Töchter der Speicherstadt – Das Versprechen von Glück
- Piper
- Erschienen: Juli 2022
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Wiederaufbau und Wirtschaftswunder
Der dritte Teil der Kaffeesaga umfasst die Zeit von 1956-1989. Hauptfigur ist Cläres Tochter Anna. Sie möchte nicht in die Firma einsteigen und sich lieber dem Kunststudium widmen. Doch die Mutter verweigert ihr dies. Anna verliert deshalb jegliches Interesse an der Zukunft. Das ändert sich, als sie Hansi, einen Jazzmusiker, kennenlernt. Mit ihm scheint alles möglich. Die gemeinsame Zukunft in Amerika ist geplant, die Papiere vorbereitet, aber das Ticket für die Schiffspassage erhält sie nicht – sie kann die Reise nicht antreten.
Anna stürzt in tiefste Verzweiflung und kann Hansis Verrat nicht fassen. Gebrochen, lässt sie sich, dem Wunsch ihrer Mutter entsprechend, mit dem Geschäftsführer der Firma Behmer & Ehmke, Joost Van der Vehlen, verheiraten. Dieser ist jedoch weniger an der Tochter als am Unternehmen interessiert. Das wiederum weiss Cläre zu verhindern, ahnt sie doch, dass ihr Schwiegersohn ein unzuverlässiger Zeitgenosse ist. Im Laufe der Jahre wird sich ihre Einschätzung als richtig erweisen.
Während im Westen die Wirtschaft boomt, lebt Annas Cousine Irma mit ihrer Tochter im Osten. Hier erzählt die Autorin vertieft über das Leben in der DDR. Eindrücklich schildert sie, wie Irma sich durchschlägt und verbittert über ihre West-Verwandtschaft ist. Doch genau diese Verwandtschaft nutzt die Stasi für ihre eigenen Pläne.
Anja Marschall erzählt in diesem dritten Teil der Kaffeesaga vom deutschen Wirtschaftswunder und von den Veränderungen im Kaffeehandel. Eine Neuausrichtung ist unvermeidlich. Deutlich spürbar sind die rasanten wirtschaftlichen Entwicklungen und die ständigen Veränderungen. Der Aufbau der Stadt Hamburg ist in vollem Gange und technische Neuerungen halten Einzug – auch bei der Firma Behmer & Ehmke.
«Cläre war nicht wohl dabei, denn sie war sicher, dass die Hamburger irgendwann ihren Modernitätswahn bereuen würden. Doch sie konnte verstehen, dass die Menschen schnellstmöglich die Schrecken des Krieges und die braune Vergangenheit ihrer Stadt vergessen wollten. Kaum noch einer sprach von der dunklen Zeit. Jetzt widmete man sich der Eroberung der Zukunft.» (Quelle: Roman)
Viele historische Ereignisse und alte Bekannte
Geschickt verknüpft Anja Marschall die historischen Ereignisse wie die Hamburger Sturmflut 1962 oder den Mauerfall 1989 mit der Geschichte der Familie Behmer. Altbekannte Figuren erhalten ihren Platz: So die Dienstbotin Erna, die der Familie trotz Heirat eng verbunden bleibt. Oder Herbert Staller, der ehemalige Verlobte Cläres, der sich wieder in ihr Leben drängt. Inzwischen zu Reichtum gekommen, ist er ein nicht zu unterschätzender Mitspieler.
«Was redest du für einen Unsinn. Es sind einzelne Männer. So wie du es hinstellst, ist unser Land infiltriert mit alten Nazis. Das stimmt aber nicht! Wir haben sie alle aufs Genaueste geprüft.» (Quelle: Roman)
Der Einstieg in die Geschichte gestaltet sich anfangs etwas harzig. Es scheint, als ob Cläres Leben noch einmal durch Anna gelebt würde. Nach einer Weile stellt sich dann doch noch der ersehnte Wechsel ein und der Roman wird spannender und interessanter. Es fehlt aber entschieden an überzeugenden Frauengestalten, den Kämpferinnen, die das Unternehmen in früheren Zeiten am Leben gehalten haben. Erst am Schluss findet sich ein Hauch davon wieder.
Aber Anja Marschall hat dafür einige interessante Aspekte in ihren Roman einfliessen lassen. Sie zeigt die Rolle der Frau in dieser Zeit und befasst sich mit dem Fussfassen alter Nazifreunde im Hintergrund des Geschehens in Deutschland. Sie erzählt von der Umstrukturierung des Kaffeehandels und, nicht zu vergessen, vom Bau der Berliner Mauer und die damit verbundene Geschichte der DDR.
Fazit
Der dritte Band der Kaffeesaga hat nicht mehr das Potential seiner Vorgänger. Obwohl das Zeitgeschehen spannend festgehalten ist, fehlt den wichtigen Frauenfiguren das gewisse Etwas. Dennoch ist es eine unterhaltsame Lektüre und eine bewegende Rückblende auf die nahe Vergangenheit.
Anja Marschall, Piper
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