White Christmas – Das Lied der weißen Weihnacht
- Rütten und Loening
- Erschienen: September 2020
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Liebe überwindet alles
Wer kennt ihn nicht, den Weihnachtshit „White Christmas“, gesungen von Bing Crosby mit seiner zart schmelzenden Stimme, der jedes Jahr zum Fest weltweit durch die Radiosender tönt? Doch wer kennt die Geschichte hinter dem Lied, wie und wann es entstanden ist, und warum?
Sein Komponist und Texter Irving Berlin war der Überzeugung, dass sein Lied nicht nur das beste Lied sei, das er jemals geschrieben hat, sondern das beste Lied, das überhaupt jemals jemand geschrieben habe. Nicht nur Bing Crosby, der das Lied 1940 zum ersten Mal sang, war ebenfalls dieser Meinung, auch die Verkaufszahlen sprechen bis heute für sich: Es ist immer noch das weltweit erfolgreichste Lied mit über 50 Millionen Tonträgern.
Im Dezember 1937 sitzt Irving Berlin allein in seinem Hotelzimmer in Beverly Hills und schreibt ein paar Zeilen nieder, die seinen Gemütszustand perfekt wiedergeben. Zum ersten Mal überhaupt wird er, berufsbedingt, Weihnachten getrennt von seiner Familie verbringen, seiner Frau Ellin und den beiden Töchtern. Das Wetter ist lau und die Stimmung irgendwie seltsam. Die Sonne scheint, das Gras ist grün, die Palmen wiegen sich im Wind. Keine Weihnachtsstimmung, aber eine gewisse Melancholie, die er sich merkt, denn er kann keine Noten lesen, geschweige denn ein Lied niederschreiben. So schreibt er zumindest den Text nieder.
Eine Promiliebe, die nicht sein darf
Und er erinnert sich daran, wie er seine Frau kennengelernt hat. Es war 1924, Ellin Mackay die reichste Tochter der Stadt und normalerweise hätten sich die beiden nie getroffen. Doch Freunde versuchten schon länger, Ellin unter die Haube zu bekommen. Doch der Tischherr, den ihre Freundin für sie vorgesehen hatte, musste kurzfristig absagen. So wurde spontan der Komponist Irving Berlin eingeladen, der bereits einige Achtungserfolge am Broadway vorweisen konnte und dessen Songs bereits im Radio liefen. Ellin, zweiundzwanzigjährig, und Irving, vierzehn Jahre älter als sie, verspüren sofort Sympathie füreinander.
Da beide Personen der Öffentlichkeit sind, giert die Presse nach Klatschnachrichten, was natürlich vor allem Ellins Vater nicht verborgen bleibt. Er spricht sich vehement gegen eine Verbindung der beiden aus, nicht nur wegen des Altersunterschieds, sondern vor allem, weil die Mackays irisch-katholische Christen sind und Irving Berlin Jude, das passt nicht zusammen. Clarence Mackay verbietet Ellin jeglichen Umgang mit Irving, ohne diesen jemals selbst gesprochen zu haben. Ellin steht zwischen den Stühlen, einerseits ist da der Mann, den sie liebt, andererseits ihre familiäre Loyalität. Auch Berlins bereits feststehende finanzielle Unabhängigkeit lässt Clarence nicht umstimmen.
Wahrer Hintergrund
Doch die Liebe findet ihren Weg und setzt sich am Ende durch. Elf Jahre nach der Hochzeit sind Ellin und Irving immer noch ein Liebespaar und werden es bis zu ihrem Lebensende bleiben. Dass an diesem Weihnachtsabend, da Irving von der Familie getrennt ist, das berühmteste Lied der Welt entstand, ist dabei nur eine Randnotiz, aber mit einem überraschendem Hintergrund, der hier nicht weiter verraten werden soll.
Michelle Marly ist das Pseudonym von Michaela Jary, Tochter des Komponisten Michael Jary und somit einer in der Thematik selbst aufgewachsenen Frau, wie sie selber im Nachwort des Romans erwähnt. Die eigenen Erfahrungen der Autorin machen den Roman an den entsprechenden Stellen intensiv und lesenswert, hier kann sich jeder in das Gehirn eines Komponisten hineindenken, der den wichtigsten Tag des Jahres ohne seine Familie verbringen muss. Diese Passagen sind im Buch besonders gelungen.
Den Großteil des Romans widmet die Autorin der Liebesgeschichte von Ellin und Irving, und sie tut dies zwar mit einer gebotenen Intensität, aber ohne Kitsch. Sie meistert diese gefährliche Gratwanderung ausgezeichnet und so fiebert man als Leser mit dem Paar, das weder vom Vater noch von Ellins Großmutter anerkannt werden kann. Doch auch Trennungen können Gefühle nicht verdrängen, und so siegt am Ende die Romantik.
Romantisch und doch kitschfrei
Die beiden Protagonisten werden als nette und sympathische Menschen dargestellt, und man fragt sich unweigerlich, warum man diese beiden Leute nicht zusammenkommen lässt? Des Vaters gesellschaftliche Zwänge erlauben dies nicht, er droht gar mit Enterbung der Tochter. Doch kann man ihn auch verstehen, er ist nicht ein Bösewicht im klassischen Sinne. Er kann nicht aus seiner Haut, auch er wirkt menschlich.
Die Kapitel des Buches sind mit Songtiteln von Irving Berlin überschrieben, viele davon kennt man heute noch, wenn vielleicht nicht den Titel, so doch den Song, wenn man ihn hört. So baut die Autorin eine romantische Geschichte zusammen, die mehr aus Ellins Sicht als aus der Irvings erzählt wird. Gerne hätte man noch mehr über Irving Berlins Hintergrund erfahren, der ja das titelgebende Lied geschrieben hat, aber vielleicht gibt das die Geschichte dann doch nicht her. Ein interessantes Nachwort und eine Danksagung ergänzen den Roman, gerne hätte man auch den Songtext am Ende abdrucken können, um die Entstehung für die Menschen nachvollziehbar zu machen, die das Lied (immer noch) nicht auswendig können. Dass ein Jude das berühmteste Lied für das Fest der Feste der Christen geschrieben hat, ist eine interessante Notiz am Rande.
Fazit:
„White Christmas“ erzählt die Geschichte und vor allem die Vorgeschichte des berühmtesten Liedes der Welt. Das Lied ist das Ergebnis einer romantischen Liebesgeschichte zwischen seinem Komponisten und der Liebe seines Lebens. Die Autorin schafft es, diese Geschichte kitschfrei zu erzählen und dem Leser eine Art Vorfreude auf das Weihnachtsfest zu vermitteln. Gut geeignet für kalte Wintertage am Kamin mit einem singen Bing Crosby im Hintergrund.
Michelle Marly, Rütten und Loening
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