Das doppelte Gesicht
- Aufbau
- Erschienen: Dezember 2020
- 3
Morde in der Nachkriegszeit
München im August 1945: Die Reporterin Billa Löwenfeld hat einen Interviewtermin mit Viktor von Dietlitz, den sie erschossen vorfindet. Kommissaranwärter Emil Graf wird der Fall zugeteilt. Weil es sein erster Mordfall ist, in dem er selbständig ermitteln soll, ist er etwas überfordert, vor allem mit Billa, die er sehr anziehend findet. Aber kann er ihr auch trauen?
Als ein zweiter und dann noch ein dritter Mord passieren, die dem ersten verdächtig ähnlich sind, will Emil Graf seinem amerikanischen Vorgesetzten beweisen, dass er den Fall lösen kann und stürzt sich in gefahrvolle Ermittlungen.
Trümmerfeld München
Die Autorin Heidi Rehn schafft es durch viel Detailreichtum die Zerstörungen des damaligen Münchens, aber auch die intakten Viertel und Straßen, in denen wichtige Gebäude der Nazis standen, sehr bildlich darzustellen. Die Schauplätze gibt es größtenteils in der Realität, was die Geschichte besser greifbar macht. Der Leser gewinnt dadurch einen guten Überblick über die Kulisse, in der sich die Figuren bewegen.
Diese sind äußerst zahlreich in ihren Charakteren: es gibt die siegreichen Amerikaner, die versuchen, die Spreu vom Weizen zu trennen und gute Deutsche ausfindig zu machen, die nicht der braunen Masse hinterhermarschiert sind. Das ist nicht so einfach, da sich viele nun als Opfer sehen. Zumindest wird behauptet, nicht aktiv Hitler gefolgt zu sein, was Simon, Emils amerikanischen Vorgesetzten, zu ironischen Kommentaren hinreißt.
Mit Billa, die vor sieben Jahren mit ihrer Mutter nach New York flüchtete, da sie jüdischer Abstammung sind, und nun zurückkehrt, wird ebenfalls eine interessante Persönlichkeit geschaffen. Ihre Gefühle sind sehr zwiespältig: sie möchte sich nicht in eine Opferrolle stecken lassen, möchte aber ebenso wenig den Deutschen alles durchgehen lassen. Auch Emil nicht, der als stummer Mitläufer eingestuft werden kann.
Die Verhaltensweisen der Menschen – wie das Leugnen und die Blindheit anderen gegenüber – ist gut eingefangen. Die eigenen Erlebnisse werden in den Vordergrund gestellt und als besonders schlimm empfunden.
Nöte und Ängste sind Alltag
Piotr ist zwar nur ein Nebencharakter, aber dennoch bleibt er im Gedächtnis, weil ihn ein besonders hartes Schicksal trifft. Er ist weder in Deutschland noch in seiner alten Heimat willkommen, aus der er von den Deutschen verschleppt wurde. Nun hat er keine Papiere und gehört zu einer Art Schattengesellschaft, mit der auch die amerikanischen Befreier nicht wirklich etwas anfangen können.
Die Geschichte wird gut in die Handlung eingebunden, so dass man viel über die Zeit erfährt, ohne dass es belehrend oder schulbuchhaft klingt. Das hätte noch ausführlicher sein können, um dem Roman mehr Tiefe zu verleihen, aber es zeigt auch auf, wie schwierig es für die Menschen in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg war.
Jeder hat ein Geheimnis, das er vor den anderen verbergen möchte; auch Emil Graf. Dieses wird am Ende kurz beleuchtet, so dass es ein Anreiz ist, den hoffentlich bald erscheinenden zweiten Band zu lesen.
Fazit
Heidi Rehn hat einen spannenden Kriminalroman geschrieben, der sich sowohl durch detailreiche Beschreibungen des zerstörten Münchens auszeichnet als auch durch die verschiedensten auftretenden Charaktere. Einzig die Auflösung des Falls ist ein wenig unbefriedigend, hier hätte man sich gern etwas mehr Ausführlichkeit gewünscht. Dennoch ist die Vorfreude auf den zweiten Teil geweckt.
Heidi Rehn, Aufbau
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