Der blutrote Teppich: Hollywood 1922

  • Kiepenheuer & Witsch
  • Erschienen: April 2019
  • 2
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Carsten Jaehner
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Histo-Couch Rezension vonMär 2020

Mordskandal in der Traumfabrik

Hollywood 1922. Privatdetektiv Hardy Engel hat einen neuen Auftrag vom Starregisseur William Desmond Taylor: Er soll die Schauspielerin Mabel Normand eine Nacht lang überwachen und am Tag darauf würde es einen Folgeauftrag geben. Engel überwacht das Haus die Nacht über und will Taylor am Tag darauf Bericht erstatten, findet diesen aber tot in dessen Wohnung, erschossen. Engel ruft die Polizei, die ihn aber sofort für verdächtig hält.

Ohne Beweise können sie ihn jedoch nicht festhalten und so beginnt er heimlich, auf eigene Faust zu ermitteln. Natürlich sind die Filmstudios, vor allem das von Taylor, daran interessiert, so schnell wie möglich einen Schuldigen zu finden damit in Ruhe weiter gearbeitet werden kann. In den Fokus gerät schnell Taylors ehemaliger Butler Sands, der verschwunden ist und den Studios und der Polizei schnell als Hauptverdächtiger gilt. Als Engel diesen ausfindig macht, scheint der Fall zunächst erledigt. Doch Engel ist nicht zufrieden.

Gemeinsam mit der jungen Regisseurin Polly Brandeis, die ebenfalls im Auftrag der Studios ermittelt, kommt er einer Vertuschungsaktion sondergleichen auf die Spur, in die möglicherweise die berühmtesten Studiobosse Hollywoods verwickelt sind, darunter Namen wie Carl Laemmle, Cecil B. DeMille und Charlie Chaplin…

Einblick in die Filmindustrie

Mit seinem zweiten Fall schließt Ermittler Hardy Engel direkt an seinen ersten an, obwohl er eigentlich mit Hollywood und der ganzen Filmindustrie nichts mehr zu tun haben wollte. Aber wer da lebt und sich auch von irgend etwas ernähren muss, hat nicht immer die Wahl, vor allem wenn Leute aus den Filmstudios nun sein Klientel sein sollten. Außerdem kennt er sie den Menschenschlag dort nun sowieso, immerhin hat er selbst den Versuch einer Kleindarstellerkarriere hinter sich und weiß ungefähr, wo der Hase in Hollywood langläuft.

Dies ist Hardy Engels Ausgangsposition, von der aus Autor Christof Weigold seinen Ermittler in dessen zweiten Fall vor Ort stolpern lässt. Wie bereits beim ersten Fall, der natürlich auch hier Erwähnung findet, beruht alles auf wahren Begebenheiten, die sogar recht gut und ausführlich dokumentiert sind, allerdings wurde der Mordfall an William Desmond Taylor tatsächlich nie komplett aufgeklärt, und da liefert Weigold mit seinem Roman eine schlüssige Möglichkeit, wer es denn wie und warum gewesen sein könnte, doch das Ende soll hier natürlich nicht verraten werden.

Starallüren damals wie heute

Zur Seite steht ihm dabei die junge Regisseurin Polly Brandeis, die gerade mit Dreharbeiten beschäftigt ist und dabei die junge Schauspielerin Mary Miles Minter bändigen muss, die mit gerade einmal 19 Jahren ihre Allüren pflegt und dabei von ihrer Mutter überall hin begleitet wird. Minters Mutter tanzt allen derartig auf der Nase herum, dass Polly bald die Regie an dem Film entzogen wird und sie daher Zeit für Ermittlungen hat. Bald stellt sich heraus, dass Polly die Tochter des Mordopfers ist und es vertiefen sich die Gerüchte, ob denn Taylor einer Affäre mit Miss Minter gehabt haben soll, immerhin wurde diese in der Mordnacht am Tatort gesehen.

Hardy Engel weiß wie immer nicht, wem er trauen kann und wem nicht. Immerhin ergeben seine Recherchen für ihn eine Flugstunde bei und mit Cecil B. DeMille, einen Familienkrach im Hause DeMille sowie ein längeres Gespräch mit Charlie Chaplin, und in all diesen Szene merkt man des Autors Liebe zum Hollywood-Detail. Weigold hat gut recherchiert und man merkt dem Roman die akribische Recherche auch an. Allerdings findet sich hier auch der fast einzige Makel des Romans, denn es gibt kleinere Strecken, wo man das Gefühl hat, dass er sich in Details verrennt, die er ausfindig gemacht hat, die aber nicht für die Handlung gebraucht würden. Das kommt zwar nicht häufig vor, aber es führt zu kleineren Spannungshängern in der Mitte des Romans.

Hollywood-Geschichte

Insgesamt ist der Fall ergiebiger als der erste Fall, aber es gibt auch Situationen mit ein wenig Leerlauf, wo Engel sich an den Hauch eines Strohhalms hangelt, der ihn dann in den Recherchen weiterführt. Dennoch bleibt die Spannung den ganzen Roman über aufrecht, zumal man ja genau wie heute neugierig darauf ist, was die Prominenz denn für Leichen im Keller hat, in diesem Fall im wahrsten Sinne des Wortes. Das Interesse am Leben und Schaffen der Stars und Sternchen war damals so groß wie heute und auch wenn einem die Namen der Stars wie damals wie eben Mary Miles Minter oder Mabel Normand nicht mehr viel sagen, sind sie doch reale Personen und es wird die Neugier geweckt, gerade mit den heutigen medialen Möglichkeiten, sich den einen oder anderen schwarzweißen Film von damals herunterzuladen. So lang waren sie ja dann auch nicht.

Christof Weigold schafft es nicht nur, den Leser mit in die Stummfilmzeit Hollywoods zu nehmen, sondern ihn auch an einem Wendepunkt dort erschienen zu lassen, als die Studios zwar konkurrierten, sich aber die Firmenbosse doch zusammenrauften, um eine Art Verhaltenskodex untereinander zu schaffen. Ob dies heutzutage möglich wäre, dürfte fraglich sein. Das ist real erlebte Hollywood-Historie, die vielen unbekannt sein dürfte und somit, da wirklich passiert, eine interessante Geschichtsstunde.

Der Verlag Kiepenheuer & Witsch hat gut daran getan, sich Autor Christof Weigold und seine Reihe von Geschichten aus Hollywood in den 1920ern zu sichern. Zum einen sind diese Fälle wirklich passiert, wenn auch nicht wirklich offiziell gelöst, zum anderen bieten sie ein Genrefeld, dass noch von niemand anderem beackert wurde und allein daher für viele Leser von Interesse sein dürfte. War der erste Teil noch zunächst als Hardcover erschienen, war dies dem „blutroten Teppich“ leider nicht vergönnt, der Verlag entschied sich für 600 Seiten dünnes Bibelpapier in schwachem Karton gebunden, was bei einem leichten Überformat schlecht in der Hand liegt. Immerhin kann man an den passwenden Covermotiven sehen, wie man sich die damalige Zeit vorzustellen hat.

Fazit:

„Der blutrote Teppich“ aus der Feder von Christof Weigold bietet als zweiter Band seiner Reihe um Fälle aus dem Hollywood der 1920er Jahre eine gelungene Fortsetzung und wie schon der erste Band eine mögliche Lösung eines bis heute offiziell ungeklärten Falles. Vor dem Hintergrund der Hollywood-Maschinerie gibt es eine Darstellung der aufstrebenden Filmbranche mit allen Höhen und Tiefen, Hintergründen und Abgründen zu betrachten, dazu geben sich die Promis die Klinke in die Hand. Ein spannender Einblick in die Traumfabrik, deren dritter Teil bereits fertig geschrieben ist. Hollywood hatte bereits vor hundert Jahren seine Skandale, und es ist schön, sie wiederzuentdecken.

Der blutrote Teppich: Hollywood 1922

Christof Weigold, Kiepenheuer & Witsch

Der blutrote Teppich: Hollywood 1922

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