Elbleuchten

  • Rowohlt
  • Erschienen: Januar 2021
  • 3
Elbleuchten
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Alexandra Hopf
901001

Histo-Couch Rezension vonJun 2021

Mitreißender Auftakt einer tollen Geschichte

Lily Karsten ist die Tochter einer bedeutenden Reederfamilie in Hamburg. 1886 wird ein neues Schiff getauft und diese Ehre wird Lily zuteil. Dabei erfasst eine Windböe ihren Hut und befördert ihn ins Wasser. Der Arbeiter, der den Hut "retten" soll, wird dabei unglücklicherweise schwer verletzt. Dessen Freund, Joe Bolten, spricht in der Karsten-Villa vor und erbittet Unterstützung für die junge Familie. Lily hat das Herz am rechten Fleck und sie wird vom schlechten Gewissen geplagt, da schließlich ihr Hut der Grund für den Unfall war. Heimlich, ohne das Wissen ihrer Familie, trifft sie sich mit Joe Bolten um die Familie des Unfallopfers kennenzulernen.

Lily, die gut behütet und ohne Verzicht aufgewachsen ist, ist schockiert, als sie die andere Seite Hamburgs kennenlernt. Das Gängeviertel, wie die Slums genannt werden, in dem die Arbeiter unter schrecklichen Bedingungen leben, zieht Lily magisch an und sie versucht zu helfen wo sie kann. Doch nicht nur das Wohnviertel zieht die junge Frau an. Zwischen ihr und dem jungen Arbeiter Joe Bolten, der sie im Viertel leitet und begleitet, beginnt es zu knistern. Immer wieder trifft sie sich heimlich mit dem jungen Vorarbeiter. Doch Lily spielt mit dem Feuer. Sollte ihre Familie oder gar ihr Verlobter Henry davon erfahren, wäre dies ein Skandal.

Facettenreiches Hamburg im 19. Jahrhundert

Die Autorin Miriam Georg hat akribisch recherchiert um ihren Lesern ein stimmiges Bild von Hamburg gegen Ende des 19. Jahrhunderts zu liefern. Auch wenn die Geschichte rund um die Familie Karsten fiktiv ist, werden die damaligen vorherrschenden Zustände detailliert und sehr anschaulich beschrieben. Miriam Georg packt unterschiedliche Themen in verschiedenen Handlungssträngen an. Das erfordert beim Leser etwas Konzentration um nicht den Überblick zu verlieren.

Im Vordergrund steht der krasse Unterschied zwischen der gehobenen Schicht, die gewöhnlich am Alsterufer oder der Bellevue wohnt, und der armen Arbeiterschicht im Gängeviertel. Dabei schildert sie schonungslos die unmenschlichen Wohn- und Arbeitsverhältnisse. Schlechte medizinische Versorgung und fehlender Krankenschutz sind nicht selten das Todesurteil der Arbeiter. Des Weiteren erfährt der Leser einiges über den Dampfschiffbau und den Handel, insbesondere über den gerade aufkommenden Opiumhandel. Auch die Stellung der Frau und die eben aufkommende Emanzipation wird ausgiebig thematisiert.

Durchweg überzeugende Charaktere

Miriam Georg ist es bei allen Charakteren gelungen, sie authentisch und überzeugend dazustellen. Dabei sind die einen liebenswerter und manche weniger sympathisch. Alle gemeinsam bilden ein tolles Ensemble.

Insbesondere die weibliche Hauptprotagonistin Lily macht eine beeindruckende Entwicklung durch. Zunächst ein junges Mädchen, das wohlbehütet aufwächst und das wahre Leben draußen vor der Tür ihrer Villa nicht kennt. Alles läuft nach Plan. Sie ist bereits standesgemäß verlobt. Doch sie hat einen starken Willen. Unter Missachtung sämtlicher Gefahren steht sie für ihre Überzeugungen ein, auch wenn sie sich damit selbst in Gefahr begibt. Sie wirkt zu keinem Zeitpunkt versnobt, sondern kann den Leser voll und ganz positiv überzeugen.

Auch Joe Bolten ist ein feiner Kerl in seinem innersten Kern. Ihn hat das harte Leben im Gängeviertel geformt, trotzdem ist er sehr gefühlvoll. Das Knistern zwischen den Beiden wird zwar angedeutet, hätte aber gern noch etwas mehr Prickeln dürfen.

Rundum gelungener Roman

Der Auftaktband der hanseatischen Familiensaga ist in fast allen Bereichen überzeugend. Neben der ausgezeichneten Thematik und Darstellung wird der positive Eindruck noch von einem erfrischenden Schreibstil abgerundet. Das Buch lässt sich trotz seines gewaltigen Umfangs von über 600 Seiten flüssig lesen. Die Autorin beschreibt alle Begebenheiten detailreich und bildgewaltig. Die Spannung tut ihr Übriges, so dass man richtig in den Roman eintauchen kann und die Seiten nur so dahinfliegen. Der Wechsel der Erzählperspektiven unterstützt das Ganze und kann die verschiedenen Sichtweisen noch hervorheben. Und mit Freude will man danach gleich den bereits erschienenen zweiten Teil beginnen, um zu erfahren, wie sich die Geschichte nun fortsetzen wird.

Fazit:

Diese gelungene Unterhaltung ist eine klare Leseempfehlung für Liebhaber von historischen Familiengeschichten.

Elbleuchten

Miriam Georg, Rowohlt

Elbleuchten

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