Die Glocke im See
- Insel
- Erschienen: Januar 2019
- 2
- Insel, 2018, Titel: 'Søsterklokkene', Originalausgabe
Träume und Hoffnungen
Astrid ist jung und voller Träume. Sie will mehr vom Leben, als für sie vorgesehen ist. Sie ist intelligent, lernt Lesen und Schreiben und bekommt auf diesem Wege Kontakt zu Außenwelt. Aber damit beginnt auch ihre Hoffnung auf ein anderes Leben. Nicht nur das von Arbeit, Kinder bekommen und noch mehr Arbeit, um dann früh zu sterben, wie ihre Vorfahren in diesem beschaulichen Dorf in Norwegen. Es ist das Jahr 1880, als für die junge Bauerntochter die Zukunft beginnt.
Lars Mytting erzählt eine Geschichte, die im Norwegen des 19. Jahrhunderts angesiedelt ist. Der verschlafene Ort Butangen scheint den Anschluss an die Zeit verpasst zu haben. Aber dann kommt ein neuer Pfarrer und mit ihm auch eine Chance auf die Welt. Für Astrid scheint es jedenfalls so zu sein. Erst vermittelt der Priester ihr Wissen und weckt ihre Neugierde und dann kommt auch noch ein Architekturstudent und zeichnet ihre Kirche. Für Astrid stellt sich die Frage, welchem der beiden Männer gilt ihre Zuneigung mehr? Wer kann ihren Hunger nach Wissen und der Welt stillen? Was bringt ihre Zukunft?
Traurig, düstere Spannung
Das beschauliche Dorf lässt Mytting lebendig werden und erzeugt gleichzeitig eine traurige, düstere Spannung. Im Mittelpunkt seiner Geschichte stehen aber nicht nur die Menschen, er erzählt die Geschichte der Kirchenbaukunst in Norwegen und dies auf eine Weise, dass man das Buch eigentlich nicht zur Seite legen möchte. Gerade oben im Norden gibt es eine ganz spezielle Art Kirchen zu bauen. Die Architektur dieser sogenannten Stabkirchen ist etwas Besonderes. Dem Autor ist es gelungen, die Geschichte dieser Bauwerke einzufangen. Er erzählt davon, wie diese Kirchen errichtet wurden und noch mehr davon, wie die Menschen mit ihnen umgegangen sind. Auf schon fast mystische Weise erzeugt er dabei eine düstere und gleichzeitig faszinierende Atmosphäre. Gekonnt hat er mystische Sagen dieser Region mit dem Weltgeist des Jahres 1880 verwoben. Während in den großen Städten sprichwörtlich das Licht anging - es wurden Straßenlaternen mit Gas betrieben, das erste elektrische Licht fand seinen Weg - bleibt es in diesem kleinen Dorf dunkel und kalt. Gerade Astrid spürt den neuen Zeitgeist deutlich, sie will mehr von diesen Dingen sehen und nicht nur in der Zeitung davon lesen.
Aberglaube und Moderne
Mytting ist es gelungen, die Sagenwelt mit der Moderne dieser Epoche zu verbinden. Der Glaube der Menschen ist tief verwurzelt und vor allem der Aberglaube weit verbreitet. Hier hat sich das Christentum regelrecht mit der alten Götterwelt vereint und genau dies hat der Autor eingefangen und authentisch wieder gegeben. Er erzeugt eine stimmige Atmosphäre. Das Leben hat die Menschen geprägt, ihr Verhalten über die Jahrhunderte anerzogen und sie sind nicht in der Lage aus dem gewohnten auszubrechen. Erst als der neue Pfarrer seinen Dienst antritt, beginnt sich langsam etwas zu ändern. Nur ob die Einwohner Butangens diese Änderung auch zulassen, ist fraglich. Ihre Hoffnungen und Sehnsüchte hat Lars Mytting glaubhaft in Szene gesetzt.
Der Sprachstil ist ein wenig altertümlich und gleichzeitig frostig, aber er passt zu der Geschichte und erzeugt eine wohl nordische Stimmung. Seine Protagonisten hat Mytting mit so einigen Ecken und Kanten gestaltet. Sie haben ihre Sorgen mit dem Leben und genau daran lässt der Autor die Leser teilhaben. Es ist ihm gelungen, ein glaubhaftes Bild dieser Zeit zu zeichnen und dabei auch eine Liebesgeschichte zu erzählen, die traurig und schön zugleich ist.
Fazit:
„Die Glocke am See“ erzählt die Geschichte einer Kirche, von den Menschen dieser Zeit, aber auch von Liebe und der Hoffnung auf ein besseres Leben. Dieser Roman klingt noch nach, wenn die letzte Seite gelesen ist. „Die Glocke am See“ ist zwar der Auftakt zu einer Trilogie, könnte aber durchaus für sich allein stehen. Die Geschichte ist abgeschlossen und lässt keine Fragen offen.
Lars Mytting, Insel
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