Im Jahr des schwarzen Regens
- Steidl
- Erschienen: November 2021
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Ein ungewolltes Abenteuer im Orient
Im Frühjahr 1816 gerät die Fregatte „Phoenix“ vor der türkischen Küste in der Nähe von Smyrna, dem heutigen Izmir, in einen schweren Sturm. Das Schiff gerät in Notlage und strandet mit schweren Schäden am Ufer. Kapitän Charles Austen, jüngerer Bruder der Autorin Jane Austen, muss in Smyrna die Rückreise organisieren und trifft dabei auf unerwartete Probleme.
Austen muss sich beim Gouverneur Katipzade Mehmet Bey Papiere besorgen, die ihm die Rückfahrt genehmigen. Doch in Smyrna lernt er schon bald die jüdische Witwe Rachel Rosenthal kennen, die ihm den Ort zeigt und ihm erzählt, dass Katipzade Schuld sei am Tod ihres Mannes und ihrer Tochter. Da Austen im Smyrna ein paar Tage festsitzt, beschließt er, ihr zu helfen, die Umstände der Tode in ihrer Familie aufzuklären. Dadurch gerät er in den Strudel von Vergangenheiten und Traditionen, die ihn beinahe seine Mission vergessen lassen.
Beruhend auf wahren Begebenheiten
Alexander Pechmanns Romane sind stets recht kurz gehalten, dafür aber umso intensiver formuliert und gut durchdacht. Auch „Im Jahr des schwarzen Regens“ reiht sich in diese Kategorie ein, die Geschichte beruht auf wahre Begebenheiten, der Schiffbruch der „Phoenix“ unter dem Kommando von Charles Austen ist belegt und Teil seiner Biographie.
Der Roman ist ein Bericht Charles‘ an seine Schwester Jane und daher mehr oder weniger in Briefform und in Ich-Perspektive verfasst. Das ermöglicht es dem Leser, ganz nah am Geschehen zu sein und alles aus Charles‘ Sicht zu erleben, seine Gedankengänge mitzudenken und seine Beobachtungen zu teilen. Daneben beschreibt er auch Ort und Zeitgeschehen trefflich, so dass eine realistische Atmosphäre der Zeit und der Umgebung geschaffen werden.
Geheimnisvolle neue Bekannte
Charles ist ein pflichtbewusster britischer Offizier und sich seinen Traditionen und Schuldigkeiten bewusst, daher organisiert er seine Mannschaft vor Ort und macht sich dann auf den Weg nach Smyrna, um dort die nötigen Genehmigungen für Bergung und Rettung von Mannschaft und Ladung zu organisieren, eine Aufgabe, die nur er als höchster befehlshabender Offizier erledigen kann.
Es beginnt ein waghalsiges Abenteuer, das nur geschehen kann, da auch die örtlichen bürokratischen Mühlen langsam malen und die entsprechenden Urkunden auch grafisch schön ausgearbeitet werden müssen. In dieser Zeit erfährt Charles von der Geschichte der Sängerin Arevhat, die es wagt, gegen den Gouverneur und seine Politik zu singen, die aber nie gefasst werden kann.
Unweigerlich wird er in die Tagespolitik mit hineingezogen, man fragt sich, wer gut ist und wer böse, wenn man das überhaupt so benennen kann. Er findet Freunde und kann sich doch nie sicher sein, ob er das richtige tut, zumal wenn er sich an Ende vor einem britischen Kriegsgericht für seine Taten rechtfertigen muss, dieses Damoklesschwert schwebt dauernd über ihm, auch wenn er manchmal nicht dran denkt.
Alexander Pechmann ist ein kleiner, intensiver Roman gelungen, der dem Leser den Zauber der Orients nahebringt und der sich fast selbst in diesem Zauber verliert. Auf nur 254 Seiten gelingt es ihm, die exotische Welt durch die Augen von Charles Austen lebendig und wirklich werden zu lassen und ein Teil dieser Welt zu werden. Weitere Literaturempfehlungen, Quellennachweise und eine Danksagung ergänzen den Roman aus dem Hause Steidl, der in einem luxuriösen Leineneinband daherkommt, was hier neben dem gelungenen Cover besonders gelobt werden soll.
Fazit
Alexander Pechmanns „Im Jahr des schwarzen Regens“ ist ein ruhiger und doch aufregender Roman, der den Leser durch die Augen seines Protagonisten in die Welt des Vorderen Orients zur Hochzeit der Britischen Marine entführt und ihn nur schwer wieder loslässt. In dieser Intensität dürfen Pechmanns Romane gerne länger sein. Empfehlenswert.
Alexander Pechmann, Steidl
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