Fabrik der Schatten

  • Heyne
  • Erschienen: Juli 2022
  • 0
Wertung wird geladen
Andrea Duphorn
821001

Histo-Couch Rezension vonNov 2022

Drei mit militärischer Präzision durchgeführte Morde rufen den neu gegründeten preußischen Geheimdienst auf den Plan: Major Albert Craemer und seine junge Assistentin Lena Vogel ermitteln.

Deutsches Kaiserreich, 1910. Entlang der Bahnlinie liefern sich zwei Automobile unweit von Bingen eine tödliche Verfolgungsjagd. An einem Bahnübergang kollidiert eines der Fahrzeuge mit einem Güterzug. Während einer der Insassen schwer verletzt überlebt und ins Krankenhaus gebracht wird, kommt für den zweiten jede Hilfe zu spät. Zunächst deutet alles auf einen Unfall hin. Dann entdeckt die Polizei, dass der Tote mit vier Schüssen quasi exekutiert wurde. Weil er Zeugen zufolge Französisch gesprochen haben soll, was in Zeiten der deutsch-französischen Erbfeindschaft bereits ausreicht, um verdächtig zu erscheinen, nehmen Major Albert Craemer, Leiter der „Abteilung Spionage Frankreich“, und seine junge Assistentin Lena Vogel die Ermittlungen auf.

Ein Kriminalroman, der viel zu bieten hat

Rasch entwickelt sich die Geschichte zu einem rasanten Spionagestück, das viel zu bieten hat: eine fesselnde Handlung mit mehreren, parallel verlaufenden Erzählsträngen, zahlreiche Ortswechsel und spannende Protagonisten.

Routiniert haben Matthias Wittekindt und Reiner Wittkamp die Haupthandlung um mehrere Nebenschauplätze ergänzt, die sie am Ende gekonnt zusammenführen. So sind wir kurz nach dem Zwischenfall in Bingen mit dabei, als in Bonn ein junger Chemiestudent nach dem gleichen Muster ermordet wird: zwei Schüsse in den Kopf, zwei weitere in die Brust. Außerdem lesen wir, wie es bei der - wie auch immer motivierten Überführung - von drei französischen Flugzeugen in die Albatros Flugzeugwerke, nahe Berlin, zu Komplikationen kommt, die ebenfalls Untersuchungen notwendig machen. Ein weiterer Erzählstrang führt die Leser:innen außerdem bis in das Jahr 1895 und in das polnische Dorf Jarszów zurück, wo Craemers Agentin Lena Vogel als Tochter einer armen jüdischen Näherin unter dem Namen Rahel sechs Jahre zuvor geboren wurde.  

Unorthodoxe Ermittlungsmethoden

Mit der taffen Lena Vogel hat das Autoren-Duo Matthias Wittekindt und Reiner Wittkamp eine junge, unerschrockene Ermittlerin geschaffen, die mit ihren unorthodoxen, aber sehr wirksamen Untersuchungsmethoden zuweilen an Agatha Christies legendäre Miss Marple erinnert. So stellt Lena mit der Spitze ihres Regenschirms beinahe zufällig so manchen Verfolger kalt. Gemeinsam mit Gustav Nante, einem jungen Leutnant und Flieger, der von Spionagearbeit zwar (noch) nicht viel Ahnung hat, das Herz aber auf dem rechten Fleck trägt, gelingt es ihr, Licht ins Dunkel zu bringen. „Chef“ Albert Craemer, in vielerlei Hinsicht das genaue Gegenteil seiner jungen, impulsiven Agentin, bringt die Ermittlungen unterdessen äußerst bedacht und mit viel Übersicht von Berlin aus voran.

Starke Frauenfiguren

Dem Autoren-Duo gelingt es, das Lebensgefühl der damaligen Zeit einzufangen. Auch sprachlich fühlt man sich in die so genannte Belle Epoque zurückversetzt. Zugleich schwingt im Roman auch immer ein leicht surrealistischer Ton mit, wie wir ihn aus den „Sherlock Holmes“-Romanen von Arthur Conan Doyle oder Georges Simenons „Maigret“ kennen. Mit letzteren hat Fabrik der Schatten noch etwas anderes gemein: denn wie Maigret weiß auch Major Albert Craemer mit seiner Helmine eine starke Ehefrau an seiner Seite, die seine kriminalistische Karriere tatkräftig unterstützt, ihm mit klugen Ratschlägen zur Seite steht und „nebenher“ auch noch eine Spirituosenfabrik leitet.

Nach dem überraschenden Tod von Co-Autor Reiner Wittkamp im Dezember 2020 will Maththias Wittekindt die Craemer-und-Vogel-Reihe allein fortsetzen. Band zwei soll bereits im Sommer 2023 erscheinen. Dann ermitteln Major Albert Craemer und seine junge Assistentin auf dem 8. Internationalen Sozialistenkongress, der vom 23. August bis 3. September 1910 in Kopenhagen stattfand.

Fazit

Mission geglückt: Mit Fabrik der Schatten präsentieren Matthias Wittekindt und Reiner Wittkamp den gelungenen Auftakt einer neuen Reihe. Ein Kriminalroman, den man mit wachsender Spannung und viel Freude an den fantasievoll gezeichneten Protagonisten liest.

Fabrik der Schatten

Matthias Wittekindt, Rainer Wittkamp, Heyne

Fabrik der Schatten

Deine Meinung zu »Fabrik der Schatten«

Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!

Letzte Kommentare:
Loading
Loading
Letzte Kommentare:
Loading
Loading

Zeitpunkt.
Menschen, Schicksale und Ereignisse.

Wir schauen auf einen Zeitpunkte unserer Weltgeschichte und nennen Euch passende historische Romane.

mehr erfahren