Das Modehaus - Töchter der Freiheit

  • Blanvalet
  • Erschienen: Februar 2019
  • 1
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Rita Dell'Agnese
701001

Histo-Couch Rezension vonMär 2019

Mit den Zeiten Jonglieren

Drei Frauen, die der Mode verbunden sind – und das zu ganz unterschiedlichen Zeiten. Da ist zum einen die Grossmutter Fanny, die in den 1920er Jahren davon träumt, unkonventionelle Mode zu schneidern, von ihrer Mutter aber wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt wird. Fanny kann aber ihren Traum nicht vergessen und verlässt eines Tages die Familie, um sich ganz der Mode zu widmen. Allerdings nicht als Designerin wie einst erträumt, sondern als Mannequin. Fannys Tochter Lisbeth hat ganz andere Sorgen. Sie steht 1946 vor dem Nichts. Ihr Mann kehrt aus dem Krieg nicht zurück, das Modehaus der Familie scheint im von Bomben zerstörten Frankfurt dem Untergang geweiht. Doch mit ihren zähen Bemühungen schafft es Lisbeth, das Modehaus zu seiner Blüte zurück zu führen. Sie setzt unter anderem auf Modeschauen und lernt dabei einen Mann kennen, dem sie ihr Herz wieder öffnen kann. Doch da holt die Vergangenheit Lisbeth ein. Nicht viel anders geht es schliesslich der dritten Generation. Lisbeths Tochter Rieke muss in den 70er Jahren zusehen, wie das Modehaus der Familie an ihren Bruder Martin geht, obwohl er damit nicht viel anfangen kann. Während Rieke sich auf ihr Leben an der Seite ihres Mannes konzentriert, bringt Martin das Unternehmen ins Schlingern und verlässt kurz vor dem totalen Zusammenbruch Deutschland. Gegen den Wiederstand ihres Mannes Joachim packt Rieke die Sache an und versucht, das Modehaus zu retten.

Drei unterschiedliche Geschichten

Julia Kröhn legt ihrer Geschichte drei Frauenschicksale zugrunde, die sich zwar gleichen, aber denn doch von der jeweiligen Epoche geprägt, ganz unterschiedlich sind. Jede dieser Geschichten ist für sich durchaus spannend und hat grosses Potenzial. Das hin und her zwischen den drei verschiedenen Zeitebenen aber tut dem Roman nicht gut. Nach verhältnismässig kurzen Sequenzen werden die Leser immer wieder aus dem Fluss gerissen und in eine andere Epoche katapultiert. Zwar hängen die drei Protagonistinnen familiär zusammen, doch muss jede für sich mit anderen Widerständen kämpfen und ist anderen Gesetzmässigkeiten ausgeliefert. Das macht den Roman zu einem grossen Flickenteppich, der nirgends in einem gut zusammenhängenden Stück eine gewisse Ruhe hineinbringt. Die Leser müssen sich immer wieder in die andere Epoche hinein finden, tingeln mal durch die 20er Jahre, finden sich dann in den 40ern wieder und landen in den 70ern. Das macht das Eintauchen fast unmöglich, die Nähe zur Geschichte geht verloren und man schwimmt mehr oder weniger an der Oberfläche von einer Zeitinsel zur anderen.

Starke Charaktere

Eine Stärke von Julia Kröhn sind ausgereifte und gut gezeichnete Protagonisten. Das ist hier auch nicht anders. Die drei Frauen haben alle ihre eigenen Qualitäten, die sie in einer Krisensituation entwickeln müssen. Sie beweisen Mut und Geschick sowie ein gutes Gespür für die Mode. Das kommt deutlich zum Ausdruck. Sehr gut gelungen ist auch das jeweilige Bild der beschriebenen Epoche. Ob nun der Lebenshunger der 20er Jahre, die Aufbau-Stimmung der Nachkriegsjahre oder das erste Ablaufen der Wirtschaft in den 70er Jahren thematisiert ist, alles passt wunderbar zusammen und zeigt dem Leser ein umfassendes Bild jener Epoche an. Hier liegt auch die klare Stärke des Romans: Die drei verschiedenen Zeitebenen stehen im Vergleich, anhand der Schicksale von Grossmutter, Mutter und Tochter lässt sich die gesellschaftliche Entwicklung jener Zeit gut nachvollziehen. Wer davon ausgegangen ist, dass das Unternehmen selbst – das im Titel ja die Hauptrolle zu spielen scheint – eine zentrale Funktion einnimmt, sieht sich schnell getäuscht. Der Roman handelt klar von den drei Generationen und könnte problemlos auch als gesellschaftskritische Geschichte gesehen werden.

Einige Längen

Wohl im Bestreben, alle drei Teile in etwa gleich langz zu getalten, sind in den einzelnen Kapiteln etliche Länge auszumachen, die den Lesefluss hemmen. Oft geht die Autorin Juli Kröhn stark ins Detail, dann wiederum unterbricht sie eine Schilderung abrupt, um sich einer neuen Zeitebene zuzuwenden. Dadurch bleibt die Geschichte eine Sache ohne Biss. Man wünschte sich etwas mehr Tempo, eine klare Gliederung – wieso nicht die drei Schicksale als Trilogie deklarieren und sich pro Ausgabe mit nur einer einzigen Epoche beschäftigen? – und auch ein wenig mehr Tempo im Ganzen.

Fazit:

Dass Julia Kröhn eine versierte Autorin ist, beweist sie auch in diesem Roman, keine Frage. Aber sie hat in „Das Modehaus“ zu viel hineingepackt und bewegt sich damit während des ganzen Buches stark an der Grenze. Nicht nur einmal ist man versucht, das Buch mit einem Seufzen beiseite zu legen und das Modehaus seinen Weg gehen zulassen.

Das Modehaus - Töchter der Freiheit

Julia Kröhn, Blanvalet

Das Modehaus - Töchter der Freiheit

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