Die schwarze Rose
- Paul Zsolnay
- Erschienen: Februar 2022
- 5
Warten auf die Anhörung und weiter glauben an Gerechtigkeit
Der Dominikanernovize Wittekind Tentronk reist mit seinem als Ketzer angeklagten Meister Eckhart von Hochheim vom Rheinland nach Avignon. Dort warten die beiden auf das Aufgebot zur Anhörung beim Papst.
«Dass unsere Widersacher ein Verfahren vor der päpstlichen Inquisition gegen den Meister gewinnen, ist mehr als unsicher. Er hat nichts Unrechtes gelehrt, ich habe das als Prüfer für den Orden bereits so entschieden. Die Bischöflichen haben mir jetzt das Verfahren aus den Händen gerissen. Der Papst soll entscheiden. Vielleicht aber will unser Bischof den Meister auch nur auf eine lange Reise schicken, eine Reise ohne Wiederkehr. Verstehst du?» (Quelle: Roman)
Wo Gefahren lauern und echte Freunde sind
In einer windschiefen Kapelle am Rhone Ufer sucht der Meister Ruhe für seine Meditation und sammelt sich für die bevorstehende Aufgabe. Statt Einsamkeit findet er drinnen einen übel zugerichteten Mönch, der einige Zeit später im Kloster der Dominikaner stirbt. Unstimmigkeiten lassen den Novizen Wittekind aufhorchen und auf Spurensuche gehen. Damit begibt er sich in grosse Gefahr.
Auf der Flucht vor den unbekannten Häschern quer durch Avignon findet Wittekind Schutz bei Shimon im jüdischen Viertel. Zurück bei den Dominikanern geht die Suche weiter. Doch die Gefahr ist nicht gebannt. Etliche Unannehmlichkeiten und zahlreiche Abenteuer warten auf Wittekind. In den ruhigeren Phasen seiner Nachforschungen sucht er Zuflucht im Garten des Dominikanermönchs Ramon. Seine bodenständige Sicht auf die alltäglichen Dinge im Leben haben eine vorübergehende beruhigende Wirkung. Doch Ramon wird von Wittekinds Verfolgern ermordet.
Wittekinds Sorgen um seinen Meister nehmen mit jeder Ungereimtheit und jeder Information zu.
«Mein lieber Wittekind, sagte Occam, man merkt wirklich, dass du keinen genialen Theologen, sondern nur einen Prediger zum Meister hast. Doktrin ist das Allerwichtigste am Glauben. Die Essenz. Der Kern. Das Wesen. Ohne Doktrin keine Kirche. Was meinst du, warum die Inquisitoren am liebsten in jede Windung eines Ketzergehirns eindringen wollen? Es wird kein Jota Abweichung geduldet, sonst stürzt das gesamte Lehrgebäude ein – und damit die Hierarchie. Und wer am tiefsten stürzt, ist der Mann oben an der Spitze – der Papst.» (Quelle: Roman)
Es geht um so viel mehr
Anschauliche Schilderungen erzählen vom Leben in Avignon im Jahr 1328. Verschiedenste Figuren bereichern die Geschichte rund um den Dominikanerprediger Meister Eckhart und den Novizen Wittekind. Eigentlich geht es in dieser Geschichte nur um ein paar Tage in denen der Meister auf seine Anhörung beim Papst wartet. Auf der Suche nach Informationen und Möglichkeiten, seinen Meister vor Schlimmen zu bewahren, gerät der Novize Wittekind jedoch ständig in neue Abenteuer. Immer grössere Unstimmigkeiten treten zu Tage und schon bald entdeckt Wittekind, dass es da um viel Grösseres geht. Plötzlich ist er mittendrin in diesem Sumpf von Intrigen und Korruption. Es geht um Arm und Reich, Religion und Politik. Es geht um Gold und Macht – und Machterhalt. Und dazwischen kämpfen Kleriker um ihr Leben.
Der lehrreiche geschichtliche Stoff hat der Autor eindrücklich verarbeitet und krimiartig umgesetzt. Exkursionen in die Welt der Kirche, des Handels, des Münzwesens und der gesellschaftlichen Hierarchien bereichern die Geschichte. Eine packende Lektüre, die das Bild der mittelalterlichen Stadt Avignon und seine Bewohner aufleben lässt und einen bemerkenswerten Einblick gewährt.
Fazit
Eine spannungsreiche und äusserst interessante Sitten- und Kirchengeschichte. Sprachlich hervorragend ausgearbeitet, gelingt Dirk Schümer ein lehrreicher und beeindruckender Lesestoff über das Verhältnis zwischen Kirche und Staat, über Machtansprüche und Machterhalt.
Dirk Schümer, Paul Zsolnay
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