Tugendmord

  • CMZ
  • Erschienen: November 2019
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Tugendmord
Tugendmord
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Carsten Jaehner
701001

Histo-Couch Rezension vonJun 2020

Mordserie im beschaulichen Bonn

Im Dezember 1789 wird die Kleinstadt Bonn am Rhein von Verbrechen erschüttert: Ein junger Page des Grafen wird erstochen an den Ufern des Rhein gefunden. In der Neujahrsnacht wird eine junge Magd im Wald erschlagen. Beiden wurde ein Kreuz auf die Brust geritzt, mit den Buchstaben M und V auf den Querbalken. Die Stadt ist in Aufruhr, auch für den jungen Ludwig van Beethoven und seine Freunde ist es das erste Gesprächsthema. Vor allem, da Ludwig in der Mordnacht an dem jungen Mann verdächtige Geräusche wahrgenommen hat und er nun vermutet, den Mord zumindest gehört zu haben.

Da einer der Freunde Jurist ist, bekommt er Informationen über die Opfer aus erster Hand und kann so berichten, wie genau die Untersuchungen an den Toten abgelaufen sind. Inzwischen haben sich verdächtige Personen in einer Bonner Wirtschaft, dem Zehrgarten, eingenistet und haben wohl Kontakt zum Domkapitel in Köln. Beethoven und seine Freunde beschliessen, die Verdächtigen zu beschatten und geraten dabei selbst in Gefahr.

Der junge Beethoven als Protagonist

Heidemarie Schumacher hat mit „Tugendmord“ einen kleinen Krimi geschrieben, in dem der aufstrebende Komponist und Musiker Ludwig van Beethoven die Hauptrolle spielt. Er ist zwanzig Jahre alt, lebt mit seinen beiden jüngeren Brüdern, seinem Vater und einer Magd zusammen, wobei der Vater seit dem Tod der Mutter seine Verdienste ins Wirtshaus trägt und sich nicht mehr um die Familie kümmert. Ludwig als der älteste Bruder muss nun durch Klavierunterricht und Orgeldienste seine Brüder ernähren, was ihm leidlich gelingt. Durch seine Unterrichtstätigkeit hat er Zugang zur Familie van Breuning, deren Tochter Eleonore er am Klavier unterrichtet und bei denen er auch regelmäßig zum Essen eingeladen wird. Der Sohn Stephan von Breuning zählt zu Ludwigs Freundeskreis, die sich des Falls der toten jungen Leute annehmen.

Man merkt schnell, dass die Autorin sich in Bonn und mit der Bonner Geschichte auskennt und dem Leser daher ein passendes Zeitbild mit Lokalkolorit präsentiert. Der Konflikt zwischen Bonn und dem Kölner Domkapitel wird dargestellt und bildet den Hintergrund für den nur 170 Seiten langen Roman. Die Stimmung in dem kleinen kurfürstlichen Städtchen wird gut wiedergegeben, auch sprachlich passt sich die Autorin der Zeit an. Dass Beethoven sich in die Tochter Eleonore verliebt hat und er ihr auch nicht egal ist, verkompliziert die Situation, denn Eleonore ist von Adel und daher nicht standesgemäß für Ludwig, ein Problem, das ihn wohl bis zum Lebensende verfolgen wird: Er lernt zwar Mädchen kennen, die ihn mögen und er sie, aber meist ist es nicht standesgemäß oder der Altersunterschied zu groß, so daß das Kapitel „Beethoven und die Frauen“ ein ewiges bleiben wird.

Gutes Lokalkolorit – Krimi mit Schwächen

Fängt die Autorin die Stimmung der Zeit gut ein, hinterlässt die Handlung beim Leser doch einige Fragen. Zwar ist es nobel, wenn sich Beethoven und seine Freunde ins Abenteuer stürzen und versuchen, den Verdächtigen auf die Spur zu kommen. Doch kommt man nicht umhin zu denken, warum denn nicht die Gendarmerie von Bonn sich mit dem Fall beschäftigt und im Auftrag des Kurfürsten versucht, die Verbrechen aufzuklären. Wenn Beethoven und seine Freunde sich Gedanken machen und die Untersuchungen in die Hand nehmen, zumal wenn innerhalb des Buches fast vier Monate vergehen, in denen die Gendarmerie wohl nichts vorzuweisen hat, ein paar recht unbedeutende Freunde aber einen Verdacht haben, der sich erhärtet, muss man wohl an der Fähigkeit des Polizeiapparates und am Willen des Kurfürsten, den Fall aufzuklären, zweifeln.

Bei den Verbrechern darf man sich fragen, warum nach zwei Morden und einem Überfall schon Schluß ist mit dem Tugendfeldzug, und warum sie sich trotzdem noch in Bonn aufhalten, wenn sie nicht mehr morden? Insofern und noch aus anderen Gründen bewegt sich die Handlung von einer gewissen Logik her auf dünnem Eis, zudem spielt auch Gevatter Zufall mit und wenn von vielen Möglichkeiten immer die erste gleich die richtige ist, ist das der Spannung auch nicht zuträglich.

So verfolgt der Leser, dem auf dem Cover ein „Beethoven-Krimi“ versprochen wird, eine nette Geschichte aus dem Bonn Ende des 18. Jahrhunderts, die nicht mehr ist als eine Episode mit Prominenz, wenngleich die historischen Rahmenfakten gut recherchiert sind. Ein paar Umwege hätten der Geschichte bestimmt gutgetan und den Umfang von 170 Seiten verlängert, der Geschichte damit aber mehr Saft verliehen. Immerhin schildert die Autorin am Ende, wie es in Realität mit einigen Protagonisten weitergegangen ist und beantwortet so einige ungestellte Fragen, die dann doch die Neugier des Lesers befriedigen.

Fazit:

Der Beethoven-Krimi „Tugendmord“ ist ein netter Beitrag zum Beethoven-Jahr 2020 mit Blick auf seine letzten Jahre in Bonn, woraufhin er nach Wien gehen wird und nie wieder nach Bonn. Die Zeit und die Stimmung sind gut eingefangen und der junge Beethoven wird dem Leser so nahegebracht, dass man seinen weiteren Weg in Wien interessiert verfolgen wird und vielleicht bereits einige Erklärungen für spätere Ereignisse geliefert bekommt. Die Dramaturgie der kriminalistischen Handlung hat die eine oder andere Lücke und hätte mehr Würze bedurft. Alles in allem ist das Buch eher für Beethoven-Freunde, als für Krimifreunde geeignet.

Tugendmord

Heidemarie Schumacher, CMZ

Tugendmord

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