Alexanders Erbe: Die Macht dem Stärksten
- Rowohlt
- Erschienen: November 2021
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Anja Schünemann (Übersetzung)
Der blutige Kampf um Alexanders Nachfolge
Babylon, 323 v. Chr., Alexander der Große liegt im Sterben. Mit nur 32 Jahren war er der größte Herrscher und Eroberer, den die bekannte Welt je gesehen hat, er hat das makedonische Reich vergrößert und hätte dies auch noch weiter getan, wenn er nicht von einem Fieber dahingerafft worden wäre. Doch wer soll ihm nachfolgen? Er hat keinen Nachfolger ernannt, sein Sohn ist noch ungeboren im Leib seiner Mutter, und freiwillig wird keiner einen Rückzug machen.
Als Alexander schließlich sein Leben aushaucht, hat er zuvor seinen Sonnenring mit den sechzehn Strahlen, den Alexanderring, an Perdikkas gegeben, einem von sieben Generälen seiner Armee, ohne ihn jedoch deutlich zu seinem Nachfolger zu ernennen. Stattdessen haucht Alexander „dem Stärksten“, und das Schachern um die Nachfolge beginnt. Da Alexanders Frau hochschwanger ist, will man abwarten, ob es ein Junge oder Mädchen wird und dann im Falle eines männlichen Nachkommen diesen zum König erklären und ihm einen Vormund voranstellen. Doch noch weitere Verwandte und Kriegsgefährten bringen sich in Stellung, um Alexanders Prophezeiung zu erfüllen: „ich sehe gewaltige Leichenspiele voraus“.
Viele Kandidaten bringen sich in Stellung
Nachdem der schweizerische Schriftsteller Robert Fabbri mit der neunteiligen Romanreihe um den römischen Kaiser Vespasian bereits ein Mammutwerk vorgelegt hat, schiebt er gleich die nächste historische Reihe hinterher in Gestalt nicht des Lebens von Alexander dem Großen, das mit nur 32 Jahren vielleicht zu schnell auserzählt wäre. Spannender ist hingegen, wie sich die Welt um Alexanders Nachfolge streitet, im wahrsten Sinne des Wortes, womit Alexander zwar den Zerfall seines Reiches vorhergesehen und eingeplant hat, aber wer hier übrig bleiben wird, der hat es sich eben verdient.
Vielerlei Kandidaten, Diadochen genannt, bringen sich in Stellung, da wird vorausschauend gemordet und gemetzelt, Armeen von Freund und Feind treffen aufeinander, laufen über und werden geschlagen und vernichtet das Wort „Familie“ gibt es nicht mehr und damit ist der Tod Alexanders noch nicht einmal bis in den letzten Winkel seines Reiches gedrungen.
Viele Namen und viele Tote
Der einzige, der offen damit umgeht, ist Perdikkas, der den Alexanderring hat und sich daher als legitimer Nachfolger wähnt, wenngleich er dafür ist, zu warten, ob Alexanders ungeborenes Kind ein Junge ist, den es dann zu beschützen gilt. Und ja, es wird ein Junge, Alexander IV., geboren von seiner Mutter Roxane, die sich dadurch am Leben halten kann. Alexanders Mutter Olympias ist eine intrigante Schlange und will durch geschickte Heirat ihre Tochter Kleopatra in Position bringen, und sich selbst natürlich damit auch. Weitere Feldherren wie Ptolemaios, Krateros und der alte Antipatros, der sich eigentlich zur Ruhe setzen wollte, bringen sich notgedrungen in Stellung, regeln ihre Angelegenheiten in den Weiten von Alexanders Reich und planen Bündnisse, die sie an die Spitze des Reichen bringen können.
Das alles wirkt zunächst sehr unübersichtlich, doch Fabbri lenkt geschickt den Blickwinkel von einem Kandidaten zum nächsten und erzählt so die Geschichte aus den Blickwinkeln der beteiligten Personen, wodurch sich eine für den Leser stets nachvollziehbare Gesamtgeschichte ergibt, wenn man denn ungefähr im Kopf behält, wer nun wer ist und wer auf wessen Seite kämpft. Da sich im Laufe des Romans die Liste der Kandidaten um den einen oder anderen Namen reduziert, werden die Bündnisse auch klarer, und es wäre auch noch einfacher, wenn es nicht den einen oder anderen Überläufer gäbe, der das System und die Machtverhältnisse wieder ändert.
Packende Atmosphäre
Verbindendes Element ist der monumentale Sarkophag Alexanders, der in Babylon gebaut wird und der sich in einem gewaltigen Leichenzug erst nach der Fertigstellung zwei Jahre nach Alexanders Tod auf den Weg nach Ägypten macht, wo Alexander begraben werden wollte. Tragischerweise ist das Grab heute unbekannt, die Entdeckung wäre eine Sensation und eines der letzten Geheimnisse der Geschichte würde gelüftet. Die Beisetzung wäre ein Triumph für Perdikkas, der sich dadurch beim Volk legitimiert sähe, doch kommt es nicht immer so, wie man es gerne hätte.
Fabbri schafft eine angemessene Atmosphäre und weiß den geneigten Leser jederzeit in die Zeit des 4. Jahrhunderts vor unserer Zeitrechnung zu holen. Man erfährt viel über Sitten und Gebräuche, erlebt die eine oder andere Schlacht, und fast alles ist historisch dokumentiert. Die Realität hat Züge, die man sich nicht ausdenken kann. Und obwohl Alexander nur im Prolog vorkommt und dort sein Leben aushaucht, ist er doch immer irgendwie präsent und überschattet alles Geschehen. Das macht den Roman bis zum Ende spannend und durch den flüssigen Schreibstil Fabbris zu einem packenden Leseerlebnis.
Dem Roman sind ein Karte der alexandrinischen Welt und einige Symbole der wichtigsten Protagonisten vorangestellt, ein interessantes Nachwort und ein Personenverzeichnis der realen und fiktiven Charaktere folgen dem 570seitigen Roman aus dem Rowohlt Verlag sowie eine Leseprobe der Fortsetzung. Im englischen Original ist bereits der dritte Teil erschienen, weitere Intrigen und Schlachten sind also zu erwarten.
Fazit
Trotz einiger Wirrnisse ob der großen Personaldecke ist „Alexanders Erbe – Die Macht dem Stärksten“ ein gelungener Einstieg in eine neue, packende historische Reihe von Robert Fabbri um die Nachfolge von Alexander dem Großen. Dieser ist zwar tot, aber immer noch omnipräsent, auch durch seine gut konservierte Leiche. Mehr davon!
Robert Fabbri, Rowohlt
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