Schillernde Figuren und eine komplexe Handlung sorgen für grandiosen Lesestoff
Rom, 1566: Michelangelo ist Novellant, also jemand, der mit Nachrichten handelt. Allerdings ist er weit davon entfernt, so gut wie sein bekannter Onkel zu werden. Michelangelo veröffentlicht lieber erfundene Geschichten, die eher Klatsch und Tratsch beinhalten als seriöse Nachrichten. Auf einer Tour in Frauenkleidern, um sich in eine Messe zur Bekehrung der Prostituierten schleichen zu können, lernt er Mercuria kennen, eine angesehene Kurtisane. Als sich wenige Jahre später die Gelegenheit bietet, auf ihr Anwesen zu ziehen, packt Michelangelo die Gelegenheit beim Schopfe und stolpert so unversehens in sein größtes Abenteuer.
Bildhafte Sprache, die lebendig erzählt
Die Sprache Michael Römlings ist das, was direkt auffällig ist: sie erzählt äußerst lebendig und reizvoll in schönen Bildern. „Es hatte keinen Sinn, sich wieder ins Bett zu legen und das wimmelnde Schlangenbündel von Erinnerungen zu bändigen.“ (S. 14) Das macht es dem Leser äußerst gefällig, über die vergangene Zeit zu lesen.
Besonders die erste Begegnung zwischen Mercuria und Michelangelo wird derb, aber sehr amüsant, beschrieben. Zum Glück kann der Autor diese Leichtigkeit beibehalten, ohne dabei plump oder banal zu werden.
Die Geschichte wird zudem durchbrochen von Kapiteln, die Nachrichten wiedergeben, die Michelangelos Onkel gesammelt hat, und die von Mercurias Erinnerungen erzählen und schafft eine vielfältige Komplexität, die bis zum Ende aufrecht gehalten wird. Dass Michelangelo in der Ich-Form erzählt, erzeugt zusätzliche Nähe zum Leser.
Krimi oder Lebensgeschichte?
Als Michelangelo mit Gennaro, einem Steinmetz, der ebenfalls bei Mercuria lebt, bei einem nächtlichen Streifzug eine Männerleiche mit jeweils sechs Fingern entdeckt, weitet sich die Geschichte zu einem Krimi aus. Wer ist in dem Mord verstrickt? Was ist vor vierzig Jahren passiert? Nach und nach decken die beiden Freunde die Zusammenhänge auf und müssen erkennen, dass auch Mercuria Wissen über den Ermordeten hat. Hat sie etwas damit zu tun?
Mercuria bleibt stets undurchschaubar und geheimnisvoll, öffnet sich nur zögerlich ihren Mitbewohnern und dem Leser. Das macht die Erzählung aber gerade so interessant, dass die Handlungsstränge sich erst am Ende zusammenfinden. Aber nicht nur Mercuria ist ein Charakter, der Ecken und Kanten aufweist, auch die Nebenfiguren sind facettenreich dargestellt wie beispielsweise der Priester Bartolomeo.
Zu Beginn des Buches gibt es eine Stadtkarte Roms, in der alle wichtigen Schauplätze der vorliegenden Geschichte eingezeichnet sind sowie ein Personenverzeichnis, das sehr hilfreich ist. In dem Verzeichnis sind die Personen, die wirklich gelebt haben, kursiv gedruckt.
Fazit
So macht ein Historienroman Spaß: eine mitreißende Sprache, vielschichtige Charaktere und eine sich langsam entfaltende Geschichte, die am Ende keine Fragen offenlässt.
Michael Römling, Rowohlt
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