Die juten Sitten - Goldene Zwanziger. Dreckige Wahrheiten
- Goldmann
- Erschienen: Oktober 2020
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Etwas schwerfälliger Start, aber anschauliche Szenerie
Los Angeles, 1954: Hedi Belle wurde zum Tode verurteilt, nachdem sie einen Mann erschossen hat. Vorbei ist ihre Zeit als gefeierter Hollywoodstar, nun wollen die Journalisten nur noch erfahren, warum sie die Tat begangen hat. Bisher hat sie jedes Interviewangebot abgelehnt, aber als Noah Goldenblatt in der Besucherzelle sitzt, ändert sie ihre Meinung und erzählt ihm von ihrer Kindheit in den späten Zwanzigerjahren in Berlin.
Hedi wuchs im Bordell ihrer Großmutter auf, die früher ebenfalls als Prostituierte tätig war, nun aber lieber als Geschäftsfrau gesehen werden möchte. Zwei Frauen haben ein Zimmer bei ihr gemietet und befriedigen auf unterschiedlichste Weise die Wünsche ihrer Kunden.
Tristes und brutales Ambiente
Sowohl Colette, die jedem Mann das Gefühl gibt, ihr Liebling zu sein, als auch Natalia, die als Domina keinen Sex mit ihren Kunden hat, diese aber mit verschiedenen Utensilien zu bestrafen weiß, haben ihre Träume und Wünsche an die Zukunft. Die vorherrschende Trostlosigkeit und Gewalttätigkeit lassen allerdings an ihrer Zuversicht zweifeln.
Als Leser fällt es schwer, sich in das abstoßende Ambiente fallen zu lassen, obwohl es authentisch beschrieben ist. Vor allem die Figuren sind facettenreich und wirken echt, was beispielsweise am Berliner Dialekt liegt, der von Minna, Hedis Großmutter, gesprochen wird.
Wenig Handlung in der ersten Hälfte
Zu Beginn des Romans passiert nicht allzu viel, so dass man etwas gelangweilt ist und die Geschichte trotz des pikanten Umfelds als öde empfindet. Dies ändert sich mit den Briefen, die Hedi an Noah schreibt. Hier öffnet sie sich und zeigt ihre Verletzlichkeit. Auch Emil, der von Minna von der Straße geholt wird, bringt Spannung ein.
Der historische Hintergrund ist gut recherchiert und erläutert. Hier wird aus dem Blickwinkel der Personen erzählt, die sich am Rande der Gesellschaft bewegen und – wenn überhaupt – nur einen flüchtigen Einblick in die goldene Zeit der Zwanzigerjahre erhaschen können. Glanz und Glamour treten hinter klebrigen Kneipenboden, Eisblumen und Essigspülungen zurück.
Es gibt viele kleine Details, die das damalige Umfeld lebendig machen, allerdings schreckt die skrupellose Gewalttätigkeit auch ab. Teilweise muss man als Leser doch mal schlucken, wenn beispielsweise von Vergewaltigungen junger Männer erzählt wird.
Fazit
Der Roman braucht etwas, um den Leser einzufangen, schafft dies in der zweiten Hälfte aber sehr gut. Authentisch wird die Kehrseite der goldenen Medaille der Zwanzigerjahre beschrieben.
Anna Basener, Goldmann
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