Die Glasmalerin
- Blanvalet
- Erschienen: Januar 2007
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- Blanvalet, 2007, Titel: 'Die Glasmalerin', Originalausgabe
Mordserie rund ums Trienter Konzil
Trient im Jahr 1551: Die Stadt steht im Zeichen des großen Konzils, das in wenigen Tagen stattfinden wird. Das brisante Thema ist die Spaltung zwischen den Katholiken und den Lutheranern und es soll über einen möglichen Zusammenschluss der Kirchen debattiert werden. Doch kurz zuvor erschüttert ein Skandal die Stadt: Der alte Kardinal Bertani wird erstochen aufgefunden.
Der junge Jesuit Sandro Carissimi erhält zu seiner Überraschung den Auftrag, den Fall zu klären, obwohl er in Ermittlungsarbeiten bisher keine Erfahrung hat. Eigentlich arbeitet Sandro als Assistent für den scharfsinnigen und energischen Redner Luis de Soto, der bei dem Konzil die Seite der katholischen Kirche vertreten wird. De Soto unterstützt Sandro nicht nur bei den Ermittlungen, sondern reißt dabei auch die Aktivitäten zunächst an sich.
Schon bald stoßen sie auf einen Verdächtigen, den lutheranischen Redner Matthias Hagen. Matthias und Sandro verbindet seit vielen Jahren eine erbitterte Feindschaft und es ist für beide ein Schock, sich unter diesen Umständen wiederzutreffen. Zu allem Überfluss geschieht bald darauf ein weiterer Mord und Sandro gerät unter großen Druck. Und dann ist da noch die junge Glasmalerin Antonia Bender, für die Sandro mehr Gefühle entwickelt als ihm lieb ist ...
Ein Jesuit ermittelt
Eric Walz' Auftakt zu seiner Reihe um den ermittelnden Jesuiten Sandro Carissimi präsentiert sich als überzeugender Historienkrimi, der seine Leserschaft ins Trient des 16. Jahrhunderts versetzt. Es geht hoch her in jenen Tagen, das Konzil steht unmittelbar bevor und die Konflikte zwischen Katholiken und Lutheranern sorgen für Feindschaften und Entzweiungen. Ein Mord an einem Bischof ist das Letzte, was die Kirche jetzt gebrauchen kann und schnelle Aufklärung ist gefragt. Der junge Sandro Carissimi kommt wie die Jungfrau zum Kinde zu der Ermittlungsarbeit und tut sich dementsprechend anfangs alles andere als leicht damit, Erkenntnisse zusammenzutragen.
Faszinierende Charaktere
Zu den größten Stärken des Buches gehören die überzeugenden Figuren, die jede für sich eine interessante Hintergrundgeschichte mit einbringen. Sehr reizvoll sind die Verflechtungen der einzelnen Charaktere miteinander, die erst im weiteren Verlauf der Handlung alle deutlich werden. Da ist Sandro Carissimi, der nicht aus Berufung Jesuitenmönch wurde, sondern auf den letzten Wunsch seiner Mutter. Ganz vergessen hat er sein früheres weltliches Leben nicht und die Begegnung mit Antonia Bender trägt erst recht nicht dazu bei. Sandro erscheint als durchaus intelligenter Mann, der allerdings bisher in seinem Leben oft genug gescheitert ist und der sich mit den erfolgreichen Ermittlungen endlich einmal beweisen will. Mit Matthias Hagen verbindet ihn eine erbitterte Feindschaft, deren Hintergründe der Leser erst nach und nach erfährt. Der selbstbewusste Matthias ist ein undankbarer Rivale, war er doch in der Vergangenheit bereits stets überlegen und droht nun erneut, Sandro stolpern zu lassen. Besonders brisant ist die gemeinsame Verbindung der beiden zu Antonia Bender. Antonia ist von Sandro fasziniert und er ebenfalls von ihr, doch an eine Liebesbeziehung wagt natürlich keiner von beiden zu denken. Matthias Hagen wiederum ist Antonias Jugendfreund, den sie nun nach Jahren wiedersieht und zu dem alte Gefühle aufwallen, die offenbar erwidert werden - für Sandro ein weiterer Schlag und für Antonia ein komplizierter Zwiespalt, als sie vom Hass der beiden Männer aufeinander erfährt.
Eine wichtige Rolle spielt die Konkubine Carlotta da Rimini, Geliebte vieler Geistlicher in Trient und zugleich Freundin und Vertraute von Antonias Vater Hieronymus. Der alte, verwitwete Glasmaler ist ihr in großer Zärtlichkeit zugetan, was Carlotta dankbar erwidert, für Antonia ist sie eine mütterliche Freundin und ihr Beruf als Hure ändert weder für Antonia noch für ihren Vater etwas daran. Und dann ist da noch Innocento del Monte, der illegitime Sohn von Papst Julius III., der seit der Wahl seines Vaters kein mittelloser Gassenjunge mehr ist, sondern ein Kardinal. Wegen seiner einfachen Herkunft wird er von Teilen des Volkes verspottet, doch dahinter steckt ein komplexer Charakter, was auch Sandro bemerkt - nachdem er begriffen hat, dass Innocento derjenige ist, dem das Mordkomplott gilt.
Die Dramatik spitzt sich zu
Der Leser erfährt bereits auf den ersten Seiten, dass Carlotta plant, Kardinal Innocento zu töten. Das tut der Spannung dennoch keinen Abbruch, denn die Hintergründe werden erst recht spät aufgerollt. Interessant ist dabei vor allem, dass Carlotta keine Feindschaft gegenüber Innocento selbst verspürt, ja ihn nicht einmal kennt, sondern ihn nur als Instrument ihrer Rache benutzen will. Nachdem der Leser erfahren hat, was Carlotta einst geschehen ist und wem sie durch Innocentos Tod schaden will, begreift er ihr Vorhaben. Carlottas Schicksal ist tief bewegend, ihr Hass und ihr Wunsch nach Rache verständlich - doch zugleich ist Innocento ein sympathischer junger Mann, den man nicht sterben sehen will. Bis zum Schluss bleibt es spannend, ob Carlotta ihren Plan durchführen kann und will, was hinter den bereits durchgeführten Morden steckt und welche Rolle Sandro spielen wird - nicht zu vergessen natürlich auch die Fragen, was aus Antonia und Matthias, der Feindschaft zwischen Matthias und Sandro sowie Sandro und Antonia wird.
Nicht hundertprozentig überzeugen kann der Roman dagegen, was den historischen Bezug betrifft. Die Umstände des Konzils werden etwas vereinfacht dargestellt und die Historie der Handlung zuliebe etwas zurechtgebogen, auch was die Darstellung von Kardinal Innocento betrifft. Wer sich erhofft, im Roman nähere Informationen zum Trienter Konzil zu erhalten, wird sicherlich enttäuscht werden - der Hintergrund bildet lediglich die Folie für die Kriminalhandlung und das Schicksal der Protagonisten, ist aber nicht zur näheren Auseinandersetzung der wahren Geschehnisse gedacht. Das stört aufgrund der spannenden und unterhaltsamen Handlung kaum, bei falschen Erwartungen kann der Lesespaß allerdings getrübt sein.
Fazit: Ein gelungener Auftakt, der Lust auf die weiteren Bände der Reihe macht.
Eric Walz, Blanvalet
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