Schach mit dem Tod
- Heyne
- Erschienen: August 2021
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Ein Spion wider Willen
Die Wüste von New Mexico, USA, 1945: Fieberhaft arbeitet eine Gruppe von Forschern und Wissenschaftlern an einem ehrgeizigen Projekt. Es hat das Potenzial, den Krieg zu beenden und die Welt zu verändern – aber auch, sie zu zerstören. Doch das ist nicht einmal David Adlers größtes Problem: Denn David ist ein Spion, und das alles andere als freiwillig. Und als wäre all das noch nicht genug, spielen auch andere in Los Alamos nach ihren eigenen Regeln.
Für Europa endet der Zweite Weltkrieg mit der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands Anfang Mai. Doch im Pazifik, zwischen Amerika und Japan, geht der Krieg weiter. Und er kostet jeden Tag mehr Menschenleben. So viele, dass die Vereinigten Staaten bereit sind, den Krieg mit einem nie dagewesenen Vorhaben zu beenden: Einer neuen Bombe. Einer Bombe, deren Details dem kommenden, neuen Feind in Gestalt der Sowjetunion niemals bekannt werden dürfen. Doch wie soll eine so große Gruppe von Menschen, wie die, die in New Mexico fieberhaft am Bau der Bombe bastelt, unter Kontrolle gehalten werden?
Ein Wettlauf gegen die Zeit und ein Wettrennen der Supermächte
Über den Krieg selbst gibt es viele Geschichten – über Heldentaten, über unaussprechliche Verbrechen. Steffen Jacobsen wagt sich in seinem neuesten Werk an eine Geschichte, die jedenfalls in Europa weit weniger bekannt sein dürfte: Die Entwicklung der Atombombe und das Wettrennen auf dem Weg dahin. Dabei bergen alleine diese Fakten schon genug Spannung, die von Beginn der Geschichte an den Leser mal mehr, mal weniger unterschwellig begleitet. Doch auch die fiktiven Elemente der Geschichte fesseln.
Steffen Jacobsen beginnt seine Geschichte einige Monate vor Hiroshima und Nagasaki – im kriegsverwüsteten Europa. David Adler muss sich aus einer schweren Verletzung zurückkämpfen. Doch seine Verwandtschaft zu Niels Bohr, einem der führenden Wissenschaftler rund um die Entwicklung der Atombombe, zieht David in eine Geschichte, die viel größer ist, als er es selbst überschauen kann. Er ist nicht der geborene Spion, hadert mit seinen Ängsten, seiner persönlichen Geschichte, seinen Zweifeln an seiner Arbeit und dem Projekt. Das erzählt Jacobsen so anschaulich, dass Leser/innen sogar in den ruhigen Szenen nie ganz aus einer Grundspannung entlassen werden. Die Atmosphäre gehört zu den großen Pluspunkten dieses Werks.
Spannende Charakterstudien verheddern sich in technischen Details
Zu einer Geschichte über die Entwicklung der Atombombe gehören auch technische und chemische Details – soweit, so gut. Und dass der Autor sich bemüht, all diese Details durch die Augen des Laien David Adler verständlich zu kommunizieren, verdient ebenfalls Anerkennung. Wer sich jedoch nur rudimentär mit Chemie, Physik und dem Aufbau einer Atombombe auskennt oder sogar ohne jede Vorkenntnis in dieses Thema einsteigt, der läuft Gefahr, sich auf den seitenlangen Beschreibungen dieser Details zu verlieren.
Dass das Ganze nicht in Langeweile abdriftet ist – neben der bereits erwähnten Grundspannung – ist auch Jacobsens starker Figurenzeichnung zu verdanken. Neben dem Protagonisten David Adler, der empathisch stets nachvollziehbar bleibt, vermögen auch die Nebenfiguren, fiktiv wie historisch verbürgt, zu überzeugen. Dabei vermeidet der Autor es, in Klischees abzudriften und versucht, jeder Figur ein eigenes Gesicht, eine eigene Stimme und eigene Lebensgeschichte zu geben. Das tröstet, wenn man sich – ähnlich wie der Protagonist – manchmal etwas dumm neben all den Genies vorkommt, die an der Entwicklung der Atombombe arbeiten.
Fazit
So bleibt trotz des gelegentlichen Überforderungsgefühls eine spannende, unterhaltsame Geschichte, die trotz der scheuen Bezeichnung als „Roman“ durchaus Elemente des Agententhrillers aufweisen kann und die Leser/innen bis zum Ende nicht wirklich aus seinem Sog lässt.
Steffen Jacobsen, Heyne
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