Gut Greifenau - Bd. 2: Nachtfeuer
- Droemer-Knaur
- Erschienen: Dezember 2018
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Großartige Fortsetzung der Familiensaga
Im August 1914 findet ein großes Naturereignis statt - eine Sonnenfinsternis. Genauso finster ist die Gegenwart, der die Menschen aktuell entgegengehen. Der Erste Weltkrieg hat begonnen. Junge Männer bangen, wann wohl ihr Einberufungsbescheid kommt. Genauso ergeht es dem ältesten Grafensohn Konstantin. Auch er muss an die Front, obwohl er mit der Führung des Gutes beschäftigt ist. Diese Aufgabe muss von nun an sein Vater Adolphis allein bewältigen. Doch dieser ist damit komplett überfordert und schon bald ist das Gut hochverschuldet. Umso wichtiger ist es für die Familie Auwitz-Aarhayn die angestrebte Vermählung von ihrer jüngsten Tochter Katharina und dem Kaiserneffen Ludwig unter Dach und Fach zu bringen. Katharina stößt mit ihren Anschuldigungen gegen Ludwig bei ihren Eltern auf taube Ohren. Außerdem liebt sie insgeheim immer noch den Industriellensohn Julius.
Der Krieg dauert länger als alle angenommen haben. Während die Grafenfamilie noch weitestgehend ihr opulentes Leben aufrecht erhalten kann, trifft es die Zivilbevölkerung immer härter. Der Mangel an Lebensmittel und Heizmaterial erschwert das Dasein, zu allem kommt die Angst, dass die eigenen Lieben eingezogen, verletzt oder gar getötet werden. Erschwerend kommt hinzu, dass die Männer, die nun als Soldaten an der Front stehen, als Arbeitskraft fehlen und andere nun doppelt soviel leisten müssen. Auch der Kutscher Albert ist immer mehr in die Arbeiten des Gutes eingebunden und unentbehrlich. Er hofft so der Einberufung zu entgehen. Trotz der vielen Arbeit schafft er es aber trotzdem, das Geheimnis um seine Herkunft weiter zu lösen und macht sich auf die Suche nach seiner leiblichen Mutter.
Eindrucksvolle Schilderung der Geschehnisse rund um den ersten Weltkrieg
Hanna Caspian schließt mit dem zweiten Teil ihrer Familientrilogie nahezu nahtlos an die Geschehnisse des ersten Teiles an. Symbolisch beginnt dieser Band mit einer Sonnenfinsternis und genauso finster wird die nun folgende Zeit für alle Menschen. Während es dem Adel, von Kleinigkeiten abgesehen, noch relativ gut geht, werden die Entbehrungen von normalen Bürgern immer größer. Die Lebensmittelknappheit trifft zunächst nur die Bevölkerung in den Städten, doch auch bald wird die Landbevölkerung es zu spüren bekommen. Als der Winter naht, wird auch das Heizmaterial knapp. Je länger der Krieg dauert umso mehr wächst die Angst, dass man selbst oder liebe Angehörige ihren Einberufungsbescheid erhalten. Dadurch, dass immer mehr junge Männer an die Front müssen, fehlen immer mehr Arbeitskräfte, sowohl auf den Feldern als auch unter den Bediensteten in adligen Haushalten. Die verbliebenen Männer und vor allem Frauen müssen immer mehr leisten und arbeiten. Das Bangen und die Beklommenheit wachsen von Tag zu Tag. Der Autorin gelingt es meisterlich, diese Emotionen zu vermitteln.
Auch aus Sicht der Soldaten zeigt sie uns die schmutzige Seite des Krieges: Die eigenen Ängste und die schreckliche Konfrontation mit dem Tod. Eben hat man sich noch mit einem Kameraden unterhalten und wenig später liegt dieser tot neben einem. Die Schilderungen der Vorkommnisse im Schützengraben sind so lebendig, dass man selbst sehr nachdenklich dabei wird.
Realistische Charakterdarstellungen mit teils toller Entwicklung
Die junge Grafentochter Katharina wirkt in Teil zwei deutlich reifer als im vorhergehenden Band. Für Katharina verändert sich das Leben insoweit, dass im Krieg nun auch kein Privatlehrer mehr zur Verfügung steht. Mithilfe der Dorflehrerin Rebecca, die sie mit entsprechender Lektüre versorgt, bildet sie sich heimlich weiter, hegt sie doch den Wunsch, eines Tages Medizin zu studieren. Sie setzt sich auch gegen ihre Mutter durch und unterstützt Rebecca bei der Beaufsichtigung der kleinen Dorfkinder, da deren Mütter voll und ganz mit den Arbeiten auf den Feldern beschäftigt sind. Schließlich muss jeder seinen Beitrag zum Krieg leisten; zähneknirschend muss Feodora dies hinnehmen.
Auch Konstantin wirkt wieder sehr sympathisch. Ebenso wie seine Schwester hat er das Herz am rechten Fleck. Der Krieg hat tiefe Spuren an ihm hinterlassen. Nach einer Kriegsverletzung kehrt er traumatisiert aufs Gut zurück. Doch seine Schwäche und seine Gefühle machen ihn sehr menschlich. Man muss ihn einfach mögen und leidet mit ihm.
Gräfin Feodora hat keinerlei Entwicklung durchgemacht. Nach wie vor wirkt sie sehr versnobt und arrogant. Egoistisch verfolgt sie nur ihre eigenen Wünsche und Ziele. Kaltherzig behandelt sie ihre Tochter Katharina. Es interessiert sie nicht im Geringsten, wie es ihrer Tochter geht. Sie hat den Kaiserneffen zum Wohl der Familie Auwitz-Aarhayn zu heiraten und das ist unumstößlich, egal was vorgefallen ist.
Feinfühlige Darstellung der damaligen Dramatik
Da die Handlung fast nahtlos an den ersten Teil anschließt und es so gut wie gar keine erklärenden Rückblenden gibt, ist es nicht empfehlenswert, diesen Teil ohne Vorkenntnis von Band eins zu lesen. Dadurch, dass die Autorin mit der Handlung sofort durchstartet und erklärende Einleitungen fehlen, ist man von Beginn an mitten in der Handlung gefesselt und diese Spannung hält bis zur letzten Seite an. Hier endet Teil zwei mit einem heftigen Cliffhanger.
Die sehr gut recherchierten politischen Ereignisse rund um den Ersten Weltkrieg stehen nicht im Vordergrund des Buches, sondern eher die damit verbundenen menschlichen Schicksale. Das Verbinden der historischen Begebenheiten mit den fiktiven Ereignissen ist der Schreiberin wieder meisterlich gelungen. Ihr Schreibstil ist angenehm zu lesen und an keiner Stelle langweilig. Dem Knaur Verlag gelingt es wieder, ein passendes Cover zur Geschichte zu liefern. Wie schon in Teil eins sehen wir eine elegant gekleidete Dame im Vordergrund und etwas entfernt das Bild eines herrschaftlichen Anwesens. Passend zum Titel „Nachtfeuer“ sind die dominierenden Farbtöne diesmal nachtblaue Farben und die Schrift ist wieder in einem edlen Metallic, diesmal ebenfalls blau.
Fazit:
Teil zwei hält das bereits hochgehaltene Niveau vom Vorgänger weiterhin hoch. Dadurch, dass es sofort mit spannender Handlung startet, empfindet man den Teil „Nachtfeuer“ fast noch stärker. Die Mischung aus Historie und Familiensaga, unterstützt von Spannung und etwas Geheimnis ist perfekt gelungen.
Hanna Caspian, Droemer-Knaur
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