Die Hafenärztin
- Ullstein
- Erschienen: Dezember 2021
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Eine überstürzte Abreise und ein unkonventioneller Neuanfang
Nach zwölf Jahren in London flüchtet die Ärztin Anne Fitzpatrick überstürzt nach Hamburg. Hier, in ihrer Heimatstadt, möchte sie im alten Hafen ein Frauenhaus eröffnen. Ausgerechnet am Eröffnungstag findet die junge Pastorentochter Helene Curtius auf dem Weg in den Hafen, in der Nähe des Frauenhauses, eine Leiche. Die feierliche Eröffnung fällt für Anne und ihre Mitstreiterin buchstäblich ins Wasser.
Für die junge Ärztin ist der Leichenfund eine Katastrophe. In der Nähe ihres Hauses, das eigentlich für Schutz und Sicherheit stehen sollte, ist ein Mord geschehen. Das bringt Annes Konzept durcheinander. Eigentlich sollten die Ärmsten unter den Frauen, die sich hier am Hafen einen kleinen Verdienst erarbeiten, täglich eine warme Mahlzeit und einen ruhigen und sicheren Aufenthaltsort geboten bekommen. Als man einen Tag später noch eine weitere Frauenleiche findet, wird es geradezu unheimlich. Entgegen der Meinung von Kommissar Rheydt, einen Frauenmörder treibe sein Unwesen, gehen die Politiker Hamburgs von einem Milieuverbrechen aus.
«Aber Anne nahm die Morde persönlich. Sie konnte sich des Gefühls nicht erwehren, dass die Frauen, die man heute in ihren schwimmenden Gräbern gefunden hatte, mit ihr zu tun hatten.» (Quelle: Roman)
Helene, die unglückliche Finderin der Frauenleiche, möchte Anne bei ihrer Arbeit unterstützen. Sie kämpft in ihrem eigenen Leben für mehr Freiheiten und findet durch die Ärztin eine Lösung für ihre Probleme.
«Helene hielt es mit Anita Augspurg, der Lebensgefährtin der von ihr über alles verehrten Lida Gustava Heymann: «Die Ehe ist Selbstmord für die denkende Frau», hatte diese einmal gesagt.» (Quelle: Roman)
Kommissar Rheydt muss Rückschläge hinnehmen und sich bei seinen Vorgesetzten vehement für die Weiterverfolgung des Falls einsetzen. Mit Glück und Zufall scheint er dem Täter und dem Geheimnis von Doktor Anne Fitzpatrick auf die Schliche zu kommen.
Der alte Hamburger Hafen im Zentrum des Geschehens
Eine spannende und mitreissende Geschichte, die 1910 in Hamburg ihren Anfang nimmt. Die Geschichte um eine Ärztin, einen Kommissar und eine Pastorentochter ist aus vielen interessanten Elementen zusammengesetzt. Diese bereichern das Ganze ungemein, erfährt man doch vieles über den alten Hamburger Hafen, seine Bewohner und über das gesellschaftliche Leben.
Während der ganzen Zeit bleibt unklar, warum Doktor Anne Fitzpatrick aus London flüchten musste. Manchmal kehrt die Autorin Henrike Engel zu diesem Punkt zurück, um dann wieder elegant abzuschweifen. Ein weiteres Geheimnis ist die Verbindung von Annes Vater zu Baron von Stetten.
Und dann ist da natürlich der Kriminalfall: der Mord und die Tätersuche. Hier steigt die Spannung und es zeigt sich das Zusammenspiel von Gesellschaft, Politik und Polizeidienst. Ein weiteres wichtiges Element in der Geschichte widmet sich dem Thema Frauenbewegung. Henrike Engel nimmt sich diesem an und setzt es akzentuiert in Szene.
Schade, dass die Hafenärztin nicht ganz die Rolle zugewiesen erhält, die der Klappentext erwarten lässt. So steht der Kriminalfall im Mittelpunkt und die Figur der Ärztin rückt in den Hintergrund. Trotzdem: Es gilt, einige Geheimnisse zu lüften, einen Mörder zu fangen und alte Fehden zu beenden. Damit ist für spannende und prickelnde Unterhaltung gesorgt, die über einige Längen hinwegsehen lässt.
Fazit
Eine packende und prickelnde Lektüre über das Leben und Geschehen rund um den alten Hamburger Hafen im Jahr 1910. Sehr gut recherchiert und in einem spannenden Kontext umgesetzt.
Henrike Engel, Ullstein
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