Diensten sein. Letztendlich muss man dankbar sein, so eine Anstellung gefunden zu haben. Wer das Glück hat, in eine adlige Familie geboren worden zu sein, führt zwar ein scheinbar sorgloses Leben, aber auch ihnen sind durch bestimmte Vorgaben Grenzen gesetzt. So dürfen zum Beispiel die jüngeren Kinder Katharina und Alexander nie wirklich Kind sein. Sie werden von Anfang an von Kindermädchen und Hauslehrern erzogen und dabei zählen nur gesellschaftliche Etikette und nicht individuelle Wünsche der Kinder. Diese gesellschaftlichen Unterschiede werden perfekt von der Autorin dargestellt. Auch die Tatsache, das Geld nicht gleich Geld ist, kann Frau Caspian wunderbar vermitteln. So möchte der alte deutsche Adel doch keinesfalls mit den sogenannten Neureichen, die durch den industriellen Wandel wohlhabend geworden sind, auf eine Stufe gestellt werden. Auch wenn diese teils mehr Geld als sie selbst besitzen, wird über diese Familien, wie zum Beispiel die Familie Urban, die Nase gerümpft und man meint aufgrund des alten Adelstitels mehr wert zu sein.
Charaktere zumeist entsprechend ihrem Klischee gezeichnet
Im Roman kommt eine Vielzahl an Personen vor. Damit man hier nicht den Überblick verliert, ist das Personenregister am Anfang des Buches sehr hilfreich. Die Gräfin Feodora ist fast schon zu überzogen dargestellt. Sie wirkt äußerst arrogant und hochnäsig. Für sie zählt nur gesellschaftliches Ansehen. Sehr gerne spielt sie auch die Tatsache zu ihren Vorteil aus, dass sie selbst weitläufig verwandtschaftliche Verbindungen zur russischen Zarenfamilie hat. Ihr einziges Ziel ist es, Katharina mit Ludwig von Preußen zu verheiraten. Obwohl auch ihr durch bestimmte Vorkommnisse bewusst wird, dass mit diesem Herrn etwas nicht stimmt, treibt sie ihr Vorhaben gnadenlos voran. Das Wohlergehen ihrer Tochter Katharina zählt nichts, wenn man dagegen die Verbindung ihrer Familie mit der Kaiserfamilie sieht und die Vorteile, die sich damit für sie ergeben werden.
Konstantin ist ein sehr sympathischer Charakter. Er vertritt nicht die angestaubten Ansichten seiner Mutter. Er ist sehr modern eingestellt, sowohl in der Führung des Gutes als auch was die gesellschaftlichen Vorgaben betrifft. Doch auch er hat es schwer und ist unglücklich in diesem Standesdenken. Noch gelingt es ihm nicht wirklich gegen dieses strenge Klassendenken zu rebellieren. Auch seine beiden jüngeren Geschwister Katharina und Alexander fühlen sich in ihren vorgegebenen Rollen unglücklich und versuchen dagegen aufzubegehren.
Fiktive Personen, aber ein Abbild der Gesellschaft
Auf der anderen Seite beeindrucken die Personen des Kutschers und der Dorflehrerin besonders. Beide wirken sehr sympathisch und vertreten vehement ihre Ansichten. Der Kutscher Albert Sonntag agiert im Hintergrund. Doch aufgrund seines besonderen Geheimnisses liegt noch einiges Potenzial in seinem Charakter. Er ist sehr gerecht und steht für andere, wenn ihnen Unrecht geschieht, ein. Ihm hat der junge Stallbursche Eugen einiges zu verdanken. Auch die Figur der Rebecca Kurscheidt ist interessant. Insgeheim Sozialistin, will sie die Klassenunterschiede nicht wirklich akzeptieren und kämpft vehement und mit ganzem Einsatz für die Dorfbewohner und ihre Belange. Bei ihnen und einigen anderen beteiligten Charakteren kann man auf ihre Entwicklung gespannt sein.
Die Familie Auwitz-Aarhayn ist zwar fiktiv, aber sicher gab es Dutzende andere Familien zur Kaiserzeit die ihnen und ihrem Leben ähneln. Die Autorin hat aber diese fiktive Geschichte auf bemerkenswerte Weise mit den gut recherchierten historischen Fakten rund um die Geschehnisse, die zum Ersten Weltkrieg geführt haben, verwoben.
Einige Handlungsstränge und alle bleiben am Ende offen
Der Schreibstil ist lebhaft und unterhaltsam. Das Buch liest sich flüssig weg. Es wird zu keinem Zeitpunkt langweilig. Das liegt auch daran, dass viele verschiedene Handlungsstränge parallel laufen. Der Wechsel ist aber übersichtlich im Romanverlauf eingebaut. Am Ende bleiben viele Fragen offen und man darf gespannt sein, wie der ein oder andere Verlauf im nächsten Teil fortgesetzt wird.
Das Buch ist beim Knaur Verlag erschienen. Das Cover ist ansprechend gestaltet. Im Vordergrund steht eine adlige Dame, die den Beschreibungen nach gut und gerne Gräfin Feodora sein könnte. Im Hintergrund sieht man ein herrschaftliches Anwesen. Die vorherrschenden Farben sind Sepiatöne und harmonieren sehr gut mit dem metallisch gehaltenen Schriftzug des Titels. Leider hat sich dieser jedoch beim Lesen abgegriffen und entfernt.
Fazit:
Ein vielversprechender Auftakt einer Familientrilogie mit viel Potenzial für die nachfolgende Geschichte. Das offene Ende lässt den Leser mit einem gemeinen Cliffhanger zurück...
Hanna Caspian, Droemer-Knaur
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