Der Sänger

  • Diogenes
  • Erschienen: April 2019
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Carsten Jaehner
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Histo-Couch Rezension vonSep 2019

Das dramatische Ende einer Karriere

Im Jahr 1942 reist der jüdische Sänger Joseph Schmidt aus. Im Deutschen Reich ist er nicht mehr gelitten, obwohl er ein berühmter Sänger ist, Tenor und bei den Frauen äußerst beliebt. Doch auch das kann ihn nicht retten, er versucht mithilfe von Freunden, in die Schweiz einzureisen. Doch gestaltet sich dies nicht so einfach, zudem ist Schmidt gesundheitlich sehr angeschlagen. Durch einen Mittelsmann schafft er den Weg in die Schweiz illegal, doch sagt er immer wieder, dass er nicht anders behandelt werden will, auch wenn er einst eine prominente Persönlichkeit war.

Dies sehen einige schweizerische Beamte, die ihn aufgreifen, ebenso und bringen ihn in das Internierungslager Girenbad, wo er bereits schwer krank einige Freunde findet. Er hat auch eine Arbeitserlaubnis in der Schweiz beantragt, auch wenn er mit seinen derzeitigen Halsschmerzen sowieso nicht singen könnte. Der Antrag wird abgelehnt, und mit einer dicken Halsentzündung wird er in das Kantonsspital in Zürich eingewiesen. Dort erkennt man ihn ebenfalls und ein Arzt will ihm helfen, dass er nicht mehr zurück muss, sondern die passenden Medikamente bekommen soll und wieder gesund werden soll. Seine Halsschmerzen werden geheilt, jedoch klagt er über stärker werdende Herzprobleme. Eine weitere Behandlung wird verweigert und als Schauspielerei abgetan, immerhin hat er ja Bühnenerfahrung. Er wird zurück verlegt nach Girenbad und stirbt dort zwei Tage später in einem nahegelegenen Restaurant an Herzversagen.

Eine wahre Geschichte

Das Tragische an dieser Geschichte, die vom schweizerischen Schriftsteller Lukas Hartmann zu Papier gebracht wurde, ist leider, dass es sich tatsächlich so zugetragen hat. „Der Sänger“ ist ein literarisches Denkmal für den Sänger Joseph Schmidt, der heute nahezu unbekannt ist, dessen Schicksal aber anrührt, zumal ein Tag nach seinem Tod seine Arbeitserlaubnis vorlag und er frei gewesen wäre.

Lukas Hartmann erzählt die Geschichte der Flucht von Joseph Schmidt und schafft dabei von Beginn an eine beklemmende Atmosphäre, in der man mit dem Sänger mitfiebert und mitleidet. Nur mit einem Koffer unterwegs, wie damals hunderttausende, ist er bereits gesundheitlich angeschlagen, als er sich auf den Weg macht, die Stätten seiner beruflichen Triumphe hinter sich zu lassen. Er ist ein bekannter Sänger, den auch viele Beamte kennen und wiedererkennen, er aber will keine Sonderbehandlung, und die bekommt er dann auch nicht, wenn er sie nur einen Moment zugelassen hätte, wer weiß, vielleicht hätte er sich in den nächsten Tag retten können. Das aber ist müssige Spekulation und macht den Roman nur umso beeindruckender.

Beleuchtet aus mehreren Perpektiven

Unterbrochen wird seine Geschichte immer wieder durch fiktive Zeugenaussagen, in kursiv abgedruckt, die Schmidt einst als Sänger erlebt hatten und ihn nun gesehen haben oder gesehen haben wollen, und die hoffen, dass man ihm als berühmten Sänger schon zur Ausreise helfen wird und ihn gut unterbringen wird und ihm ein angenehmes weiteres Leben gestalten werden. Leider ist dem nicht so, aber die wechselnde Perspektive auf den Sänger, gesundheitlich ein Schatten seiner selbst, macht den Roman noch bedrückender und gleichzeitig eindrucksvoller. Sie runden das Bild des Sängers ab, das den Leser intensiv begleitet.

Autor Lukas Hartmann ist ein guter Beobachter und beschreibt neben den Strapazen mit wenigen, treffenden Worten auch kleinste Stimmungsschwankungen und erkennt das Leiden Schmidts. In seiner Nähe immer wieder seine Freundin Selma, die er sich auch gut als Partnerin hätte vorstellen können, neben all den anderen Frauen in seinem Leben eine der wenigen Konstanten. Man wird Zeuge der Gedanken Schmidts über sein Leben, seine Karriere, seine Fehler, seine Frauen, sein Leiden, beleuchtet aus mehreren Perspektiven und somit entsteht ein umfassendes Porträt, das den Leser in seiner Intensität nicht loslässt.

Fazit:

In seinem gewohnten Design legt der Diogenes Verlag einen knapp 290seitigen Hardcoverband vor, der neben ein paar Dankesworten und Literaturhinweisen leider keine Extras wie zum Beispiel eine Kurzvita des Sängers enthält. Immerhin lächelt der Sänger von einer Fotografie vom Buchcover in lockerer Haltung mit Zigarette. Lukas Hartmann ist ein intensives Porträt des Sängers Joseph Schmidt gelungen, das nicht nur für Musiker interessant ist, sondern jedem Leser von Romanen aus dem Dritten Reich einen neuen Mosaikstein hinzufügt. Äußerst lesenswert.

Der Sänger

Lukas Hartmann, Diogenes

Der Sänger

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