In der Mitte der Nacht
- Heyne
- Erschienen: Mai 2019
- 1
Kleider machen Leute
Es ist September des Jahres 1348, in Südengland grassiert immer noch die Pest. Lady Anne of Develish hat dafür gesorgt, dass die Bewohner ihrer Dörfer in Sicherheit sind. Ihr Gut ist von der Außenwelt isoliert und niemand darf ohne eine Quarantäne ihr Anwesen betreten. Gemeinsam mit den Menschen, die ihr anvertraut sind, schaffen sie sich eine neue Welt, aber die Lebensmittel werden langsam knapp. Aus diesem Grund macht sich der Verwalter von Lady Anne auf den Weg, um Vorräte zu beschaffen. Thaddeus wurde als Leibeigener geboren, so ist es ihm aber nicht möglich, für die Gemeinschaft einzustehen. Lady Anne ersinnt ihm einfach einen Stammbaum. Ab diesem Zeitpunkt nennt sich Thaddeus nun Milord of Athelstan. Beide sind sich der Gefahr bewusst, dass dieses Handeln schwere Strafen nach sich ziehen könnte, denn es ist bei Todesstrafe verboten, sich einen Adelstitel anzueignen. Aber nur so können sie ihr Überleben sichern und auf eine freie Zukunft hoffen. Werden sie ihre Ziele erreichen?
Logische Weiterführung zum ersten Band
Der Roman ist die Fortsetzung zu „Die letzte Stunde“ und schließt direkt an den Vorgänger an. Auf den ersten Seiten befinden sich Karten von Develish und den Ortschaften, die die Protagonisten aufsuchten. Außerdem gibt es eine umfassende Zusammenfassung des ersten Buches. Der Leser kann somit seine Erinnerung auffrischen, um dann direkt wieder in Develish anzukommen. Trotz dieser Zusammenfassung empfiehlt es sich aber, den ersten Teil gelesen zu haben. Die Zusammenhänge werden klarer, da der Handlungsverlauf eine logische Weiterführung zu Teil 1 ist.
Die große Pestwelle des Jahres 1348 in England ist historisch überliefert und hat viele Leben gekostet. Die Landschaft war danach wie leer gefegt. Es gab nur noch wenige Menschen, die die Ernten einbringen konnten, somit folgte auf die Krankheit eine Hungersnot. Mit diesem Ereignis hatten die Einwohner nicht nur ihre Lieben verloren, sondern auch ihre Lebensperspektive. Minette Walters erzählt eine Geschichte von Menschen, die um ihr Überleben kämpften, allerdings aus einer eher ungewöhnlichen Perspektive. Die Menschen in Develish erhalten die Chance, sich ihr Leben neu zu gestalten. Lady Anne möchte ihren Leibeigenen die Möglichkeit geben, frei zu sein. Nicht jeder in dieser Region Englands ist damit einverstanden. Außerdem macht sie Thaddeus zu ihrem Verwalter. Er ist einer jener Leibeigenen und in den Augen anderer dafür nicht geeignet. Dass auch Menschen von niederer Herkunft intelligent sein können sowie lesen und schreiben und einiges mehr lernen können, stellen die Protagonisten hier unter Beweis. Während im ersten Teil die meisten Protagonisten fast noch Kinder sind, werden sie nun erwachsen. Sie beweisen sich, lernen und wachsen als Gemeinschaft zusammen. Überhaupt spürt man deutlich, dass die einzelnen Charaktere sich wandeln und an Tiefe gewinnen.
Mehr Freiheit für alle
Erst als Thaddeus beschließt, das Anwesen zu verlassen und bei dem Lehnsherren von Lady Anne den Wunsch äußern möchte, ein anderes jetzt verwaistes Anwesen zu übernehmen, fangen die Schwierigkeiten an. Eindrucksvoll schildert die Autorin, wie aus Kleidern Leute gemacht werden. Wer eine Livree trägt, wird einem Herren dienen, wenn dieser Herr dann auch stattlich gekleidet ist und wortgewandt spricht, wird man in ihm den Adligen sehen. So war der Gedanke von Thaddeus und Lady Anne, leider haben sie nicht mit der Missgunst einiger Mitmenschen gerechnet. Es kommt, was kommen musste, jemand macht ihnen einen Strich durch die Rechnung.
Fazit:
„In der Mitte der Nacht“ ist eine gelungene Fortsetzung und erzählt davon, zu was Menschen fähig sein können. Dieser historische Roman erzählt eine eher ungewöhnliche Geschichte. Die Dialoge und Gedankengänge der Protagonisten werden ausführlich beschrieben und ihr Handeln bis ins kleinste Detail herausgearbeitet. Dadurch wirken die Charaktere aber auch lebendig und echt. Dies ist kein gewöhnlicher historischer Roman, und wer sich erst einmal auf diese Geschichte eingelassen hat, wird mit einem guten Buch belohnt.
Minette Walters, Heyne
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