Das Land, von dem wir träumen
- Droemer-Knaur
- Erschienen: April 2022
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Das Südtirol wird italienisch
Nach dem Ersten Weltkrieg fällt das bis dahin österreichische Südtirol an Italien. Das Italienisierungsprogramm der Faschisten beinhaltet unter anderem das Verbot der deutschen Sprache an Schulen und in der Verwaltung. Das hat für die Tochter des Bruggmoser Bauern Konsequenzen. Sie, die in Innsbruck eine Ausbildung als Lehrerin erfolgreich abgeschlossen hat, darf in ihrer Heimat Südtirol nicht auf Deutsch unterrichten. Die Zustellung der amtlichen Verfügung ist eine grosse Enttäuschung für Franziska.
Kulturgut erhalten
Nachdem die erste Wut verraucht ist, beschliesst Franziska die Kinder der Nachbarhöfe im Geheimen auf Deutsch zu unterrichten. Sie will das Südtiroler Kulturgut erhalten und an ihre Zöglinge weitergeben. Mit Hilfe eines ihr gut gesinnten Nachbarn und der Unterstützung ihrer Cousinen richtet sie in einem alten Turm das Klassenzimmer ein. Das Ganze ist eine gefährliche Angelegenheit, droht ihr bei der Entdeckung doch eine Gefängnisstrafe.
Ungemütlich wird es für Franziska, als ihr Vater beschliesst, den Hof bereits vorzeitig seinem ältesten Sohn Leopold zu überschreiben. Leopold ist ein Trinker und an den meisten Tagen gar nicht in der Lage, körperlich zu arbeiten – geschweige denn, den Hof wirtschaftlich zu führen. Erschwerend kommt hinzu, dass sich die Leute vom Bruggmoser Bauer zurückziehen, weil dieser sich der neuen Obrigkeit andient. Das hat für die Wirtschaftlichkeit des Bruggmoser Hofes einschneidende Folgen. Die Milch kann nicht mehr abgesetzt und folglich kein Einkommen generiert werden.
«Ich dagegen bin ein Untertan, ein Staatsbürger, nenn es, wie du möchtest. Es ist immer das Gleiche. Könige oder Regierungen entscheiden über mich und mein angeblich freies Leben. Und sie entscheiden auch, wie ich mich zu nennen und welche Sprache ich zu sprechen habe. Aber am Ende macht das alles keinen grossen Unterschied. Ich zahle Steuern, die Obrigen schicken meine Söhne in den Krieg, ganz wie es ihnen beliebt, und ich darf, mehr oder weniger unbehelligt mein Leben leben.» (Quelle: Roman)
Das Potenzial nicht ausgeschöpft
Der Roman beginnt im Jahr 1925 und dreht sich vor allem um Franziska. Der Bruggmoser Hof und die Besuche in Meran bei ihrer Freundin Leah bilden die wichtigen Orte der Handlung. Die Geschichte gibt grobe Einblicke in das Leben der Südtiroler Bevölkerung unter dem Einfluss der Faschisten. Die vielfältigen Themen des Romans werden leider nur oberflächlich behandelt. Die politischen Veränderungen, die wirtschaftlichen Gegebenheiten, die landwirtschaftlich nötigen Umstellungen und der Widerstand der Bevölkerung wird nicht vertieft beschrieben. Einblicke in Franziskas geheime Schule fehlen und auf ihr Engagement bei einer politisch motivierten Gruppe, die Flugblätter verteilt, wird nicht eingegangen.
Durch diese Distanz ist nur eine Betrachterrolle möglich – die Figuren entfalten sich nicht und lassen keine Nähe zu. Obwohl der Roman leicht und flüssig geschrieben ist, gibt es viele sich wiederholende Erklärungen zu Franziskas Familie und Ereignisse in der Vergangenheit. Das ist schade, bietet die Geschichte doch viel Potenzial mit diesem historischen Hintergrund. Für diejenigen, die sich mit einem kurzen Abriss der Historie zufriedengeben, ist es aber eine unterhaltsame Lektüre.
Fazit
Im Ansatz eine interessante Geschichte der sich nach dem Ersten Weltkrieg verändernden Machtverhältnisse und ihren Auswirkungen für die Südtiroler Bevölkerung. Leicht, flüssig und unterhaltsam geschrieben, hätte es für historisch Interessierte aber etwas substanzieller sein können.
Anna Thaler, Droemer-Knaur
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