Roter Rabe

  • dtv
  • Erschienen: Dezember 2018
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  • dtv, 2018, Titel: 'Roter Rabe', Originalausgabe
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Jörg Kijanski
851001

Histo-Couch Rezension vonFeb 2019

Der Kalte Krieg und die Angst vor der Atombombe

Dresden im September 1951. Bei einer Aktion des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR (MfS) werden zwei Mitglieder der Wachturmgesellschaft verhaftet. Kurz darauf sind sie tot, angeblich Selbstmord. Das Ministerium für Staatssicherheit der UdSSR (MGB) unterstellt den deutschen Kräften jedoch, dass die Zeugen Jehovas womöglich ermordet wurden.

„Wäre es Mord, müssten wir alle um unsere Posten fürchten.“

„Und um unsere Leben. Die würden uns allesamt Verrat vorwerfen.“

Oberkommissar Max Heller ermittelt mit seinen Kollegen Werner Oldenbusch und Peter Salbach in den Reihen der Sekte, deren Mitglieder sich ebenso wortkarg wie seltsam verhalten. Erste Spuren führen zu einer Explosion in einem Kraftwerk, die sich zwei Monate zuvor ereignete. Weitere Menschen sterben unter merkwürdigen Umständen und es scheint, als sei der Mörder seinen Verfolgern immer mindestens einen Schritt voraus. Heller hat ein weiteres Problem, denn zwischen MfS und MGB herrscht großes Misstrauen. Wer verfolgt hier welche Ziele, wem kann man trauen und was hat es mit dem Gerücht auf sich, dass ein amerikanischer Agent, von den Russen „Rabe“ genannt, in Dresden aktiv ist? Der Kalte Krieg ist allgegenwärtig, doch droht tatsächlich die Gefahr einer Atombombe? In Dresden?

Wiedersehen mit einem alten Bekannten und viel Privatleben

In seinem vierten Fall der Max-Heller-Reihe entführt Autor Frank Goldammer, dessen Serie den Vergleich mit den Berlin-Krimis von Volker Kutscher keineswegs scheuen muss, seine Leser in das Dresden des Jahres 1951. Der Aufbau der Stadt schreitet weiter voran, doch noch immer herrscht Mangel an Nahrung, Kleidung und Werkstoffen. So gerät schließlich auch Werner Oldenbusch in das Visier des MfS, nachdem dessen Freundin sich völlig unerwartet in den Westen abgesetzt hat. Selbst Max Heller ist in leichter Unruhe, denn er bleibt allein mit seiner Pflegetochter Anni in Dresden zurück, nachdem seine Frau Katrin überraschend eine Besuchserlaubnis für ihren Sohn Erwin in Köln erhalten hat. Zwei lange Wochen stehen bevor und damit die Frage im Raum, ob seine Karin zurückkommen oder den Verlockungen des Westens erliegen wird. Das eine junge Frau bei Frau Marquardt, der inzwischen leicht senilen Hausbesitzerin, einzieht, macht es nicht besser, denn Hellers Argwohn wird geweckt. Viel Zeit zum Nachdenken bleibt indessen nicht, da weitere rätselhafte Todesfälle die Ermittler vollends beanspruchen.

„Heller, ganz unter uns. Wir wissen, dass vieles noch nicht funktioniert, dass es Versorgungsengpässe gibt. Der Amerikaner füttert den Westen, macht ihn satt und hörig, und es wächst ein neuer Imperialismus, der den Krieg will, weil er vom Krieg lebt. Warum sonst ist Krieg in Korea? Wir hier müssen für den Frieden kämpfen, mit allen Mitteln. Wir müssen aus den Fehlern der Weimarer Republik lernen und diesen ersten deutschen sozialistischen Staat mit allem schützen, was wir aufbieten können.“

Die Lage scheint sich zusätzlich zu verkomplizieren, als Heller den ehemaligen Politkommissar Alexej Saitzev wiedersieht, mit dem er 1945 zusammengearbeitet hat (siehe „Der Angstmann“). Damals war der junge Russe voller Hass, doch jetzt wirkt er völlig neben sich. Er hat einen geheimen Auftrag, arbeitet offenbar für das MGB und gibt Heller etliche Rätsel auf. Neben der Wachturmgesellschaft spielen die Uranerzvorkommen in den Bergbauminen des Erzgebirges eine Rolle, da dieses spezielle Erz für den Bau der Atombombe benötigt wird.

„Max, der Kalte Krieg ist viel schwieriger als der andere Krieg. Hier kämpft man an vielen Fronten und weiß nicht, ob der Feind wirklich der Feind und der Freund wirklich Freund ist. Man darf niemanden Vertrauen schenken, man muss wachsam sein. Ohne Unterlass.“

Wie schon bei den Vorgängern führt Frank Goldammer seine Leser großartig in die damalige Zeit, versteht es gekonnt, die im Hintergrund stets latent präsente Gefahr durch das Wirken der Geheimdienste sowie des neuen Staatsapparates einzufangen. Misstrauen und Paranoia, gepaart mit den Ängsten des Kalten Krieges. Spannende Zeitgeschichte mit kniffligem Rätsel und (vielleicht) nicht ganz so überraschender Auflösung bezüglich der Identität des „Raben“, wenngleich hier eine gute Finte gelegt wird.

Fazit:

Wer sich für die Jahre der deutschen Nachkriegsgeschichte und vor allem für die Anfänge der DDR interessiert, kommt an dieser großartigen Serie nicht vorbei.

Roter Rabe

Frank Goldammer, dtv

Roter Rabe

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