Vespasian - Bd. 4: Der gefallene Adler
- Rowohlt
- Erschienen: Februar 2019
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Die Römer erobern Britannien
Rom, 41 n. Chr. Vier Jahre ist Kaiser Caligula im Amt, und da er sich als Schreckensherrscher erwiesen hat, beschliessen die Prätorianer, ihn zu töten. Sein Nachfolger wird als einziger männlicher Verwandter dessen Onkel Claudius, ein sabbernder und stotternder Mann, der stets Angst um seine Sicherheit hat und allen und jedem Misstrauen entgegenbringt. Dieser schickt Vespasian und seinen Bruder Sabinus nach Germanien, um dort den Adler der 17. Legion wiederzufinden, der einst bei der Varusschlacht verlorenging. Mit diesem will er sich schmücken und sich beim Volk beliebt machen.
Claudius will zudem vollenden, was einst Gaius Julius Caesar nicht gelang: Sich dauerhaft in Britannien festsetzen und die Insel erobern. Hierzu bedarf es einer riesigen Streitmacht und den verlorenen Adler als Motivation für die unzähligen Heere, die schließlich zwei Jahre später in Britannien einfallen, um Claudius‘ Ruhm und den Roms zu mehren und die britannischen Eingeborenen zu unterwerfen. Mit einer taktischen Meisterleistung landen sie schließlich an der Südküste und siegen über die zahlenmäßig überlegenen Briten. Doch im Hintergrund bringen sich bereits Intriganten in Stellung, allen voran Claudius‘ Schwager Corvinus, mit dessen Schwester Messalina Kaiser Claudius verheiratet ist…
Gut recherchiert
Seinen vierten Vespasian-Roman „Der gefallene Adler“ beginnt Robert Fabbri mit einer kurzen, aber prägnanten Episode, in der er den Mord an Kaiser Caligula beschreibt, in den Vespasians Bruder Sabinus mit verwickelt ist (es ist aber fraglich, ob das historisch tatsächlich so war, siehe hierzu auch im ausführlichen Nachwort des Buches). Daraufhin, und um sie zu schützen, werden Sabinus und Vespasian nach Germanien geschickt, um den letzten der drei verlorenen Adler der Varus-Katastrophe aus dem Jahr 7 nach Christus zu beschaffen. Drahtzieher ist Narcissus, ein Freigelassener Sklave und Claudius‘ Sekretär, der sich mehr und mehr Macht aneignet und im Hintergrund die Fäden des Kaisers zieht.
Fabbri hat sehr gut und intensiv recherchiert und schreibt die Geschichte fort, in dem historisch unklare Fäden logisch miteinander verwebt und keine Lücken offen lässt. So kann der Leser dem Geschehen folgen, ohne sich fragen zu müssen, wieso und warum und ob das denn wirklich alles so gewesen ist. Er erklärt die politischen Verhältnisse, die in diesem Metier nicht unwichtig sind, und bringt Licht ins zahlreich vorhandene Personal. Dass man mit den Namen gelegentlich durcheinander kommen kann, weil einige Beteiligten ähnlich heissen, ist nicht seine Schuld, denn so war es halt, aber wenn man gut aufpasst, dürfte das für den geneigten Leser keine Schwierigkeit sein.
Nichts für zarte Gemüter
Viel Gewicht wird in dem Roman auf die zu schlagenden Schlachten gelegt, mehr noch als bei den Vorgängerromanen. Besonders der zweite Teil, die Eroberung Britanniens, ist nahezu ein Schlacht mit mehreren Facetten, aber es war eine großangelegte Schlacht mit schier unzählbaren (historisch etwa 40.000 auf der römischen Seite und wenigstens dreimal so viele auf der britannischen) Soldaten, eingeteilt in Legionen und Auxiliartruppen (aus Nicht-Römern bestehende Heere). Fabbri bringt dem Leser gut die Taktik nahe, mit der die Eroberung der Insel beziehungsweise deren Beginn gelingen sollte, und er spart auch nicht an blutigen Details, die streckenweise nichts für zart besaitete Leser sein dürfte, wobei fraglich ist, ob diese überhaupt zu so einem Roman greifen werden.
Erklärt wird neben der Taktik auch die Überlegenheit der Römischen Armee und warum sie zu dieser Zeit unbedingt siegen musste. Es war wohl die Disziplin, der Wille zu siegen und zum Unterwerfen und eine Taktik, in der jeder genau weiss, welche Rolle er zu spielen hat. Schildwälle sin wohl immer noch das beste Mittel, gegen eine Horde wild durcheinander kämpfender Gegner zu bestehen, und eine gute Ausbildung macht sich am Ende auch immer bezahlt. Dass es natürlich innerhalb des Führungsstabes immer wieder zu kleinen Reibereien kommt, dürfte sich von selbst verstehen. Besonders, wenn einer der führenden Legaten der Schwager des Kaisers ist und nur deswegen an der Spitze einer Legion steht...
Zwar ist Claudius am Ende erst zwei Jahre Kaiser, aber es schadet ja nicht, sich schon einmal Gedanken zu machen, wer denn sein Nachfolger werden würde, zumal sein einziger legitimer Sohn erst drei Jahre alt ist und den Namen Britannicus bekommen hat. Ob die familiäre Linie dann noch besteht, weiß man nicht, und irgendwer muss ja schließlich Kaiser sein, daher kann es möglich sein, dass die julische Dynastie irgendwann nicht mehr existiert. Und dann…
Realistische Darstellungen
Fabbri gelingt es, seine Protagonisten mit Ecken und Kanten zu beschreiben, niemand ist nur gut oder böse oder schwarz oder weiß. Selbst Intriganten wie Narcissus haben eine Seite, die sie Vespasian für sich einnehmen lassen, aber manche Dinge versteht man erst im Nachhinein, und diese Überraschungen sorgen für das Salz in der reichlich blutangereicherten Suppe. Daneben fehlt auch eine gehörige Prise Humor nicht, teils ironisch, teils sarkastisch, wofür meist Vespasians Freund und Zivilist Magnus zuständig ist, der zwar schon in Germanien gekämpft hat, aber noch nicht in Britannien, was allein ein Grund für ihn ist, mitzukommen und so für den Stimmungsaufheller im Roman sorgt.
Vespasians Weg zum Kaiser wird sich noch eine Weile hinziehen, aber er taucht weiter in das politische Geschehen und Denken ein und träumt nicht mehr so oft von einem Haus auf einem Weinberg wie in den anderen Romanen. Der Roman beschreibt zwei wichtige Steine auf seinem Weg nach Rom und spart nicht an Blut und Kämpfen. Er ist trotz allem spannend und macht Neugier darauf, seinen weiteren Weg in den Folgebänden mitzugehen.
Fazit:
Wer sich für die Geschichte der Römischen Antike interessiert, fährt mit dieser Reihe gut und sicher und verfolgt mit Vespasian einen ihrer wichtigsten Protagonisten über einen relativ langen Zeitraum. Man lernt viel über Traditionen und Regeln im System und ist mittendrin bei den wichtigsten Schlachten der Antike und bei der Erweiterung des Römischen Reiches. Geschichte zum Anfassen pur. Die Bücher sind spannend und wahre Pageturner – wenn man auf Schlachten steht, denn davon gibt es in diesem Roman reichlich. Alle anderen Leser können gerne die Finger von dieser Reihe lassen. Der Rest wird sich auf wenigstens fünf weitere Teile freuen.
Robert Fabbri, Rowohlt
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