Commissaire Le Floch und die silberne Hand
- Blessing
- Erschienen: November 2019
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Ein neuer König, ein neuer Mord
Paris, Oktober 1774. Nicholas Le Floch, persönlicher Commissaire des Königs, hat sich in den letzten sechs Monaten mehr um seine Familie gekümmert, was auch mit daran lag, dass er beruflich keine Ermittlungen führen musste. Der neue König hat das Personalkarussell ordentlich gedreht, die neue Königin hat bereits erste Akzente gesetzt, doch für Le Floch gab es nichts zu tun. Schon befürchtet er, völlig ins Abseits zu geraten, da erhält er eine Nachricht des Duc de la Vrillière, Minister der Maison du Roi. In seinem Haus ist ein Zimmermädchen in der Küche tot aufgefunden worden, daneben liegt der ohnmächtige Hausverwalter in einer Blutlache. Endlich wieder Arbeit!
Ein offensichtlicher Täter?
In seinem bereits fünften Fall ermittelt Commissaire Nicholas Le Floch wieder in höchsten adeligen Kreisen, worüber er sehr dankbar ist, vor allem weil er seit dem Tod König Ludwigs XV. nicht mehr zu einem Fall gerufen wurde. Ehe sich Langeweile breit macht, schickt er nach seinem Gehilfen, dem Polizeiinspektor Bourdeau, der genauso erfreut über neuerliche Arbeit ist. Vor Ort finden sie ein totes Küchenmädchen, den Hausverwalter ebenso, aber noch am Leben. Alles sieht nach einem Eifersuchtsdrama aus und der Hausverwalter scheint schuldig zu sein, doch Le Floch und Bourdeau sehen Spuren, die zumindest große Zweifel an der Schuld des Hausverwalters aufkommen lassen.
Als hätte er mit dem neuen Fall nicht genug Arbeit, bestellt ihn sein neuer Chef, Polizeipräfekt Le Noir, zu sich um ihm einerseits zu seinem neuen Fall zu gratulieren, ihn aber andererseits mit zusätzlichen Fällen zu betrauen. Er soll zum einen im Süden Frankreichs die Bauern vor dem dort grassierenden Milzbrand beim Vieh warnen, zudem soll er die Braut einer arrangierten Hochzeit wiederfinden, die lieber ein lasterhaftes Leben führen möchte. Viel zu tun für jemanden, der zuvor monatelang gar nichts zu tun hatte. Natürlich grämt sich Le Floch darüber, sich mit diesen kleinen vermeintlich unspektakulären Dingen herumschlagen zu müssen, aber Befehl ist Befehl.
Viel zu tun für Nicholas Le Floch
Autor Jean-François Parot verfolgt mit seiner Taktik, seinen Protagonisten gleich mehrerlei Fälle bearbeiten zu müssen, einen Weg, diesen nicht nur von den Ermittlungen seines Hauptfalls fernzuhalten, sondern ihn gleichzeitig zu verwirren, und den Leser mithin auch. Ohne seine Helfer, zu denen neben Bourdeau auch der Spitzel Rabouine, der Henker Sanson und der Arzt Semacgus gehören, wäre es sichtlich schwer, sich allen ihm gegebenen Aufgaben zu widmen und zu einem erfolgreichen Ende zu führen. Doch wie das immer mit Anschlägen auf das eigene Leben ist: Sie halten einen nicht von Ermittlungen ab, sondern zeigen eher, dass man auf der richtigen Spur ist.
Natürlich ist es schön, das gewohnte Personal wieder in Aktion zu sehen, wobei man sich so manchen Abend nimmt und bei Köstlichkeiten, flüssigen wie festen, zusammensitzt, Rezepte inklusive. Hier ergeht sich der Autor in so manchen Details und formulierungstechnischem Geschwurbel, dass man eigentlich seitenweise mit ausgetauschten Höflichkeiten überblättern könnte, wenn nicht in so manchem Nebensatz eine wichtige Information lauern könnte. In diesen Szenen, die leider immer wieder vorkommen, verliert der Leser leicht den Faden, den er sowieso schon schwer finden konnte. Jede weitere Information macht die Fälle eigentlich nur verwirrender, und so denkt man sich gelegentlich, wo das Ganze hinführen soll.
Sprachlich (zu) virtuos
Sind die Fälle verwirrend und sehr auseinandergezogen, besteht kein Klagebedarf über die Historizität. Parots Sprache ist durchaus der Zeit der 1770er in Paris angemessen, seine Beschreibungen sind der Zeit entsprechend und er malt sprachlich Bilder, die den Leser mitten in die Zeit zurückversetzen. Sehr genau beschreibt er die Kleidung, die Perücken (dank Le Noirs Sammlung) erscheinen direkt vor einem, die ganze Pracht, der ganze Zauber, das Paris des Adels eben und seiner Scheinheiligkeit. Parot ist ein guter Beobachter, vielleicht zu gut, man muss nicht immer jedes Detail bis ins Kleinste auflisten. Manchmal verwirrt schon, wenn der Name einer Person inklusive Adelstitel fast zwei Zeilen lang ist.
Natürlich, soviel kann vorweg genommen werden, lösen sich am Ende alle Fälle auf, teils überraschend, und teils schwer nachvollziehbar, da mag einiges doch konstruiert worden sein, um überhaupt irgendwie die Kurve zu kriegen. Nicht alles ist für den Leser nachvollziehbar, vielleicht musste sich der Autor auch beeilen, seine vorgegebene Seitenzahl nicht zu überschreiten, aber stimmig ist es am Ende doch. Etwas mehr Stringenz hätte dem Roman trotz beeindruckender Geschichtsschreibung durchaus gutgetan. Immerhin runden Begegnungen mit König Ludwig XVI und mit Königin Marie Antoinette das Bild ab.
Leider teilt der Blessing Verlag auf Anfrage mit, dass nach diesem Band „in absehbarer Zeit“ keine weiteren Übersetzungen der noch ausstehenden acht Bände der Reihe geplant sind. Das ist schade, denn obwohl der Autor gelegentlich zu Ausschweifungen neigt, bietet die Reihe doch einen historisch hervorragenden Blick in das Frankreich vor der Revolution und den Übergang von Ludwig XV. zu Ludwig XVI. Wer weiterlesen möchte, ist somit auf das französische Original oder die englische Übersetzung angewiesen. Vielleicht findet sich ja auch ein Fernseh- oder Streamingsender, der die Verfilmung der Reihe ins Programm nimmt. Es wäre zu wünschen, denn die Reihe ist eine angenehme Alternative zum sonstigen derzeit laufenden historischen Programm.
Fazit:
Jean-François Parots Held Nicholas Le Floch hat es auch in seinem fünften Fall noch drauf, obwohl er bereits vermutet hatte, beim König in Vergessenheit geraten zu sein. Die Fälle sind verwirrend, werden aber gelöst. Die Sprache ist angemessen aber streckenweise langatmig, die Geschichtsstunde an sich jedoch gelungen. Aus dieser Zeit möchte man gerne mehr lesen, doch steht das wohl leider erstmal nicht an. Schade.
Jean-François Parot, Blessing
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