Die Wiege der Hoffnung
- Tinte & Feder
- Erschienen: November 2022
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Um die Kunstwerke ‚entarteter‘ Künstlerinnen und Künstler vor der sicheren Vernichtung durch die Nationalsozialisten zu bewahren, setzt eine mutige junge Jüdin alles aufs Spiel.
Es klingt verrückt und doch hat es in jener dunklen Zeit sicher viele ähnliche Geschichten gegeben: Eine junge, kunstbegeisterte Jüdin kollaboriert im Berlin der 1930-er Jahre zum Schein mit den Nazis. Tatsächlich rettet die Protagonistin von Tara Haighs Roman „Die Wiege der Hoffnung“ aber nicht nur etliche Bilder und Skulpturen „entarteter“ Künstlerinnen und Künstler vor der sicheren Vernichtung. Sie ermöglicht durch ihr umsichtiges Handeln auch zahlreichen jüdischen Familien die Flucht ins Ausland.
Ein Antiquitätenladen als Umschlagplatz für „entartete“ Kunst
Berlin 1935. Zwei Jahre nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten und die Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler, steht Luise, Tochter eines jüdischen Apothekers, kurz vor dem Abitur. Eigentlich soll sie später die elterliche Apotheke übernehmen. Doch Jüdinnen dürfen nicht Pharmazie studieren. Also beginnt Luise ein Studium der Kunstgeschichte. Beim Besuch der (Wander-)Ausstellung „Entartete Kunst“, wird ein einflussreicher Mitarbeiter des Oberfinanzpräsidiums auf die junge Frau aufmerksam und macht ihr ein Angebot: Luise soll für das Deutsche Reich Schätzungen vornehmen, Hausauktionen durchführen, Möbel und Kunststücke gewinnbringend an- und ins Ausland weiterverkaufen. Luise willigt ein, weil sie hofft, wertvolle Gemälde, Skulpturen, Teppiche und Schmuck so genannter entarteter Künstler*innen außer Landes und damit in Sicherheit zu bringen. Sie erhält dadurch aber auch allerlei Privilegien (und Informationen), die ihr helfen, ihre Familie vor Schlimmerem zu bewahren. Der Antiquitätenladen ihres Onkels, der sich früh nach Italien abgesetzt hat, wird zum Umschlagplatz für jene „entartete Kunst“.
Apulien, die „Wiege der Hoffnung“
Eine Zeit lang läuft alles gut. Während die Pässe von Jüdinnen und Juden in ganz Deutschland ungültig erklärt werden und diese neue, mit einem „J“ gekennzeichnete Dokumente beantragen müssen, erhält Luise den Status einer „Ehrenarierin“ und darf sogar ins Ausland reisen. Das Berufsverbot, mit dem ihr Vater belegt wird, kann sie nicht verhindern. Dank ihrer guten Arbeit darf die Familie aber weiter in der Wohnung über der Apotheke wohnen bleiben und kommt einigermaßen über die Runden. Doch Luises Job wird immer gefährlicher. Als die Behörden immer deutlicher zum Ausdruck bringen, dass sie von ihr erwarten, dass sie jüdische Familien denunziert, die das Land verlassen wollen, flieht Luise mit ihrem Verlobten aus Deutschland. Ihr Ziel ist Apulien, für viele Jüdinnen und Juden die „Wiege der Hoffnung“, denn von dort gehen noch regelmäßig Schiffe nach Palästina.
Nach einer aufregenden Reise, auf der das junge Paar dem Tod mehr als einmal „von der Schippe springt“, erreichen sie Emilios Heimatdorf an der italienischen Küste. Happy End? Mitnichten: Luise wird verhaftet und als Kollaborateurin angeklagt.
Detailreich recherchiert und packend erzählt
Unter dem Pseudonym Tara Haigh verfasst Tessa Hennig seit vielen Jahren sehr erfolgreich historische Romane. Dabei greift sie gern Aspekte der Weltgeschichte auf, die weniger bekannt bzw. literarisch noch nicht oft verarbeitet wurden. In „Die Wiege der Hoffnung“ ist das zum einen Luises „Job“ als Retterin „entarteter Kunst“ und jüdischer Familien, zum anderen die Bedeutung der italienischen Region Apulien für das Judentum. Mit viel Liebe zum Detail recherchiert und packend erzählt, entwirft der Roman ein eindringliches und atmosphärisches Porträt der NS-Zeit. Dabei entwickelt sich die sympathische Protagonistin vom naiven Schulmädchen zu einer starken, mutigen Frau, die allerlei Risiken eingeht, um anderen aus höchster Gefahr zu helfen.
Fazit
Gekonnt verknüpft Tara Haigh die (fiktive) Geschichte der jüdischen Apotheker-Familie Rosenbaum mit historischen Ereignissen der NS-Zeit und der Liebesgeschichte ihrer jungen Protagonistin. Ein atmosphärisch dicht erzählter Roman, der die Schrecken jener Zeit hautnah spürbar macht und bis zum Schluss fesselt.
Tara Haigh, Tinte & Feder
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